Let me be sad (17)

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,,Komm mein Schatz." Lockte meine Mutter mich mit ruhiger Stimme. ,,Ich habe dir ein warmes Bad eingelassen." Da lag etwas in ihrer Stimme, das mich beunruhigte. Sie machte mich nervös. Dennoch ließ ich meine Puppe auf den Boden sinken und rappelte mich ungeschickt auf. Sie streckte mit einem Lächeln, das nicht ihre Augen erreichte, die Hand nach mir aus. Ich reckte mich und ergriff sie unsicher mit meiner winzigen kleinen. Sie zog mich vorwärts. Ihr Griff war unnachgiebig. ,,Mama das is zu doll!", beklagte ich mich und zog an ihrer Hand. ,,Tut mir leid, komm weiter.", murmelte sie. Wir betraten das Bad und sie schloss die Tür hinter uns ab. Auf dem Wasser lag keine Schaumkrone, wie sonst, wenn sie mir ein Bad einließ. Es war bloß klares, dampfendes Wasser. ,,Komm, ich helfe dir.", sagte sie mit diesem komischen Lächeln. Ich hob die Arme damit sie mir das Oberteil leichter über den Kopf ziehen konnte. Ich breitete meine kleinen Flügel aus und meine Mutter hielt inne. Dann strampelte ich mich aus meiner Hose und stieg in die Wanne. Das Wasser war etwas zu warm aber ich wollte tapfer sein und beschwerte mich nicht. Ich begann das Wasser vor mir hin und her zu schieben. Flatterte etwas mit den Flügeln und plantschte vor mich hin. Aus dem Augenwinkel sah ich meine Mutter eine Schublade öffnen. Dann setzte sie sich, ein Stück hinter mir, an den Rand der Wanne. Sie griff nach meinen Flügeln und Zog an ihnen. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah sie von unten grinsend an. Dann erstarrte mein Lächeln und schwand langsam. Sie hatte Tränen in den Augen. ,,Tut mir leid mein Schatz, aber es muss sein. Ich tue das zu deiner eigenen Sicherheit.", sie richtete meinen Kopf langsam wieder nach vorne. ,,Mami hat dich lieb. Vergiss das nicht!", sagte sie. Ich war völlig verwirrt. ,,Ich hab dich auch lieb. Was ist denn los?" Sie packte meine Flügel fester. ,,Alles ist gut...", schluchzte sie. Dann begann sie zu sägen. Ich kreischte auf. Versuchte aus der Wanne zu springen, doch sie hielt mich fest. Sie sägte unnachgiebig an meinen Flügeln und ich heulte und kreischte immer lauter. Das ganze Bad war voller Blut und Wasser. ,,PAPA!", schrie ich so laut ich konnte. ,,Es ist zu deinem Besten!" rief meine Mutter wieder und wieder unter Tränen. Da Klopfte es energisch an der Tür. ,,Juliette? Was ist da drinnen los?!" hörte ich die erschrockene Stimme meines Vaters. ,,Papa!", schrie ich wieder und wieder heulend. ,,Hör auf Mama, bitte hör auf!", flehte ich unter Tränen. Ich schaffte es nicht mich aus ihrem stählernen Griff zu befreien. Doch die Stimme meines Vaters ließ sie innehalten. ,,Ich tue das Richtige, Thomas!", rief sie schluchzend. ,,Mach sofort die Tür auf!", brüllte mein Vater und hämmerte nun mit aller Kraft gegen die Tür. ,,Ich kann nicht." Sie setzte das Messer wieder an und ich schrie wie am Spieß nach meinem Vater. Mit einem lauten Knall wurde die Tür aufgetreten und mein Vater stürmte ins Bad. Entsetzt betrachtete er das Szenario. Ich streckte ihm wimmernd die Arme entgegen und er hob mich schnell aus der Wanne, wickelte mich in ein Handtuch und drückte mich dann Schützend an seine Brust, als er sich mit mir im Arm aufrichtete. ,,Sie wird uns einfach davonfliegen!", schluchzte meine Mutter weiter.

Mit einem Schlag wurde ich zurück in die Gegenwart gerissen. Ich schrie auf und weinte, wie an jenem Tag vor 12 Jahren. Grelles Licht blendete mich und ich war noch immer an diesem Gottverdammten Stuhl gefesselt. Seit fünf Tagen spielten sie bereits dieses Spiel. Sie ritzen uns Runen in den Arm, welche die traumatischsten Erinnerungen hervorriefen. Sie versuchten unseren Geist zu brechen. Diese Erinnerung gehörte zu meinen aller schlimmsten. Ich versuchte mich zu beruhigen, doch die Gegenwart brachte im Moment nichts Tröstliches. Michael war noch nicht aus seiner Erinnerung zurück. Seine Augen waren geschlossen und er wimmerte und verkrampfte sich immerzu. Wenn sie für den Tag fertig waren und uns zurück in unsere Zelle warfen redete Michael immer auf mich ein. Redete mir gut zu und versuchte mir Mut zu machen. Vielleicht versuchte er sich auch nur selbst zu überzeugen. Wenn unsere Wunden es zuließen krochen wir in die Mitte und streckten uns aus, um uns wenigstens an den Händen berühren zu können. Albträume rissen mich wieder und wieder aus den wenigen Stunden Schlaf die ich unter diesen Umständen bekommen konnte. Ich war mittlerweile so schwach, dass mein Körper sich zeitweise einfach abschaltete.

𝔉𝔢𝔞𝔯 𝔊𝔬𝔯𝔱𝔥𝔞- Engel vergessen nicht (alt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt