Kapitel 7

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Der Korridor streckte sich bis ins unerkennbare. Eine kahle, schlichte Holztür folgte der nächsten, nur unterbrochen von den schwarz glänzendem Steinfliesen.

Sherlock rannte. Er wusste nicht wohin und auch nicht vor was er wegrannte, doch er wusste, er durfte nicht stehenbleiben.
Ein lautes Grollen breitete sich donnernd im Korridor aus, als er verzweufelt versuchte eine der Türen zu öffnen.

Doch vergebens. Schweiß rannte ihm durch sein Gesicht, seinen Nacken hinunter. Sein Herz schien in seiner Brust zu explodieren, so laut hämmerte es.

Er spürte es, bevor er es sah. Er hatte es nicht geschafft und das wusste er.
Mit einem verweifelten letzten Versuch hechtete er weiter...

"Sherlock!", eine Stimme lies ihn zusammenzucken.
Schweißgebadet schlug er die Augen auf; sein Atem ging schneller als gewöhnlich.
Verschwommen starrte er in die Luft, direkt in zwei Braune Augen, die ihn besorgt musterten. Er blinzelte und sah seine Umgebung nun genauer.
Gleißend helles Licht traf seine Augen, und er stellte fest, dass er anscheinend in einer Art Zelt lag, den Kopf auf seine Jacke gestüzt.
Vorsichtig versuchte er sich hinzusetzen, doch sein Kopf protestierte schmerzhaft gegen die plötzliche Bewegung und er ließ es lieber bleiben.

"Kannst du dich erinnern?", fragte die Stimme wieder. Jane.
Sie saß über ihm gebeugt auf dem Boden und sah ihn immer noch besorgt an.
Sherlock blickte zur Seite, um seine Gedanken zu sortieren.
Er konnte sich glasklar an Barrymore und Janes Flucht erinnern.
Bilder und Eindrücke von Catchpole geisterten ihm im Kopf herum.
Da war diese Menschenmenge. Ein Zirkus? Nein. Es hatte einen Kampf gegeben. Wieso?

"Ich sollte kämpfen. Ich weiß nicht gegen wen. Was ist passiert?", fragte er.
Jane sah ihn mit ernstem Ausdruck an und für einen kurzen Augenblick meinte Sherlock etwas in ihren Augen aufblitzen sehen, das verdächtig nach Erleichterung aussah. Aber er hatte sich bestimmt getäuscht, denn so schnell es gekommen war, war es auch schon verschwunden.
Hastig erzählte sie ihm, was geschehen war. Ein Mann hatte ihn, nachdem er bewusstlos geworden war in ein Zelt in der nähe gebracht.
Sherlock sefzte. Für seinen Geschmack es war er eindeutig zu oft Ohnmächtig gewesen in den letzten paar Tagen. Sein Kopf dröhnte noch und seine Schulter, die sowieso angeschlagen war fühlte sich an, als würde sie im nächsten Moment in Flammen aufgehen.
Als Jane fertig war, sah er sie grimmig an. "Das war kein Zufall", sagte er.
"Wie, du meinst, irgendjemand hat dich extra ausgesucht?", Jane sah ihn ungläubig an. "Wer sollte so etwas tun?"
Sherlock überkegte kurz. Auf Anhieb fielen ihm einige Leute ein, die noch eine Rechnung mit ihm offen hatte. Nicht zuletzt natürlich Barrymore und Greaves, sein wieselartiger Gehilfe. Doch Barrymore konnte unmöglich wissen, wo er war, oder?
Es sei denn...

"Ich glaube, jemand von Barrymores Leuten hat uns beobachtet", schloss Sherlock. "Als wir im Wald unterwegs waren, muss jemand uns gesehen haben. Vermutlich hat dieser Jemand
dem Boxveranstalter ein wenig gesteckt, um nach jemandem ausschau zu halten, der auf meine Beschreibung passt."

"Aber warum haben sie dich dann nicht gleich wieder zurück gebracht? Nachdem du K.O. warst, wäre es ein leichtes gewesen dich wieder in Barrymores Gebäude zu bringen", Jane sah verwirrt aus.
Sherlock lächelte bitter. "Oh, ich glaube nicht, dass sie das vorhatten", er versuchte sich in eine bequemere Position zu bringen, "Nein, ich glaube eher, dass das alles eher als Lektion gedacht war. Schließlich, hätten sie mich endgültig aus dem Weg räumen wollen, dann hätte es leichtere und effektivere Wege gegeben, oder?"
Jane nickte.
"Sie haben mich im Wald also mit dir gesehen. Hätten sie da eingegriffen, hätten sie auch dich mitnehmen müssen. Ich glaube", Sherlock kniff die Augen zusammen, "dass sie glauben, dass ich mich nach dieser Aktion raushalte. Hätten sie mich umgebracht, dann hätten sie es vielleicht mit der Britischen Regierung zu tun bekommen, wegen meinem Bruder. Nein, sie wollten, dass ich von selbst draufkomme, es besser sein zu lassen", endete Sherlock.
Jane sah ihn an. "Und?", fragte sie leise, "Wist du das? Wirst du es sein lassen?"
Sherlock sah sie erstaunt an. "Nein", sagte er nach ein paar Minuten, "Ich denke nicht". So gut es ging setzte er sich auf. "Doch nicht jetzt, wo es anfängt interessant zu weren", sagte er mit einem kleinen lächeln.

