Kapitel 15 |☆

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Abrupt setzte ich mich auf, musterte D'araq überrascht.

Er wich meinem Blick aus, versuchte, den Schmerz in seinen dunklen Augen vor mir zu verbergen.

Ob ich es hören wollte?

Wollte ich wissen, wie sie ihn seiner Familie entrissen, vermutlich die Eltern getötet, seine Schwester vergewaltigt und die Stadt zerstört hatten?

Wollte ich es hören?

„Ja."

Hergott, nein!

Schweißperlen bahnten sich ihren Weg über meinen Rücken.

Ich wollte es nicht wissen.

Sie hatten auch mein Dorf ausgelöscht, auch meine Leute getötet, ich wusste wie es war und doch hatte ich keine Ahnung.

Ich wollte es hören.

Verdammt, nein!

„Es war vor ziemlich genau fünf Jahren...", begann er jetzt zögerlich, die Stimme halb erstickt, die Augen geschlossen, um die Tränen zurückzuhalten.

„Ich bin auf Anaxes geboren, meine Eltern sind...waren dort erfolgreiche Händler. Die Siedlung, in der wir wohnten, war ziemlich groß und relativ nah an der Handelsstraße, damit wir es nicht so weit hatten, um die Ware zu verkaufen. Mein Vater hatte eine Menge an alten Schiffsteilen, die er notdürftig repariert und an gestrandete Reisende verkauft hat, meine Mutter die Kräuter und Medikamente, welche sie mit meiner Schwester zusammen herstellte."

Kurze Pause, gefüllt mit einem leisen, sehnsüchtigen Lachen. Er schwelgte nicht lange in Nostalgie, räusperte sich schnell und nahm sodann seine Erzählung wieder auf:

„Ich habe nie was von Pflanzen verstanden, deshalb ging ich meistens meinem Vater zur Hand. So auch an diesem Tag...".

Langes Seufzen, gefolgt von sekundenlanger Stille.

Ich hockte noch immer aufrecht hinter ihm, bemühte mich darum, einen Blick auf seine Gesichtszüge zu erhaschen. Er fuhr fort, bevor ich es schaffte.

„Sie kamen mit vier Transportern. Darauf...hunderte...nein, tausende! Es ging viel zu schnell...! Irgendwann kam nur diese Welle aus Geschrei und Geweine bei uns an, die Handelsstraße war binnen Sekunden so leer wie nie zuvor! Mein Vater und ich wussten erst gar nicht, was los ist. Dann hörten wir die Salven...". D'araqs Stimme war impulsiv und von Hass erfüllt, verdunkelte sich immer mehr, je länger er sprach.

„Die Leute verschanzten sich in ihren Hütten, griffen zu ihren Waffen, heulten oder brüllten, suchten nach ihren Familien."

Ich, auf Malastare, hinter den Paletten.

„Meine Schwester und meine Mutter waren bereits in der Hütte, aber mein Bruder-...er war in der kleinen Werkstatt meines Vaters, bekam von all dem Trubel nichts mit. Ich rannte zu ihm, sah in dort mit der Zange in der Hand...- Ich weiß bis heute nicht, ob meine warnenden Worte überhaupt bei ihm ankamen, bevor dieser scheiß Sturmtruppler ihn gepackt und weggezerrt hat... . Und es war meine Schuld...! Ich stand einfach nur geschockt da, während sie ihn irgendwo durch das Gefecht schleiften, zusammen mit einer Handvoll anderer Kinder...".

Balit tot im Sand.

„Ich hätte hinterher rennen sollen, diesen beschissenen Soldat töten und Nahii'lo nach Hause bringen! Aber stattdessen bin ich panisch ins Haus gerannt, wollte meinen Vater um Hilfe bitten wie so ein dreckiger, sechzehnjähriger Feigling!", stieß er wutschnaubend hervor, selbstverachtend und traurig.

Ich, auf dem Rücken, nach der Explosion.

„D'araq-", versuchte ich seine niederschmetternde Wuttirade zu unterbinden, doch er ließ mich gar nicht erst ausreden.

„Ich war ein verdammter Feigling, da gibt es nichts zu beschönigen! Als ich in die Hütte kam, ging alles noch viel schneller als vorher. Irgendetwas krachte gegen meine Schädelbasis und vor mir explodierten Sternchen, dann war da dieser Truppler, der die Waffe auf meine Mutter hielt. Danach mein Vater, der die Soldaten anbrüllte, sie in Ruhe zu lassen und zur Unterstreichung der Dringlichkeit ebenfalls eine Pistole hochriss. Ravilla, die heulte und schrie, sie sollen mich loslassen. Ich wusste gar nicht, dass man mir einen Blaster an die Schläfe presste. Wieder mein Vater, der nun die Hände erhob, die Soldaten, die irgendwelche Anweisungen brüllten, Ravilla die immer noch weinte, ich, der einfach gar nichts tat. Zwei Sekunden später starb mein Vater. Meine Schwester drehte durch, schrie wie am Spieß, wurde von den Soldaten festgehalten. Ich habe endlich etwas getan. Meine Hände so gut es ging erhoben, Ruhe eingefordert. Und dann gesagt, dass ich mich ihrer Armee anschließe, wenn sie meine restliche Familie in Frieden lassen. Sie hatten überlegt. Dann schossen sie auf meine Mutter, schlugen Ravilla ins Gesicht und schleppten mich auf einen ihrer verfluchten Transporter. Ich konnte nichts tun, ich hab sie in genau diesem Moment verloren. Alles, was noch blieb, war mit ihnen zu gehen. Für Nahii'lo. Ich wollte ihn zurück bringen. Das will ich immernoch...".

Mein unregelmäßiges Atmen war mittlerweile alles, was man noch in der Totenstille hörte.

Ich stand unter Schock.

Nicht nur wegen dem, was ihm widerfahren war.

Ich wusste, dass er sich schuldig fühlte.

Ich wusste, dass er unschuldig war.

Ich wusste, dass er das niemals einsehen würde.

Ich wusste, dass ich ihm die einzige Möglichkeit, diese Bürde auf seinen Schultern zu erleichtern, eigenhändig genommen hatte.

Er drehte sich zu mir um.

Seine Worte die Waffe, sein Gesicht das Schlachtfeld.

Ich allein hatte dafür gesorgt, dass er sich auf ewig vorwerfen würde, der Grund für das tragische Schicksal seiner Familie zu sein.

Er war als gebrochener D'araq zur ersten Ordnung gekommen.

Wurde seines Selbst beraubt.

Bekam eine Nummer.

Bekam einen Auftrag.

Wurde zu einer Person, die er nicht war.

FN-5693, eine Killermaschine in weißer Rüstung.

Und all die Jahre war das einzige, was ihn noch an sein wahres Gesicht erinnerte, die unmittelbare Nähe zu seinem Bruder gewesen.

Eine Nähe, die ich kaputt gemacht hatte.

Und damit war es nicht getan!

In dem Moment, in dem ich ihn in die Rettungskapsel schleifte, hatte ich das letzte Bisschen von D'araq Soreen zerstört.

Baaam. Drama iz da...

Bye!

Erst wenn der Krieg vorüber ist...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt