Kapitel 13

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Wir manövrierten die Tardis zu der Stelle, die Kleinfinger uns auf der Karte gezeigt hatte, selbstverständlich aus dem Wattwurm heraus. Das hätten wir natürlich schon vorher machen können. Aber ich hatte keine Notwendigkeit gesehen, die Tardis war ja sicher. Kleinfinger nahmen wir mit. Er sollte mit eigenen Augen sehen, was er angerichtet hatte.

Dank des Tardis eigenen Schutzschildes, der sie umgab, konnten wir sie ohne weiteres durch die Tür verlassen. Sie hatte sich ihren Platz unter dem Erdhaufen „frei" gemacht. Trockenen Fußes suchten wir die nähere Umgebung ab und fanden die rostigen Fässer, die tatsächlich winzig kleine Löchlein aufwiesen. Der Grund war hier sehr stark wellig. Man sah ihm förmlich an, dass sich hier etwas seinen Weg nach oben gebahnt hatte.

Unter Aufbietung aller Sicherheitstechnik, die die Tardis besaß, manövierten wir die Fässer, die noch nicht gänzlich leer waren, in einen Lagerraum der Tardis, wo sie keinen Schaden anrichten konnten. Das war das kleinste Problem. Drei andere waren noch zu lösen: 1.Die Wattwürmer wieder „klein" machen, damit sie keine weitere Insel verschütteten. Natürlich ohne sie zu töten. Sie konnten schließlich nichts für das Unheil. 2. Die Insel wieder bewohnbar machen und die Menschen in ihre Häuser zurück schicken. 3. Die für dieses Malheur zuständigen Menschen ausfindig machen und zur Rechenschaft ziehen.

Für's Erste kehrten wir in die Tardis zurück und statteten dem„Flüchtlingslager" einen Besuch ab. Noch vor der Tür stellten wir fest, dass es erstaunlich ruhig war.

„Hörst du was?", fragte ich Marcus.

„Öhm, nein." Er runzelte die Stirn.

Wir öffneten die Tür und rechneten schon mit dem Allerschlimmsten. Doch... Alle schliefen. Auch Kleinfinger, glitt in einen seeligen Schlummer, als er den Raum betrat.

„Das war die Tardis. Sicherlich eine Selbstschutzmaßnahme", stellte Marcus fest. Er überprüfte stichprobenmäßig den Gesundheitszustand der Gäste. Sie lebten alle, atmeten ruhig und schnorchelten vor sich hin.

„Gut. Das können wir so lassen. Es verschafft uns Zeit, die wir eigentlich nicht haben." Er sah mich ernst an. Als sich unsere Blicke trafen, gönnte ich mir einen Moment der Schwäche und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Seine Arme umschlangen mich und ich konnte es echt gut gebrauchen. „Danke!", nuschelte ich an seine Brust. „Es fällt mir schwer immer stark und überlegt zu sein. Meine menschliche Seite kämpft sehr damit."

„Ich kann dich verstehen. Aber hey, wir schaffen das. Du und ich und die Tardis sind ein unschlagbares Gespann." Er fasste mich an den Schultern und schob mich ein Stück von sich weg, mir tief in die Augen sehend. „Lass uns in den Konsolenraum gehen und überlegen, was wir tun." Gesagt, getan. Er kochte uns einen Jasmin-Tee und wir setzten uns in die pinken Sessel um etwas brainzustormen.

„Somatropin. Das Zeug wird doch bestimmt einen Gegenspieler haben?!", mutmaßte ich.

Marcus daddelte auf einem Tablet: „Der Gegenspieler heißt Somatostatin. Allerdings stoppt es lediglich die Ausschüttung von Somatotropin in der Hirnanhangdrüse. Ich wüsste nicht, wie wir damit die Würmer wieder klein kriegen?" „Können wir das Zeug künstlich im Labor herstellen?"

„Mit Sicherheit. Wir organisieren uns eine Probe aus dem Wattwurmhirn, extrahieren das Hormon und lassen es von der Tardis klonen", schlug Marcus vor und die Idee kam gut bei mir an.

Wenig später hatten wir die Tardis in Kopfnähe des Wattwurms verankert. Es gefiel dem Tier nicht, es bockte. Was sein musste, musste sein. Wir verabreichten ihm ein Betäubungsmittel, das für zwanzig Elefanten gedacht war, und der Wurm verfiel in einen narkotischen Schlaf. Eine kleine Drohne diente uns dazu in das Hirn des Wurms zu navigieren und dort eine Probe aus der Hypophyse zu nehmen. Ehrlich gesagt, klang das spannender als es wirklich war. Aus der Probe extrahierten wir alles mögliche im Labor. Auch Somatostatin. Wir stellten ein Somatostatin-Analoga her, das zumindest ein weiteres Wachstum verhindern würde. Wie wir recherchierten, gab es Medikamente in der Krebstherapie, die Tumore schrumpfen ließen, allesamt hormonbasiert. Paclitaxel, Doxorubicin, Cyclophosphamid. Allerdings hatten diese Medikamente auch Nebenwirkungen. Wir verabschiedeten uns von der Idee alles zu einem Cocktail zusammen zu mixen und in ionisierter Form auf die Würmer zu schießen. Obwohl...

„Sollen wir es nicht einfach mal versuchen?", grübelte ich.
„Wenigstens mit dem Somatostatin?"

Marcus seufzte. „Ja, lass es uns versuchen." Also folgte auf die langwierige Laborarbeit das langwierige Basteln an einer Kanone, die das flüssige Somatostatin in ionisierter Form auf die Würmer schoss. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass das Ergebnis enttäuschend war. Die befallenen Würmer, sieben an der Zahl, schrumpften nicht wirklich. Nebenbei verfolgten wir die Nachrichten aus den Medien. Glücklicherweise waren die Würmer relativ standorttreu und richteten vorerst keinen weiteren Schaden an. Die Menschen aber übernahmen diesen Job.

„Sylt. Der nationale Notstand wurde noch nicht aufgehoben. Vom Besuch der Küstenregion wird weiterhin abgeraten. Das Militär hat die Angelegenheit bereits übernommen und drei der mutierten Wattwürmer mittels Granaten außer Gefecht gesetzt. Führende Wissenschaftler erforschen derzeit, warum die Würmer so mutiert sind. Rettungstrupps suchen auf der verschütteten Insel nach Überlebenden. Bislang wurde noch niemand geborgen, doch die Arbeiten gestalten sich schwierig", verkündete eine Nachrichtensprecherin auf dem kleinen Bildschirm im Labor und mir blieb der Mund offen stehen. Ich war zu langsam gewesen. Drei der unschuldigen Wesen waren ins Nirvana eingegangen. Mit geöffnetem Mund war ich erstarrt. Meine Augen sahen, wie im Hintergrund Soldaten große Brocken der Wattwürmer, die von der Flut ans Festland getrieben worden waren, auf LKWs luden. Während mein Timelady-Herz weiter schlug, blieb das menschliche beinahe stehen. Stille Tränen kullerten meine Wangen hinunter. Ich war nicht in der Lage mich aus dieser Starre zu befreien. Es traf mich wirklich, tief in meinem Inneren. Erst Marcus Berührung erweckte mich wieder zum Leben. „Wir haben alles versucht. Mach dir keinen Kopf. Vielleicht ist es besser so", tätschelte er meine Schulter. Meiner Trauer über den Tod der Würmer folgte Wut. Wut darüber, dass die Menschen so ungeduldig waren und gleich alles niedermetzelten, was ihnen in den Weg kam.

„Die pfuschen mir ins Handwerk! Ist das zu fassen!", schnaubte ich und war den Tränen nahe. „Was für Alternativen haben wir noch? Marcus, bitte sag was", flehte ich ihn an.

„Wir könnten sie an Bord nehmen und auf einem anderen Planeten aussetzen." Er checkte den Lagerplatz auf der Tardis. „Allerdings nur zwei von ihnen." Über den Newsticker seiner Smartwatch lief die Meldung, dass zwei weitere Wattwürmer getötet worden waren. Ich eruierte die Lage. Zwei waren besser als keine. „Lass es uns tun." Natürlich hätten wir in der Zeit hin und her reisen können um alle zu retten. Das war mir aber zu riskant. Ich konnte die Folgen nicht absehen. Erst ein wenig später, als ich mir gestattete etwas zur Ruhe zu kommen, fiel mir ein, dass ich den Menschen keine Vorwürfe machen sollte. Sie wussten schließlich nicht, dass alle Bewohner Sylts in Sicherheit waren. Mensch und Tier. Es ging ihnen ja nur darum ohne Gefahr auf die Insel zu kommen um alles Leben dort zu retten. Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.



The Doctoress - Watt?! (8)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt