6

21 1 0
                                    

Titel: Edelsteintriologie
Motto: Bereit? -Bereit wenn du es bist!
Bewertung: 7/10

Boyslovetoread: Bin auch bereit dich zu treffen,wenn du willst.

Die letzten Sonnenstrahlen kamen kriechend über den Horizont, als ich mein Fahrrad von der Laterne abzuschließen versuchte. Wie gewohnt klemmte das Schloss etwas. Die Gestalt, die mit den Händen in die Hüften gestemmt das Wasser betrachtete, nahm ich kaum wahr. Als ich mit dem Rad in Richtung der Surfschule fuhr, formten sich sich die Linien zu einer Form. Die Haltung verriet mir,dass es sich um Parker handelte. Beine breit aufgestellt, Schultern zurück, den Kopf hoch erhoben und dennoch folgte ihm eine gewisse Leichtigkeit. Beim Näherkommem sah ich dass er sein Motorrad geparkt hatte, daneben lag eine gestreifte Stranddecke auf der Promenade. Er hatte etwas früher als ich gehen können, da wir abwechselnd den letzten Reinigungsdurchlauf machen sollten und als ich den Motor laut hatte aufheulen hören, war ich davon ausgegangen,dass er weiter gefahren war,als 200 Meter. Nach meiner ersten Schicht im Emi's war ich, trotz überschaubarer Kundschaft, ziemlich ausgelaugt. Emi hatte beim Verlassen des Imbisses die unheilvolle Ankündigung gemacht, dass ab nächster Woche eine ziemliche Ladung Feriengäste kommen würde. Am heutigen Tag war mir Parkers Hilfe nur zu Recht gekommen. Er hatte alles koordiniert, organisiert und mir auf nette Art meine Fehler mitgeteilt. Nun schaute er hinaus auf die endlose Weite des Atlantiks. Meine leicht quietschenden Reifen zerstörten die Idylle und er riss seinen Blick von der Schönheit des Meeres und schaute zu mir auf. Das Queitschen ertönte erneut, als ich vor ihm bremste und er begann belustigt zu lächeln.
"Das solltest du mal ölen." Mit einem kritischen Blick beäugte er mein Fahrrad und zeigte auf den Vorderreifen. "Ich weiß." Nervös bohrte ich die Spitze meines Turnschuhs in den Astphalt. Auf einmal war mein Kopf wie leergefegt. Obwohl ich mich nicht direkt jedem an den Hals warf, hatte ich normalerweise keine Probleme neue Bekannschaften zu schließen, doch Parkers Anwesenheit ließ mein Blut kochen und meine Stimme versagen. Dieses Problem hatte mich bereits den ganzen Tag begleitet. Sobald er etwas zu mir gesagt hatte, hatte ich mir jedes Mal vorgenommen bei seinem nächsten an mich gerichteten Satz ein Gespräch zu beginnen. Ich hatte kläglich versagt.  Nach einer Ausrede ringend schob ich es auf sein einschüchterndes Erscheinungsbild. Da ich selber relativ groß war, war ich es schlichtweg nicht gewohnt überragt zu werden. "Was machst du noch hier?" neugierig funkelten seine Augen mich an. Gott sei Dank schien meine Stimme noch nicht komplett die Biege gemacht zu haben: " Ich fahre jetzt zur Surfschule und... naja...dann leihe ich mir da ein Board und gehe noch eine Runde aufs Meer." "Cool. Wie kommst du an die Boards?" Er kratzte sich im Nacken und sein Shirt rutschte etwas hoch. Ich wollte nicht starren, aber es war als hätte man mir Magnete in die Augen implantiert, die jetzt einen Blick auf die Bauchmuskeln erhaschen konnten. Ich glaubte den Ansatz eines Tattoos zu erkennen,war mir aber nicht sicher. "Der Laden gehört meinem Dad." Ich zuckte mit den Schultern. Anerkennend nickte er. "Wow, da hast du echt Glück." "Surfst du auch?" "Machst du Witze? Wie kann man denn in Albaport leben, ohne zu surfen?" Dieser Satz brachte mich zum Lächeln und ehe ich mich versah sprudelten die Worte nur so heraus. "Wenn du willst, kannst du mitkommen. Boards habe ich genug." Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Diesen einen Moment, in dem man auf die Bestätigung des anderen wartet, quälte mich schon immer am meisten. "Klar, voll gern." Eilig packte er sein Strandtuch zusammen und nahm einen Helm von seinem Motorrad. Diesen reichte er kommentarlos an mich weiter, platzierte sich vorn auf seiner Maschine und klopfte einladend hinter sich. " Lass dein Rad hier. Wenn wir noch raus wollen bevor es dunkel wird, müssen wir uns beeilen." Ich zögerte. Einerseits meldete sich meine eigene Angst, anderseits würde meine Mom mich ausweiden, wenn sie davon erfahren würde. Parker legte den Kopf schief. "Ist alles in Ordnung?" Und dann traf ich eine Entscheidung. Ich schloss mein Rad kurzerhand an ein Laterne und schwang mich hinter ihn. Der Helm war ein bisschen zu groß, aber das störte mich nicht weiter. "Wohin soll ich-" ich legte meine Hände auf seine Oberschenkel. "Oder ähm-" ich wechselte auf seine Schultern. Lachend griff er nach meinen Händen und schloss sie vor seinem Bauch zusammen. Dabei fiel mir der kleine schwarze Anker auf seinem Handrücken auf. Er war also auf jeden Fall töttowiert.  "So ist's am besten." Durch diese Position wurde mein Gesicht an seinen Rücken gedrückt, ein Glück konnte ich so die aufsteigende Röte, welche sich einen Weg in meine Wangen bahnte, erfolgreich vor ihm verbergen. Während der Fahrt, klammerte ich mich immer stärker an ihn. Er roch nach der salzigen Brise des Meeres. Seit Ewigkeiten fühlte ich mich das erste Mal wirklich frei. All meine Verpflichtungen rückten in den Hintergrund und dann waren da nur noch Parker und ich und das Meer. Zu dieser Zeit glaubte ich, dass Parker und ich Freunde werden sollten. Ich wollte dieses Gefühl von Freisein nicht mehr  missen. Wir perfektionierten es, als wir bereits im Dunkel  und nur von unseren Gefühlen geleitet ein paar Wellen nahmen. Parker surfte besser als erwartet. Seine Paddelbewegungen waren präzise, das Aufrichten auf dem Board sauber und elegant. Konzentriert nahm er eine Welle nach der anderen. Seine Muskeln spannten sich an und zeichneten sich stark unter dem Neoprenanzug ab. Dicht hinter ihm genoß ich die Zeit und jubelte laut als eine Welle über mir brach. Ich vergaß meinen Streit mit Mala, meine Wut auf Aiden und den anstehenden Stress mit meiner Mom. Ich lebte einfach den Moment. Hinterher lagen wir vollkommen ermattet auf unseren Boards am Strand. "Ich setze mich nach der Arbeit oft an den Pier, um den Wellen zu zuhören.", sagte Parker in die Stille hinein. Alle Viere von sich gestreckt, schaute er nachdenklich in den  Sternenhimmel. "Warum?" Er atmete tief ein, als müsste er sich für die Antwort rüsten. " Ich mag es,was das Meer zu erzählen hat. Es ist so alt, viel älter als die Menschheit selbst." Über seine tiefphilosophischen Ansätze verwundert drehte ich mich auf die Seite. Irgendwo in der Ferne schrie eine Möwe und auf dem Pier lief ein Paar Hand in Hand in Richtung des nun schwarz wirkenden Ozeans. Seinen Gedanken fand ich so beeindruckend schön, dass ich spürte wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. Gleichzeitig erfasste mich Misstrauen. Diese Romatik passte nicht in das Bild, welches ich von ihm hatte. Mir kam das Gespräch von Mom und Fae über Cassie in den Sinn und unwillkürlich fragte ich mich,ob sein Tiefsinn in seinen Werkzeugkasten gehörte, um Mädels rumzukriegen. Auf mich wirkte Parker alles andere als machohaft. Du kennst ihn auch erst seit einem Tag Alex, ermahnte ich mich stumm. Bestimmt war er zu Jungs anders als zu Mädchen, weil sie keine potentielle Beute darstellten. Das würde aber bedeuten, dass er ehrlich zu mir wäre und seine tiefgründigen Einblicke keine Masche waren. " Alex?" "Hhm?" "Hast du etwas gegen mich?"  Schockiert über seine Frage richtete ich mich auf.  "Natürlich nicht, warum sollte ich?", fragte ich ziemlich energisch. "Du schaust mich manchmal so an, als wäre da etwas, was du los werden möchtest." Ertappt beobachtete ich wieder die Sterne. "Ach Quatsch.", piepste ich wohl wenig überzeugend. Prüfend musterte er mich von der Seite. "Red keinen Scheiß Alex. Ich weiß doch,was für Gerüchte über mich im Umlauf sind." Verblüfft über seine Offenheit wog ich ab, ob ich es riskieren wollte Faes Vertrauen zu missbrauchen. Zwar hatte sie nicht explizit gesagt, dass sie Cassies Erfahrungen mit Parker für sich behalten sollte, aber mein Taktgefühl verriet mir,dass sie es mir übel nehmen würde es dem Missetäter ihrer besten Freundin zu erzählen. Ich wollte jedoch auch so ehrlich wie möglich zu Parker sein und so beschloss ich, dass es okay war einen kleinen Teil der Geschichte zu erzählen. "Hm. Also ich habe da so eine Bekannte, die mir erzählt hat,dass sie eine Freundin hat,die du sitzen gelassen hast..." Ich machte eine Pause. " Unmittelbar nachdem ich sie gefickt habe?" Zustimmend neigte ich den Kopf. Parker schaute weiter in die Sterne. " Warst du schon mal verliebt Alex?" Diese Frage traf mich unvorbereitet. Noch nicht einmal mit Aiden hatte ich solch intime Dinge besprochen. Darauf bedacht dieses Thema zu meiden, hatte ich all seine Fragen abgeblockt. "Nein", meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Ich wusste nicht, woher das plötzliche Vertrauen zu Parker stammte. Vielleicht stimmte es,was Fae manchmal sagte,wenn sie mit ihrer Brieffreundin aus England chattete. Sie vertraute ihr oft ihre ganz persönlichen Probleme an, da eine unbeteiligte Person, den nötigen Abstand zur Situation hätte und sie keine Angst haben müsse, dass ihre Erzählungen und Geständnisse Konsequenzen in ihrem Leben hätten. Parker war gerade zu meinem realen Brieffreund mutiert. " Ich auch nicht.", hauchte er leise zurück. Meine Augen zuckten zu ihm und wieder zurück. "Jetzt habe ich wohl deine Neugierde geweckt." Ehrlich gesagt schon. " Nein,ist schon okay." "Komm schon Alex, ich seh's dir an." Stöhnend gab ich mich geschlagen. "Warum hast du dann so viele Freundinnen gehabt?" "Sex macht Spaß." Diese Antwort enttäuschte mich. Gerade hatte er mir noch gezeigt wie wenig oberflächlich er war und jetzt so etwas? " Und ich schätze ich suche einfach zu sehr nach meinem Ideal." Er ließ mir keine Zeit darüber nachzudenken, denn er stand rasch auf und klemmte sich das Board unter den Arm. "Ich glaube wir sollten langsam nach Hause. Was meinst du?" Im Inneren war ich noch nicht bereit meine kleine Oase vom Alltag mit ihm zu zerstören. Es war als wären wir mitten in meinem Lieblingslied und jemand hätte an der besten Stelle die Pausetaste gedrückt.  Er streckte mir seine rechte Hand entgegen, die mit dem Ankertattoo und ich ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. "Was bedeutet das Tattoo?" Nach dem heutigen Abend war ich mir sicher,dass es eine Bedeutung haben musste. Parker besaß einen Gedankenreichtum wie ich es nur sehr selten erlebt hatte. Schmunzelnd schaute er auf mich herunter, nahm die rechte Hand in die linke und streichelte sanft darüber. "Das ist eine Geschichte  für einen anderen Abend." Vergnügt wandte er sich in Richtung der kleinen Garage,welche die Surfschule darstellte. "Irgendwie muss ich ja dafür sorgen, dass du mich wieder zum surfen einlädst." Wir verstauten eilig die Bretter und Anzüge in der Surfschule und Parker bot an mich nach Hause zu fahren. Zuerst fürchtete ich Moms Zorn, aber ich hatte quasi nichts mehr zu verlieren. Sie würde mich in Stücke reißen, sobald ich zu Hause auftauchen würde. Als wir in unsere Straße einbogen, drosselte Parker das Tempo. Vor unserer Tür stieg ich ab und drückte ihm seinen Helm gehen die Brust. Aus seinen Haaren perlten noch ein paar Tropfen und Sand hatte sich in seinen Locken verfangen. "Danke und tschüss dann." Betreten hob ich die Hand zum Abschied und drehte mich um. Als ich gerade den Hausschlüssel ins Schloss drückte, ging das Licht im Flur an. "Gute Nacht Alex. " hörte ich hinter mir. Danach knatterte der Motor los und ich wusste Parker war weg. Die Tür wurde aufgerissen und eine ziemlich sauer aussehende Mom fletschte die Zähne.  "Wo bist du gewesen?" "Meinst du heute oder gestern?" "  " Rein mit dir Alexander. Ich will wissen,was du gemacht hast." Eine Dreiviertelstunde ließ ich das Geschimpfe über meine Unzuverlässigkeit über mich ergehen. "Wofür kaufe ich dir ein Handy?! Damit du nicht rangehst, wenn ich anrufe!" Ich behielt an dieser Stelle für mich, dass Mom selbst niemals an ihr Handy ging. Falls man es aber wagte sich zu beschweren, bekam man direkt die volle Breitseite über "Handypausen" am Tag. Kurz überlegte ich damit zu argumentieren, ließ es jedoch bleiben. Einem Feuerdrachen sollte man kein Benzin ins Maul kippen. Als ich zermürbt und gelyncht aus der Küche kam, klopfte Dad mir anerkennend auf die Schulter, bevor er sich in die Hölle begab, um Mom zu beruhigen. In meinem Zimmer knallte ich die Tür zu, was mir sofort einen wütenden Schrei von Mom einbrachte. Ich kickte meine Schuhe von mir und zog meine Klamotten aus. Dabei bemerkte ich, dass meim Shirt leicht nach Parker roch. In meinem Bett rollte ich mich in meine Decke ein und scrollte durch mein Handy.

AidenHey man, tut mir echt leid, dass ich gestern einfach gegangen bin. Können wir uns morgen sehen?

Morgen würde ich ihm antworteten. Ich klickte mich durch die Snaps meiner Klasse, als ich eine Mitteilung auf Instagram bekam.

Hey Alex, ein Glück bist du nicht privat. Danke für den schönen Abend. Hat mir echt Spaß gemacht. Gute Nacht und bis Morgen.
Parker

Ich verbiss mir ein Lächeln so breit wie meine Tante Marve nach zwei Wodkamaritini. Es war ein besonderer Abend gewesen und ich hatte das Gefühl er wusste das auch. Komisch, dachte ich mir, die Freundschaft mit Aiden fühlt sich ganz anders an. Leichter. Unverfänglicher. Parker kannte ich gerade mal seit 24 Stunden und wir redeten über Verliebtsein. Ich weiß, dass man Freundschaften nicht vergleichen sollte, aber mein Kopf spuckte lauter Aiden-Witze zu dem Thema Liebe aus, während Parker einfach nur verständnisvoll geschaut und meine Worte erwidert hatte. Freund hin oder her, schon jetzt wusste ich, dass Parker etwas besonders für mich war.

Schwarz. Schwul. Schön.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt