Kapitel 5

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Theresia

Draußen war es stockfinster. Das fehlte mir am meisten an Österreich: Dort konnte man die ganze Milchstraße sehen und hier nicht einen einzigen lausigen Stern. Ich hatte keine Angst. Michael wurde mir von Sekunde zu Sekunde symphtischer, außerdem - was konnte mir schon geschehen?

"Wohin führt ihr uns jetzt eigentlich? ", durchbrach Maries Stimme die Stille.

Einer der Jungs antwortete (ich glaube, es war James): "Wir fahren auf die Themse." Ich wusste genau, dass Marie in der Dunkelheit ihre Augenbrauen hob. Ich strich mir meine Stirnfransen zurück und antwortete: "Okay, klingt gut". Der Weg war nicht weit, dennoch brauchten wir fast eine halbe Stunde, da die Jungs lieber über Seitengassen gehen wollten. Wir redeten und lachten die ganze Zeit. Als wir die Themse schon fast erreicht hatten, kannte ich sie alle bereits recht gut. Bob war ein richtiger Macho; gut aussehend, immer mit ein paar Anmachsprüchen auf der Zunge. Cole war reserviert, aber ich fand ihn trotzdem sehr symphatisch. James war vollkommen hingerissen von Marie. Er hatte lange braune Haare und war noch größer als Michael. Wie er so ist, hatte ich keine Ahnung, da er all seine Aufmerksamkeit Marie, die neben ihm ging, widmete. Verständlich.

Als wir am Ufer der Themse standen, herrschte einen Augenblick Stille. Zögernd fragte ich: "Äh, Michael... wo steht denn das Schiff, mit dem wir fahren wollten?" Nervös fuhr er sich durch die Haare. "Tja, das wüßte ich auch gerne. Ich fürchte, wir haben uns verlaufen." "Und was machen wir jetzt?" James antwortete: "Wir gehen am besten zu Maries Haus zurück und fangen noch mal von vorn an." "Gute Idee", kam es von Michael,  dennoch rührte keiner einen Fuß. Jetzt fing es an, merkwürdig zu werden. Sicherheitshalber hakte ich nach: "Aber den Weg zurück wisst ihr schon noch, oder?" Niemand antwortete. Marie fing an zu lachen. Ich verstand nicht ganz, was daran so lustig war, dass wir uns irgendwo mitten in London verlaufen hatten, aber ihr Lachen war ansteckend, also fingen wir alle an zu lachen. Als wir uns wieder beruhigt hatten, sagte Bob: " Hat eine von euch ein Handy mit?" Ich schüttelte den Kopf, aber Marie zog ihr Handy aus der Hosentasche.Misstrauisch beäugten die Jungen das Gerät. Es war aus dem Jahre 1999, drei Zentimeter breit und 10 hoch, wog ziemlich viel und das einzige, was es konnte, war, mit viel Mühe und gutem Zureden, jemanden anzurufen. Es konnte nicht mal Nummern speichern. "Also, auf dem Handy ist garantiert kein Navi. Von uns hat auch keiner ein Handy mit."

Nach ein paar Diskussionen einigten wir uns, einfach wahllos irgendeinen Weg zu gehen und das Beste zu hoffen. Nach einer halben Stunde durch schmale, dreckige Gassen fanden wir uns am Trafalgar Square wieder. Es war schon nach Mitternacht, aber dass war uns egal. Wir hatten eine Mission - wir wollten um jeden Preis auf der Themse eine Schifffahrt machen.

Nach einer weiteren Stunde gaben wir jedoch auf. Wir gingen zum Hydepark, setzten uns auf eine Park und streckten erschöpft die Beine von uns. "Eigentlich sollte das hier ein Date mit Theresia werden, und kein Marathonlauf mit meinen Kumpeln", murmelte Michael und lehnte sich zurück. Ich war kurz davor, ihm klarzumachen, dass das hier kein  Date war und auch nie eins werden würde, aber dann hielt ich meine Klappe und lehnte meinen Kopf an seine Schulter.

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