Jane erwiderte sein lächeln. Vorsichtig griff sie nach seiner Hand und drückte sie. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit und seine Hand kribbelte bei der kleinen Berührung.
Überrascht von ihrer Geste sah Sherlock sie an, doch sie hatte seine Hand schon wieder losgelassen und sich abgewendet.

Darauf bedacht seine Schulter so wenig wie Möglich zu belasten, stand Sherlock auf. Er spürte, dass seine linke Gesichtshälfte sich merkwürdig taub anfühlte und als er sie vorsichtig abtastete waren seine Finger Blutüberzogen, jedoch vermutete, dass es nicht sein Blut, sondern Wladimirs war.
Jane ging vorran und die beiden verließen leise das Zelt. Allmählich kehrten die Geräusche des Marktes zurück und augenblicklich befanden sie sich wieder im unablässigen Treiben der Menschen wieder.
Sherlock drehte sich zu Jane um, als jemand ihn auf die Schulter tippte.
Er wirbelte herum, darauf eingestellt Wladinir, Greaves oder sonst Jemanden zu sehen, doch vor ihm stand nur ein Junge, ungefähr in seinem Alter, ein bischen kleiner als er. Er hatte blondes, kurzer Haar und Sommersprossen.

"Ich habe dich gesehen", sagte er und sah zu ihm hoch. Sherlock zog eine Augenbraue hoch. "War wohl nicht schwer zu übersehen", merkte er sarkastisch an.
Unbeeindruckt fuhr der Junge fort. "Wenn du meine Hilfe nicht willst, ist das Okay", meinte er nur sachlich. "Ich kenne Leute wie diesen Boxkampfbetreiber", ein verbitterter Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit, "Du sahst nur so aus, als würdest du, oder besser gesagt ihr", fügte er mit einem neugierigen Blick auf Jane hinzu, "vielleicht gerne irgendwo unterkommen. Oder zumindest waschen"
Sherlock sah verdutzt zu dem Jungen hinunter. "Klingt sehr gut. Was ist der Haken?", fragt er.

"Ach, weißt du", der Junge verzog das Gesicht, "Ich mach bei euch mal ne Ausnahme. Ihr könnt eine Nacht bei uns bleiben, wenn ihr wollt etwas essen, und du kannst dich waschen. Weißt du, ", der Junge sah auf, "ich hab dich beobachtet, im Wald. Dann war da dieser Mann, der mich ausgefragt hat, ob ich jemanden gesahen habe, der so aussah, wie du.
Möglichweise habe ich ihm alles erzählt und ein bischen kassiert".
Schuldbewusst senkte er nun wieder den Blick. "Ich konnte ja nicht wissen, was passiert, aber ich fürchte, dass ich wohl nicht ganz unschuldig bin, für das, was passiert ist..."
Sherlock grinste und warf Jane, die sich neben ihn gestellt hatte einen bedeutungsvollen Blick zu. "Wusste ich es doch!", sagte er triumphierend.

Sie erwiderte sein Lächeln. "Das Angebot steht?", fragte sie den Jungen. Er war so groß wie sie.

Er blickte sie an. "Denke schon... ", sagte er schließlich, "Deal?"

"Deal", sagte Jane, bevor Sherlock etwas erwidern konnte.
"Also gut", der Junge sah nun wieder Sherlock an. Dieser nickte. "Mein Name ist übrigens Cedric. Ihr könnt mich Ced nennen, wenn ihr wollt. Und jetzt kommt, wenn ihr das Mittagessen nicht verpassen wollt".

Cedric, oder Ced, ging voran und führte sie durch die eng aneinandergeschlungenen Gassen von Catchpole.
Sherlock spürte Janes Blick auf sich ruhen, doch als er ihren Blick erwiderte, sah sie schnell weg.
Er grinste und sah, wie sie ebenfalls lächelte. "Glück gehabt", sagte sie nur.



Sherlock Holmes - Sein erster Fall (pausiert) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt