Kapitel 10

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Nachdem ich seine Bedingung ja nun erfüllt hatte, nahm Marcus brav die Probe aus dem Fleisch des Wattwurms. Dieser bemerkte das gar nicht.

Im Labor griff ich mir erstmal einen Kittel um etwaigen Verschmutzungen meiner Kleidung vorzubeugen. Praktischerweise enthielten die Taschen allerhand nützliches Zeug - vom Kugelschreiber bis zum Holzstäbchen. Wir untersuchten die DNA-Struktur des Tieres und stellten im Vergleich mit Informationen aus der Datenbank fest, dass sich die genommene Probe nicht von den bereits gespeicherten DNA-Strukturen unterschied. Aber was um Himmels Willen hatte diese Würmer so  groß gemacht?

Marcus Smartwatch verkündete News aus der „Oberwelt". Wir sahen uns die Nachrichten auf dem Monitor an.

„Sylt ist von der Landkarte verschwunden. Einige riesige Erdhaufen haben die Insel komplett unter sich begraben. Das selbe Schicksal droht der dänischen Insel Römo und den beiden deutschen Inseln Föhr und Amrum. Die Inseln wurden in einer nie dagewesenen Gemeinschaftsarbeit von Dänen und Deutschen vorsichtshalber evakuiert. Bangen müssen die Bewohner trotzdem: Hab und Gut droht zerstört zu werden, ganz zu schweigen von allen tierischen Lebewesen, die sich noch auf den Inseln befinden, und der Zerstörung des Naturraums Wattenmeer. Was die Bewohner von Sylt angeht: Wir trauern mit allen Angehörigen. Seitens der Regierung wurde der Notstand ausgerufen. Vom Antritt des Urlaubs in den Küstenregionen wird abgeraten. Es wurde eine Expertengruppe gebildet. Ihr gehören Fachleute aus dem Bereich Naturschutz, Meeresbiologie, Militär und Politik an. Gemeinsam werden sie eine Lösung für das Problem finden."

Marcus und ich starrten uns an. Würden wir auch noch die Lebewesen der anderen Inseln retten müssen? Jede Feldmaus und jede Kuh? Eile war geboten. Über den Bildschirm flimmerte eine weitere Meldung: „Eilmeldung: In großen Bereichen um Sylt herum wurden heftige Erschütterungen festgestellt. Derzeit geht man von Seebeben aus. Es ist mit heftigen Flutwellen zu rechnen. Zudem wurden seltsame Würmer gesichtet. Sie erinnern dunkel an die Würmer aus dem Hollywoodspektakel „Dune – der Wüstenplanet." Na, da hatte ja jemand Galgenhumor. Die Situation stellte sich schlimmer dar, als ich dachte. Ich bat Marcus kurz nach den Geretteten zu sehen und verkrümelte mich ins Labor um mich noch einmal an der Probe zu schaffen zu machen. Diesmal checkte ich allerdings nicht die DNA, sondern bemühte mich um den Nachweis von bestimmten Hormonen im Wattwurm. Doch das gestaltete sich schwierig. Die Probe war unbrauchbar. Eine erneute Erschütterung durchlief die Tardis. Ich rollte mit den Augen. Zwanzig Minuten später kam Marcus wieder. Er berichtete, dass alles in Ordnung sei und hatte Herrn Krüger im Schlepptau. Die Menschen hatten sich beruhigt und warteten. Sicherlich hatte die Tardis damit etwas zutun. Sie führte ja ein Eigenleben und war sicherlich im Stande die Reisenden durch Geräusche oder Gerüche zu beruhigen.

„So, ich möchte jetzt wissen, was Sache ist", blähte sich Krüger auf. Wie der mich nervte. Jetzt schon! Aber, aber... ein teuflisches Grinsen stahl sich in mein Gesicht und mit ihm eine ebenso teuflische Idee. Ich strahlte ihn an.

„Herr Krüger! Es sind die Wattwürmer. Sie sind gewachsen. Ich möchte gerne wissen, warum das so ist. Sind sie auch an einer Antwort interessiert?" Erstaunlich, welch guten Augenaufschlag ich beherrschte. Krüger schmolz dahin, während Marcus mir den erhobenen Daumen zeigte.

„Ja, aber selbstverständlich bin ich an einer Antwort interessiert! Ich würde alles dafür tun, wenn es sein muss. Schließlich geht es hierum meine Heimat und das Watt!" Verstohlen griff ich mir ein paar Gummihandschuhe. „Ja, die Heimat zu verlieren ist scheußlich."Marcus verkniff sich das Lachen, dennoch sah ich seine Bauchmuskeln unter dem Hemd zucken. Er wusste genau, was ich vorhatte. Ich schob Herrn Krüger sanft an der Schulter zur Tür: „Herr Krüger, ich muss ihnen etwas zeigen. Aber, sie müssen stark sein. Schaffen sie das?" Ich warf ihm einen flehentlichen Blick zu.

Er plusterte sich auf: „Natürlich, schaffe ich das. Ich bin ein Mann!" Und was für einer!

Wir stiefelten zur Ausgangstür der Tardis. Krüger blickte sich interessiert um. Er wirkte ein bisschen verwirrt. Ich öffnete sie vorsichtig. „Herr Krüger, wir stecken hier mitten in einem dieser mutierten Wattwürmer. Würde es ihnen etwas ausmachen..." Ich drückte ihm die Gummihandschuhe in die Hand. „...eine Probe aus der Innenwand des Wurms zu nehmen?" Ich gab ihm ein Skalpell und einen Probenbeutel aus meiner Jackentasche.

Sein Gesicht nahm eine schale Farbe an, während sein Blick hinaus zur Tür glitt, durch die kleine Sandmengen hineinkrümelten und dann und wann die rosabraune Haut des Wattwurms sichtbar wurde.

„Das ist jetzt nicht ihr Ernst oder?", wandte er mir seinen Blick wieder zu.

„Doch, ist es", antwortete ich und nickte eifrig.

„Nee,ne?"

„Doch, doch. An ihrer Stelle würde ich schnell machen, dann haben sie es hinter sich."

Mit angewidertem Gesicht zog Krüger sich die Gummihandschuhe über und krempelte sich die Ärmel hoch. Vorsichtig schob er seine Füße mit einem Nachstellschritt dichter an die Tür. „Ja, den linken Fuß vor und den rechten nachziehen!", ermutigte ich ihn weiter. Sein Rücken bog sich weit nach hinten, während die Arme immer länger zu werden schienen. Er machte es echt kompliziert und fuchtelte mit dem Skalpell herum wie mit einem Degen. Dann endlich war der Moment da, die Innenwand des Wurms dicht und der Arm von Krüger lang genug, er schnitt ein Stück aus dem Wurm heraus. Sanft war er nicht gerade. Der Wurm buckelte und erschütterte die Tardis. Dicke Sandklumpen beschmutzten das Innere meines Schiffs.

„Also, das hätten sie aber auch ein wenig sanfter machen können!", maßregelte ich ihn, während ich die Tür schloss und er die Probe eintütete. Sah beinahe aus wie ein Stück Walfischspeck, was er da ergattert hatte. Ziemlich Ihh!

Zurück im Labor begannen Marcus und ich – es sah äußerst professionell aus, was wir da taten – die Proben zu untersuchen.

The Doctoress - Watt?! (8)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt