10.

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"Wieso habt ihr dann auf meinem Bett auf mich gewartet, wenn ihr mich allem Anschein nach so abscheulich findet?", hauchte er an mein Ohr.

Ich blickte finster in seine Augen und schien mich plötzlich ganz in diesem Meeresblau zu verlieren. Die Zeit schien still zu stehen und ich spürte gar nicht wie Sekunde um Sekunde verstrich und mir Richard mit seinem Gesicht immer näher kam. Kurz bevor sich unsere Nasenspitzen berühren konnten, klopfte es an der Tür. Ich schreckte kurz hoch und nutzte damit auch die Gelegenheit mich aus seinem Griff zu befreien und vom Bett zu rollen. Sobald ich stand, schaffte ich so viele Meter zwischen uns wie es nur ging. Richard war wütend vom Bett aufgesprungen und zischte mich an: "Ihr schuldet mir noch eine Antwort!"

Ich blieb wie angewurzelt stehen und konnte Francis hinter der Tür erkennen.

Zum Glück ist er gekommen und hat Richard unterbrochen! Wer weiß was noch passiert wäre!

Mit einem lauten Krachen verließ Richard den Raum. Kurze Zeit später hörte man noch einen Schlag direkt neben der Tür. Verängstigt ließ ich mich wieder auf der Couch nieder und stützte meinen Kopf auf den Knien ab. Langsam wurde mir das alles zu viel. Francis setzte sich wieder neben mich und legte mir seine Hand auf die Schulter.

"Hat er euch etwas getan?", fragte er besorgt.

Er hat mich geküsst.

Ich schüttelte den Kopf. Neben mir seufzte Francis und ließ sich in die weichen Polster fallen. 

"Er wird nicht von euch ablassen bis ihr ihm gebt, was er will",erklärte er.

Ich drehte mich zu ihm und und schaute ihn mit einem verwirrten Blick an.

"Was will er denn?", fragte ich schlicht. 

"Das was er immer will. Sex", lautete seine schlichte und einfache Antwort.

Ich musste wohl absolut fassungslos aussehen, denn Francis verfiel in heiteres Lachen.

"Hat man euch in eurem Dorf nicht beigebracht was Sex ist?", lachte er.

Die Vereinigung von Mann und Frau war mir schon ein Begriff und ich wusste auch wie das ungefähr von statten ging, doch so wirklich geredet, hatte mit mir darüber niemand. Meine Mutter war dieser Auftrag verwehrt, da sie so früh starb und Meredith hatte nur sehr vage darüber geredet. Sie hatte erklärt, dass es eheliche Pflichten gab und, dass die Ehefrau in jedem Fall ihrem Mann zu gehorchen hatte. Das heißt im Umkehrschluss sobald der Ehemann mit seiner Frau schlafen wollte, hatte sie das auch zu wollen ohne wenn und aber. Wie das aber von statten ging...das wusste ich immer noch nicht im Detail.

"Doch", gestand ich peinlich berührt.

"Ich habe Richard etwas ablenken können, doch ich denke es wird nur von kurzer Dauer sein...wenn ihr wollt, kann ich jemanden zu euch schicken, der euch das Thema näher bringt?", schlug er vor.

Mir entgleisten alle Gesichtszüge. Es gab doch nicht wirklich Leute, die anderen Leuten erklärten wie das funktionierte, oder? Ich schüttelte heftig mit dem Kopf. 

"Ich würde zwar auch gerne mit euch darüber sprechen, aber ich denke dazu fehlt die Zeit und außerdem kenne ich mich auch nicht so gut mit Frauen Dingen aus", bemerkte er jetzt. 

Frauen Dinge? Sprach dieser Mann etwa gerade über die Monatsblutung? Er verblüfft mich immer mehr dieser Francis. Anscheinend entspricht er so gar nicht dem gedanklichen Ideal eines normalen Mannes. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass Richard so denken würde. Halt! Seit wann interessiert es mich was Richard denkt?

"Das wird nicht nötig sein", beteuerte ich wieder. 

"Wie ihr meint", gab Francis schulterzuckend von sich, "Ich würde euch vorschlagen euch jetzt schlafen zu legen"

Ich sah ihn wieder etwas verwirrt an und Francis musterte mich eindringlich. 

"Richard liebt vielleicht Sex, aber er würde ihn sich nie gegen euren Willen holen. So lange ihr euch schlafen legt, seid ihr sicherer vor ihm als, wenn ihr jetzt weiter durch die Kabine lauft"

Ich nickte verstehend und schaute an mir herunter.

Wahrscheinlich war es auch das beste, wenn ich in meinen Klamotten blieb und mich nicht teilweise entkleide...Wer weiß auf was für Gedanken Richard noch kommen würde. 

"Das heißt, wenn ich mich jetzt hinlege, lässt er mich in Ruhe?", fragte ich ungläubig.

Schließlich konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ihn bremsen würde, wenn ich schlafe. Francis nickte und reichte mir eine der dicken Wolldecken die auf dem Diwan lagen. 

"Das sollte genügen. Wie schon erwähnt ich versuche ihn hinzuhalten und mich auf dem Schiff zu erkundigen welches englische Schiff als nächstes nach Frankreich segelt. Versucht jetzt zu schlafen", verabschiedete er sich mit einem lächelnden, aber müden Blick von mir und verließ das Zimmer. 

Müde legte ich mich in das schmale Bett und zog die Wolldecke eng an meinen Körper. Sie roch nach dem leichten Mief des Raumes. Ich würde bestimmt nicht schlafen können. Zu viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf umher ohne einen klaren Sinn. Hoffentlich würde Francis jemanden finden, der mich zurück nach Frankreich schmuggeln könnte. An den Gedanken daran, liefen mir ein paar Tränen die Wangen herab. Ich hätte nie gedacht, dass mein Vater uns mal in so eine Lage bringen würde und ich dann noch Meredith verlieren würde.

Sie fehlte mir so sehr. Ich hätte jetzt einen ihrer hilfreichen Ratschläge gebraucht oder eine Aufmunterung. Leise schluchzend schlung ich meine Arme um meinen Körper. Ich würde bestimmt nie nach Frankreich zurückkehren. Und auch wenn, was sollte ich dort alleine? Ich hatte niemanden mehr, dem ich oder der mir wichtig war. Ich wusste gar nicht und über diesen Gedanken schämte ich mich etwas, ob ich traurig sein würde, wenn mein Vater sterben würde oder, wenn ihm jemand etwas antun würde.

Es war traurig zu sagen, doch ich empfand nichts mehr für diesen Mann. Seinetwegen war Meredith tot und wir jetzt auf diesem Schiff mit einem Haufen von Männern, die vorgaben jemand anderes zu sein. Ich wusste noch nicht einmal ob Francis die Wahrheit sagte. Und jetzt schalt ich mich sogar, dass ich ihm so blind alles anvertraut hatte. Was, wenn das alles ein Trick war und er mich an Richard verraten würde? Vielleicht war das alles geplant damit Richard mich zu meinem Vater sperren konnte? 

Ich seufzte. Wann würde ich, denn endlich Antworten bekommen?

Die Tochter des BauernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt