11 ~ Natürlich bin ich

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Natürlich bin ich kurz nachdem er die Tür geschlossen hat, aufgestanden und bin in mein Zimmer gehumpelt.
Maris hatte mir Schmerztabletten ans Bett gebracht, mit denen ich den restlichen Tag und die traumlose Nacht überstanden habe.

Man sagt ja, dass jeder Mensch bei jedem Schlaf etwas träumt, aber man kann sich nur nicht immer daran erinnern.

Vielleicht habe ich von grünen Augen geträumt oder von bösen Examen, aber ich bin froh, dass ich es vergessen habe. Es könnte ja auch sein, dass es so banal gewesen ist, dass es mein Gedächtnis als langweilig und nutzlos eingestuft hat.

Auf jeden Fall wache ich am nächsten Morgen auf, kurz nachdem ich an meinen Traum gedacht habe, und setze mich auf. Alles ist gut soweit, bis ich dann plötzlich den starken Schmerz in meinem Knie spüre.
In meinem verunfallten Knie.

Ein ziemlich grummeliger Ton kommt aus meinem Mund und ich lasse mich wieder genervt in mein Kissen fallen.
Die Strähne meines Haares, die in meinem Mund dabei gelandet ist, puste ich mit einem mürrischen Geräusch weg: „Ich dachte der Schmerz wäre nur von kurzer Dauer." seufze ich.

Denn wenn er bleibt, muss ich tatsächlich Mister Blackwood anrufen.
Obwohl..
Wie soll das gehen?
Ich habe doch gar nicht die Nummer von ihm. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.

Oh, das ist natürlich fatal.

Ein kleines Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht und motiviert mich gleich viel mehr in den Tag zu starten.

Also stehe ich vorsichtig auf, humple mit meinem blöden Bein ins Bad und mache mich fertig. Das normale Stehen macht mir nichts aus, ich darf nur das Knie nicht verdrehen.

Und gerade als ich die letzten Zahnpastareste von meinen Mundwinkeln entfernt habe, höre ich das laute Vibrieren meines Handys aus meinem Zimmer.

Genervt verdrehe ich die Augen.
„Lass es bitte nicht Mutter sein.."

Nun humple ich wieder zurück, was lange dauert, aber anscheinend hat der Anrufer Ausdauer, denn als ich am Nachttisch angekommen bin, vibriert es immer noch.

Eine Nummer wird mir angezeigt, die mir jedoch nicht das Geringste sagt.
Nie würde ich bei fremden Nummern rangehen, aber irgendetwas drängt mich dazu.

Was ich noch bereuen sollte, denn als ich mich mit einem schüchternen „Ja?" melde, bellt eine gewisse männliche Stimme „Guten Morgen Schönheit." ins Telefon.

Elijah Blackwood.

Das nicht ernst gemeinte Kompliment überhöre ich einfach konsequent.

Was will der denn schon wieder?
Gerade habe ich mich gefreut, erst einmal nichts von ihm hören zu müssen..
Falsch gedacht.

„Ähh, Guten Morgen Mister Blackwood." Es klingt eher wie eine Frage. Die Unsicherheit und die nicht vorhandene Freude kommen damit richtig zum Ausdruck.

Wie kann ich ihn abwimmeln?

„Hast du gut geschlafen? Wie geht es dir, Cosmea?"

‚Bis vor fünf Minuten ging es mir blendend, aber dann rufst du an.'
Das schreit zumindest eine Stimme in meinem Kopf und ich verdrehe die Augen dabei.
Wo sie Recht hat, hat sie Recht..

„Mein Schlaf war in Ordnung und mir geht es gut. Danke der gut gemeinten Nachfrage, Mister Blackwood."

Prompt kommt die Gegenfrage, auf die ich so gar keine Lust habe.
„Gut wie: ‚Ich habe keine Schmerzen beim Bewegen, da mein Knie keinerlei Probleme macht.'oder gut wie: ‚Ich liege noch im Bett und versuche mich nicht zu bewegen, da ich so den Schmerz auch nicht fühlen kann'?"

Man hört ihm an, dass es keineswegs als Scherz gemeint ist und ich lieber überlegen soll, was ich darauf antworte.
Typisch herrischer Vorgesetzter.

„Mir geht es tatsächlich gut. Mein Knie schmerzt keineswegs, wie ich es gesagt habe." Dabei schaue ich das dämliche Bein an und verfluche es innerlich.

Ein leises Lachen ist am anderen Ende zu hören. „Weißt du, dass ich an der Tonlage erkennen kann, ob jemand lügt oder nicht? Denn ich höre dir deutlich an, dass du flunkerst."

Ist er Superman oder was? Jetzt hört er schon, wenn man lügt. Na super..

„Ich flunkere überhaupt nicht. Meinem Knie geht es besser." Ich schnappe lautlos nach Luft. „Ich muss mich wirklich noch einmal hinsetzen und lernen, bevor es losgeht."
Ich möchte einfach nur meine Ruhe haben, vor Allem Ruhe vor ihm.
Immer wenn er in der Nähe ist oder sogar nur am Telefon mit mir spricht, habe ich ein eigenartiges Gefühl.

Mein Kopf scheint zweigeteilt, denn der eine mag einfach nur seine Aufmerksamkeit haben, während der andere Teil am liebsten wegrennen möchte. Das ist seltsam und lässt mich unbehaglich zurück.
Und den ersten Teil würde ich am liebsten zum Teufel jagen, weil es so unwahrscheinlich ist, dass Mister Blackwood mir freiwillig Aufmerksamkeit schenkt.

Ich bin immer noch der Meinung, er will irgendwas oder es gibt einen speziellen Grund für sein plötzliches Interesse an mir. Leider kann ich überhaupt nicht sagen, was das sein soll.

„Mein Angebot steht immer noch. Falls du zwischen den Examen Unterstützung brauchst, kannst du mich jederzeit anrufen, dafür hast du nun meine Nummer." Ich höre fast wie sich sein Mundwinkel nach oben zieht, während ich daran denke das Telefon an die Wand zu schmeißen. „Und bevor du etwas erwiderst, was sowieso wieder nur Widerspruch in sich trägt, so lass dir gesagt sein, dass ich keinen Widerspruch dulde. Du solltest dir lieber eine sehr gute Ausrede einfallen lassen, um dich davor zu drücken."

Er weiß genau, wie man jemanden in die Falle lockt. So geschickt fädelt er es ein, dass man nur noch ‚Ja' sagen kann.
Elijah Blackwood ist es gewöhnt, das zu bekommen, was er will.

„Ich denke darüber nach. Wenn ich ihre Hilfe brauche, rufe ich auf jeden Fall an." Oder auch nicht.
„Aber George, ein Kommilitone und meine Lernhilfe, wird mich sicher schon unterstützen."

George ist tatsächlich ein Kommilitone, aber ich habe nur einmal kurz mit ihm über einen Lerninhalt gesprochen.
Aber das muss Mister B. nicht wissen.
Hauptsache ich stehe nicht noch länger als ein absoluter Loser da.
Zumindest soll er glauben, ich hätte so etwas wie Freunde.

„Vielen Dank noch einmal für das Angebot, Mister Blackwood."

Ich höre ihn laut ausatmen. Irgendetwas gefällt ihm nicht, aber ich kann nicht sagen was genau.
Es ist mir auch egal, da ich einfach nur meine Ruhe möchte.

„Cosmea..." Er spricht meinen Namen aus, als würde er jetzt ein Vater sein, der von seinem Kind sehr enttäuscht ist. Ich kann mir vorstellen wie er leicht den Kopf dabei schüttelt.
„Ich erwarte deinen Anruf, ebenso deinen Bericht, wie es dir während der Prüfung ergangen ist und welche reelle Einschätzung du dazu geben kannst.
Und mich tangiert nicht im Geringsten, was dieser George möchte. Ich glaube nicht, dass er erfahrener im Umgang mit Mädchen wie mit dir ist, als meine Person. Ich wünsche dir einen schönen Tag und alles Glück der Welt für deine Examen. Du bist intelligent und wirst es schaffen. Auf Wiedersehen, Liebes."

So schnell kann mein Gehirn gar nicht seine Worte erfassen, als mein Handy nur noch ein „Tüt Tüt Tüt." von sich gibt.

Er meint es tatsächlich ernst. Und wenn ich mich nicht melde, wird er wieder auftauchen, mich nervös machen und mich einschüchtern.
Da lieber tue ich gleich, was er von mir verlangt, auch wenn jede Zelle meines Körpers sich dagegen sträubt.

Ich werde mich heute aber definitiv auf das Lernen konzentrieren. Schließlich möchte ich ja auch, dass ein ‚Bestanden' in naher Zukunft das Ende dieses nicht gerade schönen Studiums einläutet.

Aber erst einmal starte ich in den Tag.
Ohne einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden.

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