6 ~ Ich weiß nicht

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Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, deswegen nicke ich einfach und hoffe, er belässt es dabei.

Meine Augen fangen bereits an zu brennen. Ich möchte nicht, dass er mich mit Tränen sieht. Gefühle zeigen wurde mir verboten und wird es auch immer noch. Es gehört sich einfach nicht.

„Habe ich etwas Falsches gesagt?" fragt er wieder mit diesem besorgten Unterton, den ich überhaupt nicht kenne, aber doch entziffern kann.
Ich reiße mich zusammen und setze ein Lächeln auf.
„Nein, Mister Blackwood. Sie haben natürlich Recht. Ich sollte wirklich etwas ändern." stimme ich ihm zu, damit er ja nicht weiter bohrt.
Denn dieses Mal wird es das letzte Mal gewesen sein, dass ich ihm so nahe gekommen bin. Ich möchte wieder meinen Abstand und meine Ruhe.
Er scheint in mir wie in einem offenen Buch lesen zu können. Das möchte ich verhindern. Es hat noch nie jemand interessiert, wie es mir geht und das wird auch so bleiben.
Denn vielleicht brauche ich erst einmal einfach nur einen guten Therapeuten, der mich wieder gerade biegen kann, bevor ich so etwas wie Vertrauen entwickeln kann.

Ob ich Elijah nach einem guten Psycho-Doc fragen kann?
‚Mister Blackwood? Könnten Sie mir einen guten Therapeuten empfehlen? Sie wissen doch, ich habe nicht mehr alle Tassen im Schrank, habe Albträume und rede mit mir selbst.'
Ach herje, wie absurd, wie absolut lächerlich das klingt.
Wenigstens muss ich nun schmunzeln.

Wir bekommen unsere Getränke von einer netten Kellnerin, die zwar Elijah schüchtern anlächelt, aber nichts so offensichtlich mit ihm flirtet und sie ignoriert mich nicht, sondern fragt mich, ob alles soweit in Ordnung ist, ob uns etwas stört.
Als sie weg ist, möchte ich gerade ansetzen und einen Schluck trinken, doch ich halte inne, als ich seinen Blick sehe. Er hebt sein Weinglas und stößt mit meinem an und ich trinke.
„Auf ein schönes Essen zu zweit." sagt er mit sanfter, ruhiger Stimme.

Dieser Satz klingt so sehr nach einem Date, dass es zu schön ist, um wahr zu sein. Und es ist auch nicht wahr.
Ich sehe es eventuell wieder als kleine Träumerin, aber für ist es eher ein.. ja was? Was ist das hier eigentlich für ihn? Was genau möchte er von mir?
Will er sich wirklich nur für dieses Hotdog-Desaster entschuldigen?
Aber wieso fragt er mich so aus? Ist es tatsächlich nur reine Höflichkeit?
Ich werde nicht schlau aus ihm, während er jedwede Gefühle oder Gedanken in mir zu erkennen scheint.

„Der Service und die Atmosphäre hier sind sehr ansprechend." gebe ich von mir, um diese Stille zwischen uns gleich zu umgehen. Er hat mich gemustert, als wisse er, an was ich denke.

„Das Essens schmeckt hier vorzüglich, deshalb versuche ich es jeden Tag einzurichten, hier speisen zu können."

„Sie sehen aber nicht aus, als würden Sie jeden Tag Pasta essen." rutscht es mir heraus, wofür ich mir gleich als Strafe auf die Zunge beiße.
„Nein, tatsächlich nicht." stößt er lachend hervor. „Der Schlüssel dazu ist täglicher Sport. Außerdem bevorzuge ich Steaks und Salate. Pasta dagegen, esse ich nur selten."

„Heute ist also nur eine Ausnahme?" frage ich nachdem die Kellnerin unsere Gerichte vor uns abgestellt hat und sich auf seinem Teller ebenfalls Spaghetti befinden.
Es sieht super appetitlich aus und mir läuft das Wasser im Munde zusammen.
„Ein besonderer Gast, erfordert eben ein besonderes Gericht." sagt er und zwinkert mir zu. „Guten Appetit, liebste Cosmea."
Meine Wangen färben sich erneut ein bei seinen zarten Worten.
‚Liebste Cosmea..' - Hach, ist er toll.
„Guten Appetit Mister Blackwood."

Ich warte bis er anfängt und probiere dann selbst von meinem Essen.
„Mhmm." summe ich, als meine Geschmacksknospen aktiviert werden.
So etwas Leckeres - Ach was! Himmlisches! - habe ich lang nicht mehr gegessen.
So dramatisch ist es bei mir nicht, denn wer Geld hat, kann sich leckeres Essen leisten, aber dennoch sind die Gerichte, die meine Familie immer zu sich nimmt, nur kleine Appetithäppchen, wie zu der Gala am Donnerstag Abend.
Ich muss an die dickliche Ratte aus ‚Ratatouille' denken, die zum ersten Mal eine Geschmacksexplosion erlebt.
Ich muss grinsen, als ich die Gabel aus meinem Mund ziehe.

all the lies - verführtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt