4. Kapitel

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Nach meiner peinlichen Aktion rief ich John nicht mehr an. Es war mein vorletzter Abend, die Sonne ging gerade unter. Ich sah Flugzeuge am Himmel schweben, Menschen die gerade aus ihrem Auto stiegen und grölende Jugendliche. Alle bewegten sich wie ein riesiger Schwarm, und ich fühlte mich gefangen, obwohl mir die ganze Welt zu Füßen lag.

Bevor ich schlafen ging, fing ich an, meine Sachen ein wenig zu sortieren. Mein Koffer war aus Leder und fühlte sich rau an. Mir fiel auf, dass ich kaum Klamotten dabei hatte. Die letzten Tage hatte ich gar nicht bemerkt, wie lange ich meine Hose schon trug. Erst jetzt sah ich die ganzen Fettflecken.

Es war beängstigend, wie hoch der Himmel war.

Und ich musste in ein Flugzeug steigen. Ohne John, ohne jemandem, an dem ich mich festhalten konnte. Wenn das Flugzeug nun abstürzte? Würde ich jemandem noch eine letzte Nachricht hinterlassen, ihn anrufen? Meine Eltern wussten über mich Bescheid, zu ihnen musste ich nichts mehr sagen.

John würde ich anrufen, ihm alles beichten. Ich konnte es mir ausmalen.

Das Flugzeug machte eine schneidende Kurve. Die Menschen schnallten sich panisch an und hielten sich gegenseitig fest, egal wie fremd ihnen ihr Gegenüber war. Es bebte unter meinen Füßen, alles war ultraviolett. Neben mir saß ein Junge, mindestens fünf Jahre jünger als ich. Er sah mich mit unendlich großen Augen an, als würde ich auf jede seiner Fragen eine Antwort haben, als wäre ich sein Beschützer, der gute, rücksichtsvolle Vater.

Als das Flugzeug sich neigte, schrien die Menschen lauter. In meinen Ohren knisterte es empörend.

Der Junge neben mir sagte nichts.

Ich nahm mein Telefon und es fühlte sich an, als würde es gleich davonschweben. Ich warf eine schöne Melodie duch meine Gedanken und tippte seine Nummer ein. Zischend riss der Gurt und ließ mich nach vorne fallen. Zum Glück spürte ich den heißen Schmerz nicht, der durch meine Knochen fuhr. Es war Nachmittag.

"John", sprach meine zitternde Stimme. "Ich liebe dich. Verdammt, ich liebe dich."

Und dann hörte ich den Aufprall. Mein Blick gleitete zu dem Jungen, doch meine Augen spielten mir Streiche. Alles wurde schneeweiß.

Am nächsten Tag ging ich durch die Stadt und sah mir die Menschen an. Ein paar tuschelten wie verrückt, und andere wiederum hatten Augen wie tiefe Ozeane. Alles schien komplett still, wenn ich an ihnen vorbeiging, als würden sie alle Sorgen aufsaugen.

Es war strahlendes Wetter, trotzdem trug ich einen dicken, ausgefransten Pullover. Mir wurde leider extrem schnell kalt, manchmal liefen meine Finger sogar rötlich an, wenn es warm war. Die meisten sagten dann, ich sollte zu einem Arzt gehen, doch ich winkte ab. Ärzte sind Menschen wie du und ich, wieso sollten sie eine Lösung zu soetwas finden, auch wenn sie es studiert hatten? Sie kapierten ihren eigenen Körper doch auch nicht.

Ich wurde nervös, als ich zurückflog. John wusste es nicht, ich hatte ihm nicht gesagt, wann ich genau zurück komme. Er machte sich wahrscheinlich Sorgen um mich und glaubte, ich hätte die ganze Nacht nicht geschlafen. Es war nicht richtig von mir, ihn nicht zu benachrichtigen. Dieser Gedanke stieß mich in ein nicht endendes schwarzes Loch und ich bekam schrecklich schlecht Luft.

Mein Sitznachbar sah mich verwundert an und fragte: "Geht es Ihnen gut? Sie sehen blass aus."

"Mir geht es prima."

Nach einer Weile schlief ich ein. Ich träumte leider nichts, ich war zu entnervt dafür.

Das Einzige, was ich sah, waren John's große Hände, die meine berührten.

McLennon Fic 'No Way back' (german)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt