10. Kapitel

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Am nächsten Tag hatte ich Bauch- und Rückenschmerzen. Mich hatte niemand davor gewarnt. Mir hatte niemand gesagt, dass ich mich nicht mehr gerade hinsetzen konnte, ohne dass ich vor Leid aufzuckte, keiner hatte mir erzählt dass ich mir fast die Hose nicht mehr ausziehen konnte, weil es so wehtat, sich zu bücken.

Vor Schmerzen gekrümmt fand ich mich in der Arbeit wieder. Obwohl die Sonne schon über den Horizont schwebte, Schwalben über die Häuser entlang flogen und ich einen guten Morgenkaffee hatte, munterte mich nichts auf. Der schöne Ausblick auf Liverpool war meine schlechte Laune trotzdem nicht wert.

Ich gesann mich auf meine Geschäftsbriefe und schlug mich mit der Arbeit ab. Vielleicht hätte ich John nicht zulassen sollen, mit mir zu schlafen. Vielleicht war ich dieser Erfahrung gar nicht nötig.

Aber nein.

Also kaufte ich mir auf dem Nachhauseweg Schmerztabletten. Die Apothekerin sah mich besorgt an, als ich meine Hand gegen den Bauch drückte. Mir fielen ihre rosa Haarspangen auf, das saubere Lächeln. Sie reichte mir die Verpackung und ich bezahlte. Seltsam. Ich fühlte mich ihr irgendwie schuldig. Sie hatte ein falsches Bild von mir, wenn ich sie zu einem Gespräch eingeladen hätte, würde sie mich bestimmt mögen. Doch es blieb keine Zeit.

John sang erheitert im Flur herum. Mit einem verstohlenen Blick sah er mich an und wanderte mit seinen Augen in Richtung Schritt. Da verharrte er.

"Oh", machte John.

Einfach so. Oh.

"Ich fühl mich wie aufgeklappt.", sagte ich und bekam Gänsehaut. Er kniff mir in die Wange, küsste mich und nahm mich bei der Hand. Schnaubend folgte ich ihm, immer noch mit bohrender Strapaze, die mein Rückenmark hinaufkroch. Seine Finger umschlangen meine kalte Hand.

John kniete sich hin, als ich stehen blieb. Ohne sich Mühe zu machen zog er meine Schuhe aus. Unschuldig, wie Gänseblümchen, kamen meine weißen Socken hervor. Er stellte sie an die Hauswand und nahm mich weiter.

Anschließend waren wir im Bad.

"Paul, wo tut es dir denn weh?", fragte er mich urplötzlich. Ich war nicht sicher, ob ich antworten sollte.

"Halt den Mund", keifte ich. John erhob den Kopf und sah mich mit großen Augen an. Seine bernsteinfarbenen Pupillen glitten hin und her, immer im Fokus meines Gesichtes. Ich dachte an Murmeln.

"Sei du still!", erwiderte er ohne Anzeichen von Wut. "Sag jetzt, wo."

"Bauchregion. Rücken."

"Ich hab Schmerztabletten."

"Oh, die brauchst du mir nicht geben. Hab' selbst schon welche", sagte ich und lächelte unbekümmert. Trotz meines Widerspruchs blieb John ruhig. Langsam trat er vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Wie in den Liebesfilmen, die er sich gerne reinzog. Am Ende starb oft die Frau. Oder der Mann wurde ein totaler Romantiker und sie lebten zusammen in einer Villa am Waldrand. Sie zeugten fünf Kinder und hatten Geld ohne Ende. Ich hatte, ähnlich wie er, eine Schwäche für Liebesfilme. Doch John übertrieb maßlos.

Eines Abends heulte er laut auf, weil die Frau im Film ihr Kind verlor.

Ich sah ihn zweifelnd an und tröstete ihn mit kreisenden Handbewegungen auf seinem Rücken. Währenddessen wurde mein Tee kalt.

Später nahm ich meine Tabletten und wurde ruhiger. Mein Bauch war nur noch ein dumpfer Klumpen Leid, wie auch meine Rückenregion. Doch das alles klang nach einer Weile ab. Ich spürte nur noch mein Herz, dass mir fast aus der Brust sprang.

"Oh, Paul", seufzte John. "Ich muss mit dir reden."

Etwas ängstlich setzte ich mich an den Esstisch. Im Moment stand er vor mir und blätterte in der Zeitung, die er aber gleich wieder hinlegte. Draußen schimmerte der Nebel, der durch die Straßen wich.

McLennon Fic 'No Way back' (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt