"Wir haben zwei Leben und das zweite beginnt dann wenn wir erkennen, dass wir nur eins haben haben."
- Mario de Andrade
Der Anfang vom Rest des Lebens. Jeder Mensch hat ihn irgendwann mal. Ein Moment der alles verändert, ein Augenblick nach dem nichts mehr so ist wie vorher. Man trifft einen besonderen Menschen, es ereilt einen irgendein Schicksalsschlag, irgendwas passiert, was nun für immer Teil von deinem Leben sein wird. Vielleicht hattet ihr euren Anfang vom Rest des Lebens schon... vielleicht auch nicht. Wenn letzteres der Fall ist, hoffe ich für euch, dass er etwas positiver als bei mir ausfällt. Wird vermutlich nicht schwer sein, immerhin rede ich von der Apokalypse, dem Tag X, die große Zerstörung, dem Resultat eines unnötigen Krieges zwischen irgendwelchen Psychopathen, die die ganze Welt mit rein gezogen haben. Das war der Tag an dem er kam, der Anfang vom Rest meines Lebens und dem von allen anderen Überlebenden.
Es war der 26. Juli 2026. Dieses Datum hat sich in meinem Gehirn eingebrannt, danach hatte ich mir nie wieder eins gemerkt. Ich hab es mir tatsächlich nicht einfach nur gemerkt weil es der Tag war, der mein Leben ruiniert hatte, sondern weil ich ihn mir schon Wochen vorher markieren musste. Eigentlich war es nämlich der Tag an dem meine Freundin Ria und ich unseren ersten Jahrestag hatten. Ich weiß noch genau wie nervös ich war. Normalerweise schenkten die Jungs dann gewöhnliches Zeug, Blumen, Schokolade, all dieser Schnickschnack. Das Problem war das Ria nun mal nicht gewöhnlich war. Und das sag ich nicht nur weil ich auch noch nach einem Jahr Hals über Kopf in sie verliebt war, nein, jeder andere würde sie vermutlich auch als besonders beschreiben. Sie war schön, keine Frage, aber keine von diesen geschminkten Modepüppchen. Sie packte an wo sie konnte wenn es um Hausarbeiten ging, sie vertrug mehr Alkohol als ich und die meisten anderen Jungs, sie machte sich über andere, „normale" Mädchen lustig und ging lieber raus anstatt wie die Mehrzahl in unserem Alter am Handy zuhause zu gammeln und sich darüber zu beschweren wie scheiße das Leben doch war. Nein, sie machte sich das Leben einfach schön. Und auf gar keinen Fall legte sie Wert auf Schmuck oder Rosen oder so ein Zeug. So Großartig ich das auch fand, ließ es mich dennoch ratlos wenn es darum ging ihr etwas zu schenken. An ihrem Geburtstag hatte ich den Fehler gemacht ihr eine Halskette zu geben. Sie hatte gelacht und „Süß" gesagt, im Nachhinein hatte ich aber bemerkt, dass sie sich nicht wirklich wohl mit dem Schmuck fühlte.
Um es wieder gut zu machen, hab ich mich dann mit meinem besten Freund Roan zusammengetan. Er hatte ein bisschen mehr Ahnung von Mädchen und meinte es müsste bei Ria etwas persönlicheres sein. Also überlegten wir gemeinsam und auf einmal fiel mir der Tag von Rias und meinem ersten Kuss ein. Wir hatten damals eine Art Wette laufen, weil Ria behauptet hatte, sie würde besser Holz hacken können als ich, was ich vor meinen Freunden natürlich nicht auf mich sitzen lassen konnte. Deshalb hatten wir auf Zeit Holz gehackt, und... nun ja. Ich hatte kläglich verloren. Wie gesagt, Ria war nicht gewöhnlich. Jedenfalls hatte sie dann einfach triumphierend gestrahlt, und auf einmal wusste ich, dass war es. Das war der Moment in dem ich mir sicher war das sie für mich mehr als nur eine Freundin war. Und so wie sie da war und gestrahlt hatte wie die Sonne es nicht besser konnte, küsste ich sie. Ohne nachzudenken. Es hätte alles ruinieren können, doch das war mir egal gewesen. Und letztendlich war es genau richtig, ansonsten hätte ich wie vorher einfach gezögert, bis es zu spät war. An diesen perfekten Moment hatte ich seit dem immer zurückgedacht, wenn es mir schlecht ging. Nichts war tröstender. Na ja... bis zum 26.Juli 2026.
Jedenfalls war meine Geschenkidee etwas Besonderes: das kleine Beil mit dem Ria mich geschlagen hatte. Ja, ich weiß was ihr jetzt denkt: 'Ein Beil? Für ein Mädchen? Zum Jahrestag? Was ist das denn für ein Weirdo?' Ich betone es nochmal gerne: Ria war nicht gewöhnlich, also ist es ihr Geschenk auch nicht, ok? Roan fand die Idee zuerst auch komisch, verstand sie aber dann, als ich ihm die Geschichte von unserem ersten Kuss erzählt hatte. Und so ging ich am 26.Juli 2026 neben meinem besten Freund Roan und mit einem im Geschenkpapier gehüllten Beil in die Richtung unseres Untergangs.
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Der Rest Meines Lebens
AdventureEine alternative Zukunft im Jahr 2030: Vor 4 Jahren eskalierte ein dritter Weltkrieg binnen 2 Wochen; einen Gewinner gab es nicht, stattdessen starb die Hälfte der Erdbevölkerung und die Zivilisation existiert nicht mehr. Der damals 16-Jährige Aaro...