ʟᴀsᴛ ǫᴜᴇsᴛɪᴏɴ

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„Ich weiß, du bist müde... aber kann ich dich noch einmal etwas fragen? Ein letztes Mal..."

-

„Ich hoffe für dich, dass es wichtig ist."

Yoongi zögerte kurz, bevor er seine Finger miteinander verschränkte und tief Luft holte. Es war noch immer seltsam ihn so zu sehen. Verunsichert, beinahe verängstigt, bis in den hintersten Winkel seiner Gedanken.

„Ich weiß, warum du Bambi so magst", fing zögerlich an und beobachtete mich bei seinen Worten so genau, als wollte er eine Studie durchführen.

„Ach ja?" Jetzt war ich wach. Wach und wieder mal ein wenig gereizt, weil ich mich schon auf einen schlechten Scherz des Blonden einstellte. Was dann allerdings folgte, verschlug mir die Sprache.

„Deine Eltern sind tot. Bambis Mutter wurde von einem Jäger erschossen. Du hast dich selbst wiedergefunden, auch wenn es in einem albernem Kinderfilm war."

Für ein paar Sekunden starrte er mich einfach nur an. Ich konnte dazu nichts sagen. Meine Eltern waren tot. Und es hat eine lebenslange Narbe hinterlassen, aber eigentlich hatte ich mir mein Leben mittlerweile wieder aufgebaut, in dem Wissen, diesen Fakt allein zu sein akzeptieren zu müssen.

Ich war in Behandlung gewesen. Ich hatte mich darauf eingelassen.
Ich hatte das Lachen neu gelernt.
Es war alles gut und trotzdem wusste ich, dass Yoongi mit seinen Worten recht hatte.

„Tut mir Leid... ich hab es in deinem Tagebuch gelesen. Es erklärt einiges."

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Allerdings war es auch nichts Neues mehr, dass der Ältere wohl eine Vorliebe darin hatte, die Privatsphäre fremder Menschen umzugraben.

„Alles gut", wollte ich sagen, doch aus meinem Mund kam nur ein tonloses Krächzen. Ich räusperte mich und lieg rot an. „Und was war deine Frage?"

„Ist Bambi für dich so etwas wie ein Anker?"
Ich hätte gelacht, hätte er es nicht so ernst gesagt.
„Ein Versuch dir zu zeigen, dass du nicht allein bist. Ein Versuch dich zu reparieren?"

Ich schwieg eine Weile, bis ich meine Antwort im Kopf sortiert hatte. „Machst du dich über mich lustig oder versuchst du mir auf eine ziemlich schräge Art dein Mitleid klarzumachen?"

Yoongi lachte. Kurz und leise, aber so warm, dass ich eine Gänsehaut bekam.
Es fühlte sich an, als würde ich ihn so zum ersten Mal lachen hören.
„Ich arbeite an meiner Wortwahl."

„Solltest du", murmelte ich und wollte mich gerade auf die Seite drehen, in der Hoffnung, dass diese Konversation damit beendet war und ich endlich schlafen konnte, doch da legte sich schon wieder eine Hand auf meine Schulter, die mich davon abhielt. Ich schob sie weg und fing erneut Yoongis Blick auf.

„Was willst du noch?"
Ich kümmerte mich nicht, um den angepissten Tonfall. Meine Kopfschmerzen kehrten schleichend wieder und ich fing langsam an unter der Decke, wieder zu schwitzen.

„Du hast es geschafft, dich neu aufzubauen." Yoongi starrte ins Nichts und fing wieder an mit seinen Fingern zu spielen. „Glaubst du, ich bekomme es auch auf die Reihe? Einen Neuanfang. Nach allem, was passiert ist?"

Trotz meines schweren Kopfes setzte ich mich auf und sah ihn an. Die blonden Strähnen hingen ihm wirr in die Stirn. Durch das Licht, was hereinfiel, wurde die Blässe seiner weichen Haut nur noch mehr hervorgehoben, dass sein Gesicht beinahe gespenstisch in der Dunkelheit wirkte. Das Einzige, was es von dieser Transformation abhielt, waren seine nass glänzenden, dunklen Augen und die zuckenden Mundwinkel, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er lächeln oder es bleiben lassen sollte.

Yoongi war ein hübscher Mensch. In meinen Augen zumindest. Nicht der koreanische Standart, aber er hatte diese Aura um sich, die ihm die Kraft verlieh, Menschen in ihren Bann zu ziehen. Eine Kraft, die ich an ihm immer besonders bewundert hatte, einfach weil ich sie nicht besaß.

„Hey..."

Erst als ich die kalten Finger an meiner Wange spürte, konnte ich mich von diesem Anblick losreißen. Vermutlich hätte ich wieder rot werden sollen oder irgendetwas in die Richtung, doch ich spürte nicht einmal einen Anschein von Scham.

Ich starrte ihn einfach nur an.
Mein Mund fühlte sich ganz trocken an und ich versuchte kläglich diese Worte festzuhalten und zu verarbeiten, damit ich ihm antworten konnte.

Erst als Yoongi sich langsam nach vorne lehnte und die Augen schloss, löste sich diese Blockade meiner Gedanken.

Das Rauschen eines vorbeifahrenden Autos zerriss die Stille und meinen immer schwerer gehenden Atem, während dieses perfekte Gesicht näher kam und ich förmlich schon vor meinen Augen sah, was genau der Rapper vorhatte. Seine Hand ruhte noch immer warm auf meiner Wange.

Ich merkte erst, dass ich am ganzen Körper zitterte, als ich eine Hand hob um sie um Yoongis Handgelenk zu legen und seine Bewegung zu stoppen.
Irgendwie fühlte es sich falsch an, das jetzt zu tun. Da war kein Kribbeln, kein Feuerwerk, kein unbändiges Verlangen, was meinen Verstand aussetzen lässt.

„Wenn ich es geschafft habe...", flüsterte ich tonlos und räusperte mich kurz, um einen weiteren Bruch meiner Stimme zu verhindern. „Das Einzige, was dich davon abhalten könnte, sind deine Gedanken. Und sein wir mal ehrlich... auf deinen Kopf zu hören, war noch nie deine Stärke."

Er lächelte und nickte.
Eine Träne löste sich von seinen Wimpern und tropfte auf meinen Arm. Sie war warm.
Wärmer als meine fiebrig erhitzte Haut.

„Park?"
„Ja?"
Er räusperte sich.

„Wenn jemand diese Geschichte irgendwann aufschreibt, wirst du der Held sein."

Mein Mundwinkel zuckte, weil irgendein Reflex danach schrie, dass ich diese Aussage belächeln musste, doch gleichzeitig schien die Sonne endlich aufzugehen und ihre ersten Strahlen in mein Zimmer zu schicken, auch wenn es noch immer stockdunkel draußen war.

„Keine Nebenrolle, die du dir immer selbst gibst."

Es war das erste Mal, seitdem Yoongi hier eingezogen war, dass ich keine Worte fand.

„Obwohl es an unserer Beziehung in dieser Geschichte noch einiges zu rütteln gibt", versuchte ich zu scherzen, doch sein Blick verhinderte, dass ich lächeln konnte. „Auf... sehr vielen Ebenen." Ich wusste nicht warum. Ich wusste es wirklich nicht.

„Schlaf jetzt, Jimin. Du solltest möglichst bald wieder gesund werden."
Seine Hand wanderte von meiner Wange runter auf meine Schulter und drückte mich zurück in die Kissen. Ich folgte seiner Bewegung, ohne dagegen zu halten.

Mein Waschmittel kitzelte in meiner Nase und zog die Erschöpfung erneut aus jedem Winkel meines Körpers, sodass es mir ein leichtes war, die Augen zu schließen und versuchen mich zu entspannen.

Irgendwann kurz bevor ich weg war, fing der Blonde an, über meinen Arm zu streichen. Ich spürte die Wärme seine Körpers.
Seinen Atem.
Seinen Herzschlag.
Seine kalte, aufgesetzte Aura, die sich in alle Himmelsrichtungen zerstreute, bis er genauso verletzlich war, wie ich.

Und trotzdem scheute er nicht davor zurück mir einen leichten Kuss auf die Stirn zu hauchen und mir seine letzten Worte zuzuflüstern.

„Leb wohl."













Erste und letzte Lesenacht für diese Story
Pro Stunde ein Kapitel

Aber bevor das hier zu Ende geht; Wer war euer Lieblingscharakter... meine typische Frage kurz vor Schluss xD

Carry On  ⇢  YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt