Kapitel 9

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Am nächsten Morgen erwachte Sherlock, als leise Schritte aus Richtung Tür kamen. Der Tag war schon angebrochen und durch das kleine Fenster des Dachzimmers drangen die ersten Sonnenstrahlen. Sherlock blieb liegen und wartete ab, wer gerade den Raum betreten hatte. Die Person blieb kurz stehen, lauschte und lies sich dann auf den Boden nieder. Sherlock atmete erleichtert aus, es war nur Ced. Er wartete noch eine Weile, bis wieder gleichmäßiges Atmen aus Ceds Richtung kam, vermischt mit leisem geschnarche.
Er dachte sich nicht groß etwas bei Ceds verschwinden, vermutlich hatte dieser nur das stille Örtchen aufgesucht.

Sherlock drehte sich um. Neben ihm auf dem Bett schlief Jane mit dem Rücken zu ihm und Sherlock widerstand der Versuchung sie aufzuwecken. Leise stand er auf, ging auf Zehenspitzen in das benachbarte Bad um sich das Gesicht zu waschen und lief die Treppe hinunter. Ein kleiner Spaziergang durch das Dorf würde ihm gut tun, allein schon, um die Umgebung besser kennen zu lernen.

In Gedanken versunken schlenderte er durch die Gassen Catchpoles. Vereinzelt begegnete er Menschen, die meisten noch träge und müde von der Nacht zu ihren Arbeitsplätzen liefen.
Die kühle Morgenluft lies das kleine Dörfchen ganz anders wirken, als am Tag zuvor, als hätte die Nacht ein wenig von der gespannten Atmosphäre weggeblasen. Anscheinend hatte es ein wenig geregnet, denn immer wieder musste Sherlock Pfützen ausweichen, um nicht nasse Füße zu bekommen.
Er wollte gerade Umkehren, als er einen Mann ausmachte, der in einer kleineren Seitenstraße laut mit jemandem diskutierte.
Neugierig geworden schlich sich Sherlock näher heran.

"Wie, du weißt es nicht?", der Mann zischte die Worte förmlich mit zusammengebissenen Zähnen und Sherlock stellte erschrocken fest, dass der Jemand, der dort in der Gasse stand niemand anderes als Greaves, der wieselartige Kerl von Barrymore war.

"Ich meine, was ich sage", erwiderte sein Gegenüber gereizt, "Es ist nicht meine Aufgabe auf die Aufzupassen. Ich habe getan, was ich tun sollte, wir sind jetzt Quitt!".

Die Stimme des anderen Mannes kam Sherlock seltsam Bekannt vor, jedoch kam er nicht darauf, wer es sein könnte.
"Quitt also, was?", Greaves schnaubte.
"Du tätest besser daran sie schleunigst zu finden, der Boss wird nicht sehr erfreut sein über ihr Verschwinde!"

Der Mann lachte ein freudeloses Lachen, "Der Boss? Nicht mein Boss, soweit ich weiß. Such dir wen anderen, der deine Drecksarbeit erledigt. Ich habe meine Seite vom Deal erfüllt. Dieser Bursche tut schon Recht damit abzuhauen." Greaves starrte den Mann wütend an und loes seinen Blick durch die Gasse streifen. Einen Augenblick schien es so, als würde er Sherlock direkt ansehen und ihm lief es kalt den Rücken runter.

Sherlock kniff die Lippen zusammen. Seine Befürchtungen hatten sich erfüllt, tatsächlich war der Mann dort in der Seitenstraße der selbe Mann, dem Sherlock den unfreiwilligen Boxkampf zu verdanken hatte.
Jedoch kam er nicht dazu, sich weitere Gedanken zu machen, denn offenbar hatte Greaves entschieden, dass es Zwecklos sei und kam direkt auf Sherlock zu.
So fest er konnte presste er sich in den Schatten der Mauer und verbarg sich hinter einer Mülltonne. Die Schritte kamen näher. Fast wäre er an Sherlock vorbeigegangen, doch plötzlich verstummten die Geräusche. Sherlock hielt den Atem an. Einige Sekunden, die ihm als Minuten erschienen blieb Greaves wo er war, bis er sich wieder in Bewegung setzte und geradewegs an Sherlock vorbeiging.

Sherlock wartete noch einige Minuten und kam schließlich aus seinem Versteck hervor. Sich stetig vergewissernd, dass er nicht verfolgt wurde ging er zurück zu Ceds Haus.

Dort angekommen kam ihm Jane schon entgegen gelaufen.
"Mensch, Sherlock!", sie blieb vor ihm stehen. "Wir haben uns Sorgen gemacht! Wo warst du?", anklagend sah sie ihn an.
Ohne Umschweife erzählte er ihr von dem Gespräch zwischen Greaves und dem Boxveranstalter. Ced, der nach kurzer Zeit gähnend hinzugestoßen war, sah ihn mit gemischtem Gesichtsausdruck an. "Du kannst von Glück reden, dass sie dich nicht gesehen haben", meinte er nur. Als Sherlock daraufhin nichts erwiderte und nur die Schultern zuckte, ging er aus dem Raum und kam mit etwas zu Essen wieder.
Ced hatte Recht, das wusste er. Er hatte verdammtes Glück gehabt, aber was er noch erstaunlicher fand, war der Fakt, dass er anscheinend Unrecht gehabt hatte. Anders als er erwartet hatte, war Barrymore anscheinend noch immer hinter ihnen her, was ihn beunruhigte. Zweifel taten sich in ihm auf, ob das, was sie vorhatten wirklich das Richtige war. "Alles in Ordnung, Sherlock?", Jane sah ihn Fragend an, doch er zuckte nur die Schultern und wich ihrem Blick aus.

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Den restlichen Tag verbrachten sie hauptsächlich in dem kleinen Dachzimmer und gingen immer wieder die Einzelheiten vom Plan durch. Je später es wurde, desto angespannter wurden sie, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken.
Es war nicht mehr lange hin bis sie ihren Plan in die Tat umsetzen würden und das wirkte sich auf die zunehmend bedrückender werdende Stimmung aus.

Am späten Nachmittag war es schließlich soweit. Bald würden sie wissen, warum Perkins hatte sterben müssen.

Sherlock Holmes - Sein erster Fall (pausiert) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt