Ich rannte die glitschigen Steinstufen nach oben. Immer wieder trat ich mir auf mein dunkelgrünes Baumwollkleid, es brachte mich fast zu Fall. Der Wachmann kam immer näher. Ich konnte schon seinen heißen Atem im Nacken spüren. Es blieben nur noch Zentimeter zwischen Entkommen und Gefangenwerden.
Doch da hatte ich den Ausgang erreicht. Vor mir lag eine breite Gasse. Leute liefen beschäftigt hin und her. Keiner achtete auf mich. An der gegenüberliegenden Straßenseite stieg gerade ein Mann von seinem Pferd. Da war sie, meine Möglichkeit so schnell, wie es nur ging, weg zu kommen. Ich rannte über die Straße. Bahnte mir einen Weg durch die Menschen. Ich hörte die Wache fluchen, als sie mit einer Frau zusammenstieß und dessen Korb mit Äpfeln zu Boden fiel. Ich hatte den Rappen erreicht. Schwungvoll zog ich mich am Sattel hoch, nahm mir aber gar nicht die Zeit meine Füße in die Steigbügel zu stellen, sondern dirigierte das Pferd herum und galoppierte in Richtung Stadttor. Hinter mir erklang schnelles Hufgetrappel. Der Wachmann hatte sich ebenfalls ein Pferd geschnappt und verfolgte mich mit drei Kollegen. Ich trieb mein Pferd zu Hochleistungen an. Es schnaufte bereits stark als wir das Tor passierten und die steinige Straße entlang rasten. Nach wenigen Metern lotste ich es nach rechts in den Wald. Das Unterholz knackte unter den Hufen des Hengstes. Alle paar Meter musste ich mich ducken, um kein Geäst ins Gesicht geschlagen zu bekommen. Ich steuerte auf eine alte Eiche zu, die oft mein Rückzugsort war. Sie hatte tiefe waagerechte Äste auf denen man bequem sitzen konnte. Ich stoppte das Pferd und zog mich am Ast über mir nach oben. Anschließend gab ich dem Hengst einen Klapps auf das Hinterteil und er verschwand im düsteren Wald. Ich kletterte weiter nach oben und versteckte mich zwischen den Blättern. Ich atmete erleichtert auf, als die vier Reiter unter mir vorbei galoppierten, hinter dem Rappen her. Ich lehnte mich gegen den Stamm und versuchte meinem Puls herunterzubringen.
Was sollte ich nun tun. Sie würden mich suchen. Und zwar schon sehr bald. Der Hengst würde nicht ewig weiter rennen und dann würden sie bemerken, dass ich abgesprungen war. Das schlimmste an allem war, dass sie wussten wo ich wohnte. Sie würden wahrscheinlich meine Familie unter Druck setzen, um mich zu finden. Denn wie ich James Eltern kannte würden sie nicht aufgeben, bis sie mich los waren. Denn nur so konnten sie sich sicher sein, dass ihr Sohn mich eines Tages vergaß und sich eine reiche Frau suchte.
Auch wenn es das Schwerste werden würde. Ich beschloß James zu vergessen. Meine Sachen zu packen und irgendwo ein neues Leben zu beginnen. So war meine Familie in Sicherheit und James würde nicht länger unter Druck gesetzt werden. Nun musste ich es nur noch in die Tat umsetzen. Ich kletterte vom Baum und machte mich auf den Weg zu der kleinen Lichtung, auf der sich unser Hof befand.
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Himmelsfeuer - Die Gnade der Engel
FantasyBei einem starken Gewitter kommt die junge Claireese ums Leben. Doch anstatt vor dem jünsten Gericht zu stehen, findet sie sich im Jahr 2015 wieder. Über 400 Jahre trennen sie nun von ihrer Familie, die wie sie von einem Unsterblichen erfahren mus...