Kapitel 17

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Theresia

Gut, jetzt weiß ich wenigstens, warum er mich angelogen hat. Das mit den vier Monaten habe ich vergessen zu fragen, aber es ist ja eigentlich auch nicht so wichtig. Die Hauptsache ist: Er liebt mich!!

Marie hat auch nichts herausgefunden. Ich glaube, sie hat James nicht einmal wegen ihren Berufen gefragt, sie waren wohl zu beschäftigt. Ich ging Hand in Hand mit Michael ins Wohnzimmer. Gott sei Dank waren meine Eltern noch nicht zuhause von der Arbeit, sie waren nämlich nicht gerade davon begeistert, dass ich einen Freund habe. Dabei werde ich bald sechzehn!

Wir kuschelten uns aufs Sofa und sahen uns ein paar uralte Schwarz-Weiß-Filme an, obwohl die Kinder sich ziemlich darüber aufregten. Nach einer halben Stunde kamen auch Marie und James aus ihrem Zimmer und sahen mit.

Nach drei Filmen wollten die Jungs gehen, obwohl es erst acht Uhr abends war. Ich ging zum Fenster, um noch einen letzten Blick auf sie zu werfen. Dabei sah ich, wie plötzlich eine tolle schwarze Limousine neben unserem Haus parkte. Wow! Wollten die etwa zu uns? Wir wohnten nicht gerade in der vornehmsten Gegend Londons, vermutlich saß darin eine vornehme reiche Russin, deren Chauffeur einen von den Leuten im Haus nach dem Weg zum Theater fragen wollte.  Erstaunt sah ich zu, wie tatsächlich ein Chauffeur ausstieg und James und Michael, die gerade aus der Tür gingen, am Arm packte und schnell ins Auto zog, ohne dass sie sich gewehrt hätten. Schnell zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und machte ein Foto. Nur für den Fall.

Michael

Kaum war ich zu Hause angekommen, schnappte ich meine Gitarre und setzte mich mit ihr im Schneidersitz auf den Boden. Schon die ganze Fahrt spukte mir ein neuer Song durch den Kopf, eine langsame Ballade über Theresia und mich. Ich griff ein paar Akkorde, dann fing ich an zu singen. "That's why you and me..." Beinahe bis Mitternacht saß ich da und schrieb Noten auf und spielte Gitarre. Als das Lied fertig war, nahm ich es provisorisch auf meinem Handy auf und schickte es den anderen. Müde lehnte ich mich zurück und dachte an den Song. Er war mir echt gut geglückt, er könnte unseren weltweiten Durchbruch bewirken. Bis jetzt kannte man uns eher nur in Europa, und die Konzerte auf den anderen Kontinenten waren im Vergleich dazu eher spärlich besucht.

Mein Handy vibrierte. Cole rief an.

"Super Lied, wirklich! Was hältst du davon, wenn wir uns morgen früh treffen und es besprechen?" Sofort stimmte ich zu. Cole fügte noch hinzu: "Und danach treff ich mich noch mit Marie. Ich soll dir von ihr ausrichten, dass Theresia sich gern mal deine Wohnung ansehen würde. "

"Du weißt schon, dass das nicht geht?" Ich sah mich in meinem 350 Quadratmeter großem Appartment um. Nicht gerade die Wohnung eines Arbeitslosen.

"Lass dir was einfallen. Ich muss auflegen. Und nochmal herzlichen Glückwunsch zu dem Song, der ist wirklich super."

Müde warf ich mein Handy weg und legte mich angezogen schlafen.

Am nächsten Morgen unter der Dusche fiel mir etwas ein: ich könnte es mit der Wohnung genauso machen wie damals mit dem Auto! Es wäre ein Leichtes, und sobald Theresia mich fragte, könnte ich ihr eine einem Arbeitslosen angemessene Wohnung zeigen. Sie durfte nur nicht zu jämmerlich wirken, sauber, klein und spärlich möbeliert. Zufrieden zog ich mich an und lief aus dem Haus. Unser Manager musste uns dringend etwas mitteilen, das er offenbar nicht am Handy sagen konnte. Ich beschloss, nicht meinen Wagen zu rufen, sondern zu Fuß durch die Stadt zu gehen und ein paar Teenies zu beglücken. Eigentlich bräuchte ich nur eine halbe Stunde bis zum Gebäude unserer Plattenfirma, aber mit all den Autogrammen und Selfies war ich beinahe vier Stunden unterwegs.

Das Meeting war stressig und überflüssig wie immer (dachte ich jedenfalls). Nach einer halben Stunde Kaffee trinken und falsch lächeln spielte ich meinen Song vor, allen gefiel er, und unser Manager machte eine Ankündigung: "Der Grund, warum ich euch zusammengetrommelt habe ist folgender: James und Cole hatten bereits der Öffentlichkeit zugängliche Freundinnen. Michael, Bob, ich habe gehört, dass das Gerücht umgeht, dass ihr entweder schwul oder Frauenhelden -unterbrecht mich bitte nicht!- sein müsst, da ihr ja noch nie eine offizielle Beziehung hattet. Eure Fans sind Großteils weiblich und unter 18, deshalb wäre beides eurem Image nicht zuträglich."

Dieses selbstgerechte, rassistische Arschloch! Wäre beides nicht eurem Image zuträglich... Pass auf, dass du nicht in deinem Schleim ausrutscht! Ich beherrschte mich und fragte: "Und was sollen wir dagegen tun?" Wichtigtuerisch rückte er sich die Krawatte zurecht und antwortete: "Um dem abzuhelfen, würde ich vorschlagen, dass ihr euch beide Vorzeigefreundinnen nehmt. Wir, dass heißt, euer Management und ich, hätten auch bereits zwei junge Models, die sich mit Freuden bereiterklärt haben. Na? Was sagt ihr?"

Ich war sprachlos. Sein Ernst? Das wievielte Jahrhundert war das, das 14.?

"Vergiss es!" Bob wirkte nicht so sicher wie ich.

"Ihr werdet keine Wahl haben, das stand alles in dem Vertrag, den ihr vor zwei Jahren unterschrieben habt. Pech, wenn ihr euch das nicht durchgelesen habt."

Bob sah zu Boden. Schulterzuckend murmelte er: "Mir egal." Sprachlos sah ich mich im Raum um. Alle wirkten so unbeteiligt wie nur möglich. Wütend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen.

Lilja

Selbstverständlich hatte ich die Bravo abonniert. Die war quasi meine Bibel, obwohl ich ja alles von meiner Lieblingsband aus allererster Hand erfahren konnte. Mit einem Sackerl Haribos in der Hand warf ich mich auf mein Bett und begann zu lesen. Weit kam ich nicht, das Titelbild sprang mir entgegen: Michael stand lächelnd vor rosafarbenem Hintergrund. Solche Bilder war ich ja gewohnt, aber neben ihm stand eine wunderschöne junge Frau, die seine Hand hielt. Vor lauter Schreck spuckte ich die Gummibärchen aus. Die Überschrift stach mir ins Auge, knallgrün und rot: 'Neverland-Sänger Michael Ireland neu verliebt! Alle Details zu seiner neun Herzdame auf Seite 35!' Bebend blätterte ich auf Seite 35. Da war wieder diese Frau, und Michael. Ich las mir den Text dazu durch, dann sprang ich auf und rannte aus der Tür. Im Gehen schlüpfte ich in meine Jacke und rief Lorenz an. Zu einem Gespräch mit Marie oder gar Theresia fehlten mit die Nerven. "Hi Lolo, ich bin noch ein bisschen unterwegs. Könnntest du mich decken? In zwei Stunden bin ich wieder da."

"Okay. Bist du alleine?"

"Ja, wieso?"

"Pass auf dich auf, große Schwester!"

"Mach ich immer, Lolo. Bis nachher! Oh, in meinem Zimmer liegen Gummibärchen, du kannst sie dir nehmen."

"Danke!"

Michael hatte mir schon vor einer Weile seine Adresse gegeben, für Notfälle. Ich läutete Sturm, und eine ältliche, gemütlich wirkende Dame öffnete - und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Hä? Erneut läutete ich. Von drinnen kam eine Stimme immer näher, die sich aufgeregt über mich und Teenager im Allgemeinen aufregte. Ach so, die Dame hielt mich für einen Fan. Ich holte tief Luft, dann brüllte ich: "Michael, komm sofort raus, ich bin's, Lilja! Du Arschloch!", fügte ich noch hinzu, um all die feinen Leute, die aus den umliegenden Appartements kamen um sich wegen des Lärms zu beschweren zu schockieren. Diesmal öffnete Michael die Tür und ließ mich hastig hinein. Ich stolzierte durch den Flur und versuchte, nicht beeindruckt zu wirken.

"Seit wann nennst du mich denn Arschloch?" Wortlos warf ich ihm die Zeitung zu. "Ich kann kein Deutsch, Lilja was... Oh. Das. Shit. Lilja, ich kann das erklären, kann ich wirklich!"

"Da bin ich mal gespannt."

Ich warf mich neben ihn aufs Sofa und sah ihn böse an.

"Für mich sieht das nämlich so aus, als hättest du meine Schwester mit einem Topmodel betrogen. Aber bitte, erklär's mir."

Genau eine Stunde später hüpfte ich die Stiegen des Luxushauses hinunter und begann, nach Hause zu rennen. Gott sei Dank hatte er sie nicht betrogen. Gott sei Dank!

you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt