Kapitel 6 |☆

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Es vergingen vier weitere Tage.

Der Sturmtruppler schien so etwas wie mein Dauerbeauftragter zu sein, denn er verließ nur dann das Zimmer, wenn ich einschlief und sobald ich aufwachte, hockte er wieder auf dem Stuhl, beobachtete mich schmunzelnd.

Ich erfuhr seinen Namen. Zumindest sowas in der Art, denn genaugenommen ist FN-5693 kein Name. Sonst erfuhr ich wenig. Weder, was der General vorhatte, noch, was FN sonst so für ein Mensch war. Denn das war er.

Ein Mensch.

Anfangs wollte ich es mir nicht eingestehen, aber er hatte das Bild der brutalen, mordenden Soldaten aus meinen Gedanken gewischt. Er war im Grunde nicht viel anders als ich, teilte sogar denselben Humor, was eigentlich nichts anderes meinte, als wenig zu sprechen und wenn doch, dann nur mit einem guten Schuss Ironie.

Ich wusste, dass es falsch war, aber ich fing an, seine Gesellschaft zu genießen. Witzelte mit ihm über das grauenhaft breiige Zeug, welches mir als Nahrung vorgestellt wurde. Ließ mich ausgiebig über die erste Ordnung, den General und das gesamte politische System der Galaxis aus, was er teilweise gut in ein Gespräch aufnahm und teilweise aber auch abblockte.

Vor allem dann, wenn es an die Sturmtruppen ging. Nach einem Tag sprach ich das Thema nicht mehr an. Versuchte stattdessen, tiefer in seine Bernsteinaugen zu sehen, um meine Menschenkenntnis zu bessern. Er ließ mich nicht. Ich kam darüber eher schwer hinweg.

Am dritten Tag durfte ich offiziell aufstehen und die ersten Schritte machen. FN-5693 stützte mich. Komische Situation. Aber es funktionierte. Meine Beine erlangten schnell ihr Gefühl wieder, die Schuss- und Granatsplitterwunden waren nichts weiter als schmerzende Hämatome. Meine Schwindelanfälle reduzierten sich. Zum ersten Mal seit der Explosion auf Malastare konnte ich wieder richtig hören, ohne Rauschen, ohne Fiepen.

Der vierte Morgen war der erste, an dem FN-5693 nicht auf der Station war. Ich wachte allein auf, fühlte mich schlagartig wieder in die Rolle der Gefangenen zurück gedrängt. Es kam irgendein Typ in dunkler Uniform, der wortlos ein undefinierbares Bündel auf den Stuhl knallte. „Fünf Minuten!", sagte er steif und ausdruckslos in meine Richtung, verschwand genauso schnell, wie er gekommen war.

Fünf Minuten?

Fünf Minuten wofür?

Bis sie kamen, mit einer Spritze, Stift und Zettel, um mein Geständnis zu protokollieren, bevor sie mich in die Hölle schickten?

Ich begutachtete das Bündel argwöhnisch, ehe ich feststellte, dass es sich um meine verdreckten Kleider von Malastare handelte.

Fünf Minuten, um mich anzuziehen.

Sie ließen mir also die Würde, mich in vernünftiger Kleidung zu eliminieren. Wie gnädig.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, aufzustehen und zu wissen, dass dies das letzte Mal seien würde.

Das letzte Mal, dass ich aufstand.

Das letzte Mal, dass ich ging.

Das letzte Mal, dass ich atmete.

Ich konnte mich nicht einmal von FN verabschieden.

Egal, spielt keine Rolle, Sam!

Spielte doch eine. Irgendwie. Keine Ahnung, wieso.

Ich hätte fluchen und gleichzeitig heulen können. Ich beließ es beim Schweigen, schlüpfte stumm aus dem komischen Krankenhaushemd und zurück in die verschwitzen, blutigen Sachen. Sogar meine Schuhe hatten sie mir wiedergegeben!

Endlich fühlte ich mich wieder ein wenig mehr, wie ich selbst. Während ich mich anzog, umwickelte mich die Angst vor dem, weshalb der General sich diese Mühe um mich gemacht hatte. Sie begleitete mich, als ich von zwei unbekannten Sturmtrupplern in Handschellen gelegt und aus dem Raum geführt wurde. Und sie verließ mich auch nicht, als ich jetzt erneut durch die vielen Gänge geschleift wurde.

Erst wenn der Krieg vorüber ist...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt