Chapter Seven: Auf der Suche nach dem Zeitalter

30 5 0
                                    

William gegenüber hatte ich mich gleichgültig verhalten, aber innerlich wurde ich mit jedem Schritt, den Thunder tat, unsicherer. Woher wusste dieser Mann nur meinen Namen. Es war so gezielt gewesen, als er mir davon erzählt hatte, wer ich angeblich war. Ein Vampirengel. Einfach lächerlich. Und doch kam es mir so vor als hätte er jedes Wort ernst gemeint. Aber meinten Verrückte nicht immer, dass ihre Ansicht der Welt Stimmen würde?!

Einige Minuten ritt ich so vor mich hin, vertieft in diesen einen Gedanken, als ich einen Entschluss fasste. Da ich eh noch keine Ahnung hatte, was ich nun machen sollte, jetzt wo ich meine Familie verlassen hatte, gab es auch keinen Grund, der mich davon abhielt die Behauptung von William einfach zu überprüfen.

Nicht weit von der Stelle, an der mich gerade befand müsste eigentlich eine Burg stehen. Wenn ich noch in meinem Zeitalter war, dann konnte ich dort einfach versuchen eine Beschäftigung zu finden, um mir etwas Geld für Essen zu verdienen. Wenn diese Burg nicht mehr existierte oder verlassen war... Ich schüttelte den Kopf. Das würde eh nicht so sein. Zeitreisen waren schließlich unmöglich.

Gegen Mittag erreichte ich ein offenes Feld. Ich wusste, dass dort hinter dem Hügel die Burg liegen musste. Die Gegend hier kam mir bekannt vor. Zwar waren die Bäume immer noch anders, als sie eigentlich sein sollten, aber das interessierte mich jetzt nicht weiter. In einem schnellen Trab ritt ich die Erderhebung hinauf. Angespannt blickte ich in das weite Tal hinunter und grinste erleichtert. Dieser William hatte eindeutig nur Schwachsinn geredet. Da vor mir im sonnenbeschienen Tal lag an einem, im Sonnenlicht glitzernden Fluss, die Burg, die ich zu sehen erwartet hatte.

Und nicht nur die Tatsache, dass die Burg existierte erfreute mich. An der Spitze eines hohen Turm wehte eine Fahne im Wind. Außerdem konnte ich jemanden oben auf der Burgmauer ausmachen. Verlassen war diese Burg also auch nicht.

Erleichtert ritt ich die Wiesen hinunter auf die Burg zu. Das hohe saftige Gras wiegte sich sacht im Wind hin und her. Vögel twitscherten und es war angenehm warm in der Mittagssonne. Bester Laune erreichte ich die Ebene und ließ Thunder am klaren Fluss trinken.

Nun hatte ich es nicht mehr so eilig die Burg zu betreten. Schließlich musste ich jetzt nichts mehr überprüfen. So machte ich eine kurze Pause, in der ich etwas aus meinem Proviant zu mir nahm und lief gegen Nachmittag die letzten paar hundert Meter auf einer Kiesstraße zur Burg.

Von weitem konnte ich schon Gelächter und Musik vernehmen. Es schien eine heitere Stimmung zu herrschen. Fröhlich schritt ich durch das große alte Burgtor, welches komischerweise nicht bewacht war und blickte mich neugierig um.
Im Innenhof waren Stände aufgebaut und Markschreier priesen ihre Ware an. Auch hier war alles wie es sein sollte. Die Kleidung der Verkäufer stimmte. Sie war altertümlich, wie auch die meinige. Auch ihre Produkte waren nichts besonderes. Obst, Gemüse, ein Stand mit Kleidung und einer mit Holzspielzeug für Kinder. Doch dann fielen mir die Menschen ins Auge, die die Waren kauften. Sie sahen alle total komisch aus. Die Frauen trugen enge kurze Hosen, keine Kleider. Auch sonst trugen alle Menschen sehr spärliche Kleidung. Keine Umhänge, lange Röcke oder große Hüte mit Federn. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Was waren das nur für Leute. Langsam führte ich Thunder über den Marktplatz und betrachtete alle mit Skeptik. Einige Menschen lächelten mir freudlich entgegen, als ich an ihnen vorbeilief. Ein paar Kinder wollten Thunder streicheln. Ich ließ sie auch, doch waren meine Gedanken in weiter Ferne.

Gerade als ich einfach wieder umkehren wollte, um meine Gedanken im Freien zu sammeln, kam ein Knappe auf mich zu und zog mich am Ärmel mit sich. "Da sind sie ja endlich. Das Tunier beginnt gleich. Wir warten schon alle." Der Junge blickte mich leicht verärgert an und schritt gezielt auf dem hinteren Bereich des Innenhofes zu. Verdutzt und unfähig zu reagieren ließ ich mich mitschleifen. Thunder folgte mir bereitwillig.

Vor mir lag ein großer Sandplatz. Auf zwei Seiten waren Tribünen aufgebaut, auf denen bereits einige der komisch gekleideten Menschen platz genommen hatten und voller Vorfreude auf den Tunierplatz blickten.

In der Mitte stand ein Ritter in voller Montur und schwang sein Schwert durch die Luft. Er hüpfte von einem Bein auf das andere und tat so, als würde er die Luft erstechen wollen. Total albern. Doch den Zuschauern schien es zu gefallen. Jedes Mal, wenn ein imaginärer Feind zu Fall gebracht wurde jubelte die Menge.

Plötzlich wurde ich von der Seite angestubst. Ohne ein Wort drückte der Knappe mir ein Schwert in die Hand, nahm mir Thunder und meinen Bogen samt Köcher mit den Pfeilen ab und schubste mich auf den Platz. Verwirrt blickte ich ihn an. Doch dieser machte nur eine scheuchende Handbewegung, die mir andeutete weiter in die Mitte zu laufen. Hinter mir erklang auf einmal ein lautes Räuspern. Ich drehte mich um und musste erstmal zwei gefühlte Meter nach oben blicken, um dem Mann, der vor mir stand in die Augen schauen zu können. Er beugte sich zu mir runter und flüsterte mir ins Ohr:" Lass uns eine gute Show abliefern, klar?!"

Und schon war er einige Meter von mir zurück getreten. "Bitte was?" Rief ich ihm nervös entgegen. Doch er antwortete nur:" Na los jetzt" und hob sein Schwert in Kampfstellung. "Lasst uns beginnen," rief ein reich gekleideter Mann vom Rand und schwenkte eine kleine Fahne. Der Ritter mir gegenüber nickte mir auffordernd zu.

Ich blickte auf das Schwert in meiner Hand, dann zu dem Hühnen mir gegenüber und dann wieder auf meine Waffe. Das konnte der doch nicht ernst meinen. Es war ganz klar eine Verwechslung. Ich konnte nicht kämpfen. Ich hatte nur ein paar mal mit James zum Spaß im Schwertkampf geübt. Doch das würde bei weitem nicht ausreichen, um den Mann, der mich erwartungsvoll anblickte schlagen zu können. Vor allem waren Mittelalterschwertkämpfe dieser Art meist bis auf den Tod. Man konnte zwar sich ergeben, wenn die Lage aussichtslos schien, aber wenn ein tötlicher Schlag unerwartet kam, würde kein 'Stop' mehr helfen.

Angestrengt überlegte ich, wie ich mich aus dieser Situation winden konnte. Wie waren sie nur auf die Idee gekommen, dass ich diejenige sein sollte, die gegen diesen Ritter antrat.

Gerade als ich noch einmal dem Kampf widersprechen wollte, stürmte mein Gegenüber auf mich zu. Geschockt sah ich, wie sein Schwert meinem Gesicht immer näher kam.

Sollte durch dieses Missverständnis mein Leben wirklich schon enden. Zum zweiten Mal innerhalb eines Tages, war ich in Lebensgefahr. Und auch diesmal hatte ich nur ein Ziel: Überleben.

Himmelsfeuer - Die Gnade der EngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt