Kapitel 16

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Theresia

"Also?"

"Theresia, bitte, ich kann grad gar nicht, ich komme in zwei Stunden vorbei, okay?"

"Nein, nicht okay. Was müsst ihr denn so dringend machen?"

"Das erzähl ich dir dann auch."

Wortlos legte ich auf. Lilja kam rein, offenbar hatte sie an der Tür gelauscht. "Marie?"

"Ja?"

"Was ist los?"

Marie sagte nichts und streckte nur die Arme aus. Sofort umarmte Lilja sie und kuschelte sich an sie. Die beiden hattem schon immer eine unglaubliche Bindung zueinander gehabt, unglaublich jedenfalls für Schwestern. 

"James und Michael haben uns angelogen. Weißt du, was sie für einen Beruf haben?"

"Äh, nein, ich glaube, sie sind arbeitslos. "

Über Liljas Kopf hinweg sahen wir uns an. Das könnte eine Erklärung sein: weil sie sich deshalb schämen, haben sie so getan, als hätten sie ach-so-tolle Berufe. Nur die vier Monate im Ausland erklärte das nicht, eher im Gegenteil.

Um mir die Zeit zu vertreiben, holte ich meine Stifte und mein Papier, schnappte mir Lilja und Adrian und ging mit ihnen ins Wohnzimmer. Dort waren bereits Lorenz, der mit in die Ohren gestopften Fingern Lateinvokabeln lernte und die Kleinen. Marie fing an, zu telefonieren und Adrian und Lilja saßen mir gleichzeitig Modell und sahen fern. Es war laut und gemütlich, und beinahe hätte ich meine Sorgen um Michael über dem Zeichnen vergessen. Draußen war es bereits dunkel, als auf einmal die dreijährige Kathi aufsprang und zur Tür lief.

Michael

Ich hatte sehr lange überlegt, was ich zu Theresia sagen würde. Lilja hatte mir eine Sms geschrieben, ich solle so tun, als wäre ich arbeitslos und hätte mich deswegen geschämt und so getan, als studierte ich Medizin. Wegen der vier Monate langen Tournee würde ich am besten improvisieren.

Kathi kam mir entgegengelaufen, als ich vorsichtig die Tür zu der Wohnung öffnete. Sie umarmte mich (oder besser gesagt meine Knie) und ich hob sie auf meinen Arm. Mit ihren braunen Haaren, den warmen grünen Augen und den Sommersprossen war sie eine kleine Kopie von Theresia.  Ich küsste und knuddelte sie kurz und ging dann mit ihr auf der Hüfte ins Wohnzimmer. Die ganze Familie saß dort versammelt, auch Theresia. Sofort stand sie auf, als sie mich sah, und ging zu mir. Ich wollte mich schon runterbeugen, aber sie ignorierte mich eiskalt und hob Kathi von mir runter. Sagte ich vorhin 'warme grüne Augen'? Naja, im Moment wirkten sie eher wütend bis gleichgültig.

James trat ein. Marie kreischte kurz auf und rannte auf ihn zu. Sie sprang auf James und sie küssten sich lange und nicht besonders jugendfrei. Neidisch sah ich ihnen zu. Unfair, dass Theresia mich nicht auch so begrüßte. Unfair.

Immer noch mit Kathi auf dem Arm ging sie in ihr Zimmer. Ich folgte ihr und warf mich auf ihr Bett. Offenbar hatte sie gerade eine kreative Phase, überall lagen Zettel herum, auf einigen von ihnen war ich zu sehen. Fasziniert sah ich sie an. Theresia konnte echt unglaublich gut zeichnen.

Sie setzte sich neben mich. Jetzt bekam ich doch noch einen Kuss, und ich umarmte sie und genoss den Geruch ihres Haares. Sie murmelte an meine Schulter gelehnt: "Eigentlich wollte ich ja böse auf dich sein, aber du machst es mir verdammt schwer. Trotzdem, was arbeitest du?"

Ich setzte eine beschämt-entschuldigende Miene auf und antwortete: "Ja, ich bin arbeitslos. Es tut mir echt so leid, dass ich dir nie davon erzählt habe, aber ich habe mich so geschämt. "

Theresia schlang die Arme um meinen Hals und richtete sich auf.

"Deshalb? Liebling, das ist mir doch vollkommen egal. Du bist knapp 19, kein Stress. Du hättest dir die Mühe sparen können, ich mag dich auch ohne Beruf."

Ich lächelte.

"Du magst mich? Ich jedenfalls liebe dich!"

Sie grinste breit und flüsterte:

"Ich dich auch!"

you and meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt