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»Du solltest jetzt lieber nach Hause gehen« tadelte er mich bestimmend und sah mich abfällig an. Ich nickte ganz leicht und war ein wenig wütend darüber, was er sich nun einbildete. Was war es nur, dass er sich mir gegenüber einfach immer so merkwürdig verhielt.

»Ich werde meine Freunde suchen gehen« murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihm, »ich begleite dich noch kurz, bis zu sie gefunden hast« hörte ich Ryans feste Stimme neben mir erklingen und er machte mit seiner Wahl der Betonung klar, dass es keine Möglichkeit für mich gab, abzulehnen.

Ich musste es also wohl oder übel akzeptierten und begann wortlos einen Fuß vor den anderen zu setzen. Die Musik dröhnte laut in meinen Ohren, mein Kopf war heiß und ich wollte einfach nur schnell nach Hause und diesen beschissenen Abend so schnell wie möglich vergessen und aus meinem Leben streichen.

»Chloe, wo warst du denn nur? « schrie Carly gegen die Musik an und blieb auf einmal wie versteinert stehen, als sie Ryan in einiger Entfernung hinter mir stehen sah. Ich drehte mich kurz zu ihm um und sah, wie er sich abwandte und in der Menge verschwand. Unwillkürlich schmerzte mein Herz. Ich konnte nicht behaupten, dass ich wirklich was von ihm wollte, aber niemand würde diesen heißen Typen jemals von der Bettkante stoßen.

Du bist so dumm. Jetzt wird sich niemals mehr für dich in deinem ganzen erbärmlichen Leben die Möglichkeit bieten, ihm auch nur ansatzweise näher zu kommen. Immerhin hatte er mich umarmt, das war mehr, als ich mir je gedacht hatte. Vermutlich die einzige Umarmung die ich je von ihm bekommen hatte und auch die beste, die ich je hatte. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass es passiert war so wie es passiert war. Bist du dumm? Der Typ hätte dich vergewaltigt wäre Ryan nicht gekommen.

»War das gerade Ryan fucking de la Cruiz?« schrie sie und riss ihre Augen auf, während sie auf die Stelle zeigte, wo Mr. Sexy gerade noch gestanden hatte. »Ja, er hat mich gerettet vor dem ekeligen Typen, mit dem ich vorhin getanzt hatte. Wie dem auch sei, ich wünsche euch noch einen schönen Abend. Ich fahre jetzt nach Hause« sagte ich mehr oder weniger bedröppelt und sah beschämt auf meine Füße.

»Oh Gott Süße! Geht es dir gut? Ja das verstehe ich natürlich, ich werde mit dir kommen« sagte sie, während sie ein bisschen lallte. Inzwischen hatte ich das Gefühl wieder nüchtern zu sein, obwohl das absolut nicht stimmen konnte.

»Was ist los?« rief Luke mir besorgt zu, »ich mache jetzt die Biege, wir sehen uns« erwiderte ich ihm und drückte ihn fest. »Was? Wieso denn? Der Abend ist doch noch jung«, ich winkte ab, ich hatte keine Lust auf Erklärungen, »gut, ich begleite dich bis zu dir nach Hause« rief er und wandte sich von dem Mädel ab, mit dem er bis vorhin getanzt hatte.

»Nein, nein. Ist schon gut« entgegnete ich zugegebenermaßen nicht besonders überzeugend, »keine Widerrede!« sagte er bestimmend bis sich Carly an ihn wandte. Die beiden fingen an zu diskutieren, wer mich nun nach Hause begleiten würde, aber ich hatte dafür absolut keinen Nerv mehr.

Ich wandte mich ab und machte mich auf den Weg zur Garderobe, ich musste hier raus, hier weg, an die frische Luft. »Hey, jetzt warte doch mal Chloe! « rief mir Luke nach, der schnelles Schrittes zu mir aufgeschlossen hatte. Von Carly war keine Spur, sodass Luke die Diskussion scheinbar gewonnen hatte.

»Würde es dir etwas ausmachen noch mit rein zu kommen? Mein Dad ist auf Geschäftsreise und ich wäre nicht gern allein« fragte ich meinen Freund kurz bevor wir vor meinem Haus ankamen. »Ja, selbstverständlich« erwiderte mir Luke mit einem Lächeln auf seinen Lippen und legte mir zeitgleich seine Hand auf meine Hand.

Ich kramte mein Geld aus der Tasche und reichte es dem Taxifahrer bevor wir ausstiegen. In meinem Zimmer angekommen, schnappte ich mir meinen kurzen Pyjama und verschwand im Bad. Kurze Zeit später fand ich Luke nur noch in Boxershorts bekleidet mit seinem Handy in der Hand sitzend auf meinem Bett vor.

Mein Blick wanderte über seinen Rücken, »hey ähm, du musst mir noch zeigen, wo ich schlafen kann« sagte Luke etwas verlegen und legte sein Handy zur Seite.

Ich schlüpfte unter meine kuschelige Bettdecke und klopfte mit einer Hand neben mich, »wenn es dir nichts ausmacht?« wollte ich wissen und beobachtete seine Reaktion genau. Seine Mundwinkel gingen nach oben, »natürlich nicht« grinste er und legte sich ebenfalls unter meine Bettdecke.

Es war schon eine Weile her, dass wir das Licht ausgeschaltet und beschlossen hatten zu schlafen. Lukes gleichmäßiger Atem beruhigte mich irgendwie während er schlief. Wenigstens einer von uns beiden. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf und hielten mich wach. Warum hatte Ryan mich gerettet? Hatte er mich beobachtet und war er zufällig da gewesen? Was wäre passiert, wenn er nicht gewesen wäre? Warum verhielt er sich mir gegenüber so komisch? Wieso hasste er mich so? Würde er sich mir gegenüber jetzt wieder so kalt verhalten wie sonst? Ich war mir sicher, er würde.

Am nächsten Nachmittag kam Carly vorbei, nachdem Luke schon längst weg gewesen war. Wir hatten gemeinsam gefrühstückt und danach hatte ich eine lange Dusche genommen, um mich nicht mehr so schmutzig zu fühlen, was mir um ehrlich zu sein, nur in einem geringen Maße gelang.

Sie wollte die ganze Geschichte von mir hören und zwang mich dazu, kein einziges winziges Detail auszulassen. Es fiel mir nicht leicht alles auszusprechen was passiert war, einfach, weil ich mich so sehr schämte dafür, wie ich mich verhalten hatte. Und auch, wenn ich wusste, dass ich Ryan nicht die Schuld für mein Verhalten geben konnte, hatte ich mich so verhalten wegen ihm.

Es war schon ein bisschen ironisch, dass ausgerechnet er mich auch gerettet hatte. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt sagen, dass Ryan auf dich steht« schlussfolgerte Carly aus der Geschichte, »es tut mir so leid, was passiert ist Süße! Wir dürfen uns nie wieder trennen, wenn wir feiern gehen! Das werde ich mir nie verzeihen« fügte meine Freundin schlechten Gewissens hinzu und zog mich in eine starke Umarmung. »Was ist eigentlich mit Luke und dir? Geht da was? Wo er auch noch hier gepennt hat, in deinem Bett mit dir? « wollte sie dann neugierig und mit ihren Augenbrauen wackelnd wissen.

Before You CameWo Geschichten leben. Entdecke jetzt