Kapitel 9

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Theresia

Ende Oktober trafen Michael und ich uns endlich wieder. Er hatte mir gefehlt, da wir uns seit zwei Wochen nicht mehr gesehen hatten, und wenn wir telefonierten, klang seine Stimme immer so merkwürdig verzerrt, fast wie bei einem Ferngespräch. Wir wollten uns an einem Sonntagabend treffen, er wollte mich mit seinem Auto abholen. Eine Stunde vorher saß ich verzweifelt auf meinem Bett und starrte in meinen Kleiderschrank, der ungefähr dreihundert Jeans-Tshirt-Kombinationen enthielt. Amy, die bei mir übernachtet hatte, saß neben mir, mampfte eiskalt Cookies und lachte mich aus.

"Ich hab dir doch drei Millionen mal gesagt dass wir shoppen gehen müssen. Selber Schuld. Zieh einfach eine Jeans und irgendeinen Pulli an, dem ist das doch egal."

"Amy Claire Falkner, du bist die kaltherzigste Person die ich kenne. Hilf mir! Oder gib mir einen Cookie ab!"

"Nee, vergiß es, die gehören mir. Warte, du hast doch so ein süßes gelbes Kleid. Zieh das doch an, darin siehst du aus wie eine Elfe."

"Nein, sorry das geht nicht."

Der Keks, den sie sich gerade in den Mund stecken wollte, schwebte vor ihrem Mund.

"Theresia, meine Süße, du hast doch nicht wieder..."

"Ich will ihm einfach diesen Anblick ersparen, okay?"

Sie umarmte mich. Dann stand sie auf und ging zur Tür raus. Was sollte denn das jetzt werden? Nach ein paar Minuten kam sie mit einem langärmligen, kurzen Strickkleid in Dunkelrot wieder, das eindeutig Marie gehörte. Aus meinem Kasten nahm sie gemusterte Leggings, Stulpen und schwarze Booties. Ich umarmte sie.

"Du bist echt die beste."

"Ich weiß."

Ich öffnete die Tür und sprang auf die Straße. Das Kleid war mir nur ein klein wenig zu eng, aber es war kuschelig warm und gemütlich. Suchend blickte ich mich um. Was für ein Auto wohl Michael hatte? In diesem Moment bog ein kleiner, verschrammter VW in die Gasse ein. Ich strahlte, öffnete die Beifahrertür und ließ mich auf den Sitz fallen. Michael lächelte mir zu und sagte mit grauenhaft schlechtem französischem Akzent: "Ah bon jour Mademoiselle. Isch bin außerordentlisch erfreut Sie wiedersusehen." Ich konnte nicht anders, ich musste ihn einfach auf die Wange küssen.

"Wohin fahren wir eigentlich?"

"Um unser halbjähriges zu..."

"Halbjähriges?"

"Na ja, vor einem halben Jahr haben wir uns zum ersten Mal gesehen. "

"Ist es auf dem Planeten, von dem du kommst, üblich zu feiern, dass man seit einem halben Jahr befreundet ist?"

"Befreundet?"

"Was sonst?"

"Du denkst tatsächlich, dass wir Freunde sind?"

"Was sonst?"

"Unsterblich Verliebte."

Ich lachte. Michael hatte echt einen Vogel.

"Bild dir das ruhig ein, wenn es dir dadurch besser geht."

Er startete den Motor. "Sei leise, Kleine, und genieß die Fahrt." Ich wollte etwas zum Thema Kleine sagen, ließ es dann aber bleiben und lehnte mich zurück.

Nach über zwei Stunden Fahrt hielt Michael endlich an, aber was er jetzt vorhatte, wollte er mir noch immer nicht erzählen. Ich schickte eine SMS an Bob.
Hi :)
Weißt du, was Michael mit mir vorhaben könnte? Er entführt mich gerade, ich habe keine Ahnung wohin.

Michael spähte auf mein Handy. "Wem schreibst du da?" "Bob. Ich wollte wissen, ob er weiß, wohin du mich entführst." Er schwieg. Dann fragte er: "Du und Bob... ihr versteht euch sehr gut, oder? " War er etwa eifersüchtig? Nein,  bestimmt nicht. "Ja. Er ist mein bester Freund."

"Na danke, und was bin ich?"

"Der unsterblich Verliebte."

Er grinste. "Noch besser hätte es mir gefallen, wenn du gesagt hättest, dass du die unsterblich Verliebte bist, aber für den Anfang reicht das auch." Ich wurde rot.

you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt