Kapitel 5

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Sherlock dachte er träumte.
Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch die Person vor ihm legte ihm die Hand auf den Mund.

Im schwachen Licht des Raumes sah Sherlock direkt in das Gesicht eines Mädchens, ungefähr in seinem Alter. Sie hatte dunkle Haare, die sich wie ein Schleier vor ihr Gesicht legten und ihre dunkelbraunen Augen fixierten ihn.

"Keinen Mucks", raunte sie und zog ihn hoch. Er stand nun vor ihr in dem kleinen Raum und sah sie verwirrt an, verkniff sich jedoch etwas zu sagen.

"Komm mit. Aber sei leise, die Leute hier sind nicht taub", zischte das Mädchen dicht an seinem Ohr.

Sherlock nockte kurz und versuchte seine totale Verblüffung zu verbergen. Wer war dieses Mädchen? Und wie ist sie reingekommen?

Das Mädchen lächelte leise, das Mondlicht glitzerte in ihren Augen.
"Durch die Tür", wisperte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Und tatsächlich. Die Tür stand offen, wie Sherlock mit einem überraschten Blick herausfand.

Er folgte ihr, als sie lautlos durch den Gang schlich und dachte Fieberhaft nach. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen, warum sollte sie ihn also hier rausholen.

Gerade, als er sie fragen wollte, blieb sie abrupt stehen und drehte sich zu ihm um, einen Finger auf ihre Lippen gelegt.

Dann hörte Sherlock es auch. Schritte, die den Gang entlang kamen, unweigerlich auf sie zukommend.
Es lag nir noch eine Ecke zwischen ihnen und den Schritten.

Sherlock reagierte schnell. Er griff nach ihrem Arm und zog sie zurück in die entgegengesetzte Richtung.

Die Schritte kamen immer näher. In wenigen Sekunden hätte, wer auch immer dort kam, die beiden entdeckt, doch Sherlock zog das Mädchen um eine weitere Biegung. Sie waren in einem Treppenaufgang gelandet. Ohne zu zögern schlich er auf die Treppe zu, doch das Mädchen hielt ihn zurück.

Er drehte sich verärgert zu ihr um, doch sie presste sich gegen die Wand und schüttelte den Kopf.
Sherlock verstand. Er tat es ihr gleich.

Die Schritte verstummten. Der Mensch konnte nicht mehr als 10 Meter von ihnen entfernt stehen, doch der Schatten der Wand verschluckte die Beiden in der Dunkelheit.

Langsam setzten sich die Schritte fort, ohne ihn und das Mädchen zu bemerken, und gingen an ihnen vorbei.

Sherlock spürte, wie das Mädchen neben ihm ausatmete. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er hatte kurz Panik bekommen. Schnell setzten sie ihren Weg fort. Der Gang schien nicht Enden zu wollen. Immer mehr Biegungen, Kurven und Treppen kamen und Sherlock verlor bald die Orientierung.

Wäre er allein unterwegs gewesen, hätte er sich hundertpro verlaufen in diesem Labyrinth der Gänge, doch die dunkelhaarige schien den Weg zu wissen.

Schließlich gelangten sie zu einer Tür. Sie war verschlossen, jedoch unbewacht.
Zu Sherlocks Verwunderung holte das Mädchen einen Schlüsselbund hervor und probierte ein paar Schlüssel im Schloss.

Sherlock musterte sie. Verwundert stellte er fest, dass sie eine Männerreiterhose trug und ein einfaches weißes Hemd. Noch nie hatte er ein Mädchen gesehen, dass sich so anzog. Sie schien seinen Blick zu spüren, denn sie drehte sich um und funkelte ihn an.

"Pass lieber auf, dass niemand uns einen Besuch abstattet", zischte sie und er drehte sich verlegen um, als sie weiter versuchte die Tür zu öffnen.

Sherlock konnte es nicht fassen. Wer war sie? Und warum holte sie ihn hier raus? Er beschloss sie zu fragen, sobald sie draußen waren.

Plötzlich knirschte es. Sie hatte es geschafft! Langsam öffnete sie die Tür und schlüpfte hinaus. Es war Nacht, und er Mond schien auf die Landschaft. Er stand auf einem Hügel, umgeben von Wald. Erleichtert atmete er die frische Luft ein. Der kalte Wind zerzauste ihm die Haare und er drehte sich um und schaute zurück auf das Gebäude hinter ihm.

Es war ein großes Gebäude, größer als Holmes Manor. Die Fenster waren klein und manche vergittert und Sherlock fragte sich, wozu dieses Gebäude wohl dienen mochte.

Jäh wurden seine Gedanken unterbrochen, als das Mädchen ihn am Arm weg vom Haus zerrte in den Wald hinein.
Sie huschten über die freie Fläche und gingen hinter einem großen Baum in Deckung.
Sherlock sah sich um. Es sah nicht so aus, als hätte sie jemand bei ihrer Flucht entdeckt und es war auch sonst niemand zu sehen.

Erleichtert atmete er aus und wandte sich an das Mädchen, das etwas außer Atem vor ihm stand.
"Wer... Wieso... ", keuchte er und sah, wie sie ihn anlächelte.

"Jane", sagte sie,"Frag nicht. Ich habe dich beobachtet, wie du in das Haus gegangen bist. Ich wollte dich eigentlich warnen, weil dieser wieselartige Kerl noch dort war, aber habe erst einmal abgewartet. Wie heißt du?".

"Sherlock", antwortete er und schaute fragend zu ihr hinunter. "Du hast mich beobachtet? Aber es war niemand in der Straße!"

Sie erwiderte seinen Blick. "Tja,", sie grinste, "In der Staße war tatsächlich niemand. Ich habe dich von oben aus beobachtet. Ich wohne gegenüber", fügte sie hinzu. "Du solltest das nächste mal auch nach oben schauen, wenn du irgendwo einbrichst"

Sherlock runzelte die Stirn. "Ich bin nicht eingebrochen. ", versuchte er sich zu rechtfertigen und bereute es schon fast augenblicklich, als er ihren amüsierten Blick bemerkte.

"Ach nein?", sie grinste. "Ist ja auch egal. Ich habe dich jedenfalls gesehen und beobachtet, wie der Kerl dich draußen offenbar bewusslos in eine Droschke verfrachtet hat. Du kannst von Glück reden, dass ich euch gefolgt bin. Ansonsten wärst du jetzt warscheinlich immer noch dadrin", meinte sie und deutete auf das Gebäude.

"Danke...", Sherlock sah sie an. "Wo hast du dein Pferd gelassen?", fragte er.

"Woher... ", begann sie verblüfft, wurde jedoch von Sherlock unterbrochen, der auf ihre Reiterhose deutete.

Nun war es an ihm zu grinsen. "Die Reiterhose", erklärte er.

Sie sah verwirrt an sich runter und grinste dann auch. "Natürlich. Offensichtlich", sie lachte leise, "Das steht nicht weit von hier, aber ich hatte nicht vor jetzt schon zu gehen."

"Nicht?", Sherlock sah sie erstaunt an. "Wieso?", fragte er, als sie nicht antwortete.

Nachdenklich betrachtete sie ihn. Das kleine bischen Mondlicht, das durch die Zweige des Waldes fielen ließen ihre Augen glitzern und Sherlock erwiderte ihren Blick.

"Bist du denn nicht Neugierig?", hauchte sie. "Willst du nicht wissen, was passiert ist? Verspürst du nicht den Drang das Geheimnis zu lüften, Sherlock? Es wurde jemand ermordet, du wurdest verschleppt und ich will wissen wieso."

Sie wandte sich ab und Sherlock atmete langsam aus. Der Moment war vorbei und sie wurde wieder ernst. "Ich habe gesehen, wie die Männer reingegangen sind, als Perkins ermordet wurde. Und ich weiß, was sie gesucht haben."

"Du weißt es?", fragte Sherlock, "Was?". Gebannt sah er sie an.

Sie lächelte. "Zumindest habe ich gesehen, womit sie wieder rausgekommen sind. Dieser Wieselartige Typ - "

"Greaves", unterbrach Sherlock sie, bemerkte ihren Blick und entschuldigte sich schnell.

"Greaves hatte ein Papier in der Hand. Ich konnte natürlich nicht erkennen, was draufstand, aber so, wie er es an sich gedrückt hat, war es vermutlich ziemlich wichtig."

Sherlock war fast enttäuscht, aber neugierig zugleich. Was könnte an einem Stück Papier so wichtig sein, dass dafür gemordet wurde?

"Sonst nichts?", fragte er sie. Jane schüttelte den Kopf. "Nein. Was wirst du jetzt tun?"

Nachdenklich sah Sherlock hinüber zum Haus. "Wenn du meinst, dass dieses Papier der Grund für Perkins Tod ist, dann müssen wir wenigstens versuchen einen Blick darauf zu werfen", meinte er schließlich.

"Wir?", fragte sie und lächelte ihn an. "Naja, du hast nunmal wie es aussieht die Schlüssel, du musst aber nicht mitkommen, wenn du nicht willst", sagte Sherlock verlegen.

"Natürlich will ich! Was denkst du denn", grinste sie, und sah ihn an.
Sherlocks blaue Augen begegneten ihren braunen und Sherlocks Herz begann schneller zu schlagen.Verlegen wandte er den Blick ab und nickte.

"Also gut, wir brauchen einen Plan", unterbrach er die Stille.

Sherlock Holmes - Sein erster Fall (pausiert) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt