16.

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Plötzlich brach jemand die Tür auf und nur am Rande nahm ich war, dass sich jemand vor mir auf die Knie warf. Ich spürte einen heißen Atem durch mein Kleid, und wurde auf einmal an den Händen gepackt. Mit tränenverhangenen Augen schaute ich in das bleiche Gesicht von Richard. 

"Oh Gott, ich dachte ich hätte dich verloren!", stieß er mit belegter Stimme hervor. 

Ich starrte ihn immer noch etwas fassungslos an bis sich mein Blick verhärtete und ich immer mehr die aufkommende Wut spürte. Er dachte, wirklich er hätte mich verloren? Es hätte ihm so weh getan? Und trotzdem hatte er letzte Nacht... Ich brach den Gedanken ab und ballte meine Hände zu Fäusten. Mit meiner zusammen geballten Kraft stieß ich Richard von mir, sodass er unsanft auf seinem Allerwertesten landete. Perplex stand ihm der Mund auf und seine Augen waren weit aufgerissen. Unfähig die ganze Situation zu begreifen, sah er mich einfach an. 

Ich selbst war erschrocken von meiner doch so harten Vorgehensweise, doch dann nahm ich all meinen Mut zusammen und schrie: "Wenn ich euch doch so wichtig, bin wieso tut ihr mir das dann an?" 

Im Nachhinein muss es wohl mehr ein Schluchzen als Schreien gewesen sein. Trotzdem schien es Richard aus seiner Trance zu holen. So stolz wie es in seiner Lage ging, rappelte er sich auf und blickte mich dann wehmütig an. 

"Mary...", fing er an, doch ich wollte seine Worte nicht hören. 

Keine Worte dieser Welt hätten seine gestrige Tat rückgängig machen können. Obwohl ich der Stimme meines Herzen Einhalt gebat und sie immer weiter versuchte zu verdrängen, so schmerzte es jetzt doch unaufhaltsam. Wie kleine Messerstiche fühlte sich der Schmerz in meiner Brust an. Zeitweise hatte ich sogar das Gefühl nicht genug Luft zu bekommen und zu ersticken. Ich winkte einfach ab und schnaufte laut. 

"Ich will deine kläglichen Erklärungen nicht hören", zischte ich während mir immer noch Tränen die Wangen herab rannten. 

Er versuchte wieder nach meiner Hand zu greifen, doch ich wich ihm gekonnt aus und lehnte mich an die gegenüberliegende Wand. 

"Hör mir doch.."

Ich schnitt ihm das Wort ab und kam wieder wütend auf ihn zu. 

"Nein! Es gibt nichts, das ihr sagen könntet, das mich umstimmen würde oder es verdient hätte von mir gehört zu werden!", keifte ich. 

Er nutzte unsere Nähe und packte meine Hände, sodass ich ihn ansehen musste. Ich versuchte mich sofort loszureißen und schrie wütend auf. Wie eine Furie schlug ich wild um mich und versuchte ihn irgendwo zu treffen. Absurderweise half es jedoch auch meine Wut auf ihn zu schmälern, wenn doch sie nicht ganz gehen wollte. Ich verpasste Richard einen harten Hieb mit meinem Ellenbogen gegen seine Rippen und merkte wie kurz aufkeuchte und sich die schmerzende Stelle hielt. 

"Fasst mich nie wieder an!", zischte ich wütend. 

Doch er wollte anscheinend immer noch nicht aufgeben. Sich immer noch die schmerzenden Rippen haltend, packte er mich an meinem Oberarm und zwang mich ihn anzusehen. In seinem sonst so abwesendem Blick konnte ich jetzt so etwas wie Schmerz oder Trauer sehen. Die Stimme in meinem Herz wollte jetzt unbedingt, dass ich aufhörte mich so zu benehmen, da es mir dank der Rauferei eben schon besser ging. Mein Verstand war da, aber ganz anderer Meinung. Ich sollte ihm weh tun. Genauso weh tun wie er mir weh getan hatte. 

Während der liebliche Teil in mir sich schon wieder in seinen Augen verlor, heckte der andere Teil schon die nächste Attacke gegen Richard aus. Ohne mit der Wimper zu zucken, riss ich mich von ihm los und funkelte ihn wütend an. 

Als würde Gott mir ein Zeichen für meine Taten geben, leuchtete plötzlich ein heller Blitz am Fenster auf. Minuten später hörte man den Donner grollen. Ich zuckte erschrocken zusammen. Das Schiff fing an langsam zu schaukeln, sodass ich das Gleichgewicht verlor und auf den Diwan fiel. Auch Richard fand sich auf dem Boden der Tatsachen wieder. Ich rappelte mich auf, doch wieder erfasste das Schiff ein heftiger Ruck und ich kippte gegen den Diwan. 

"Etwas stimmt hier nicht", keuchte Richard, der jetzt auf den Knien versuchte zu mir zu kommen. 

Ein heftiger Windstoß riss das Fenster auf. Draußen schien die Welt unterzugehen. Der Wind heulte um das Schiff und durch jede Ritze oder Fuge des Holzes zwängte sich die Kälte hinein. Die Wellen schlugen immer härter gegen das Schiff und schaukelten es immer weiter auf. Mein Herz zog sich vor Angst zusammen. War das normal? Ich hatte noch nie so ein schlimmes Gewitter erlebt. 

Immer wieder leuchtete der graue Himmel kurz hell auf worauf ein tiefes, hallendes Donnern folgte. Richard hatte sich derweil zum Fenster gekämpft und versuchte dieses entgegen dem heftigen Wind zu schließen. Der komplette Tisch war nass und alle Karten waren triefend nass von dem Regen. Langsam kämpfte sich Richard zu mir. Bei jedem seiner Schritte schaukelte das Schiff erneut. Mein eben noch finsterer Blick hatte sich wohl zu einem ängstlichen verwandelt, denn Richard musterte mich sorgenvoll. 

"Es wird alles gut", versuchte er mich zu beruhigen. 

Ich glaubte ihm kein Wort. Jemand hämmerte an die Tür und ohne ein Wort abzuwarten, stieß Francis die Tür auf. Triefend nass und leicht fröstelnd stand er im Türrahmen und schaute etwas perplex zwischen uns umher. Er räusperte sich und meinte dann mit einem sorgenvollen Blick auf mich gerichtet: "Richard, der Captain will dich sehen. Ich passe so lange auf Mary auf"

Francis erwartete keine Widerrede. Das konnte ich in seinen Augen sehen. Richard drehte sich noch einmal nach mir um, aber nachdem er keine Reaktion von mir bekam, wandte er sich mit gesenktem Blick von mir ab und Schritt an Francis vorbei. Dieser schloss die Tür hinter ihm und arbeitete sich mühevoll durch den wankenden Raum zu mir. 

"Ich habe Angst", flüsterte ich leise.

Francis sah mich lange an. Er schien wohl nach den richtigen Worten zu suchen. Das Schiff wankte wieder gefährlich nach rechts, sodass Francis direkt vor mir auf die Knie fiel. Unsere Augen trafen sich und plötzlich fing mein Herz an wie wild zu hämmern. Verräterische Röte zierte meine Wangen und ich nahm nur am Rande war wie Francis mir wie in Trance eine Strähne aus dem Gesicht strich. Ich verlor mich in seinen Augen. Mein Verstand schrie, dass er ja ein verheirateter, werdender Vater sei, doch mein Herz schrie ihm etwas ganz anderes entgegen.


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Puh... wer hätte das erwartet? Wie findet ihr den plötzlichen Gefühlswandel von Mary?

An dieser Stelle wollte ich mich nochmal für eure zahlreichen Votes und Kommentare bedanken! Es macht wirklich Spaß die Geschichte weiter zu schreiben, wenn man so viel Support und Input bekommt! 

Mal sehen wie es jetzt weiter gehen wird...

Liebe Grüße und euch noch eine schöne Rest-Woche bzw. bis Sonntag😍

Shelli

Die Tochter des BauernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt