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Den restlichen Tag verbrachte ich in den anliegenden Wäldern und stellte die Fallen an den neuen Orten auf. Ich habe Vater gesagt, dass ich noch Zeit bräuchte und darüber nachdenken wollte, obwohl ich mich bereits entschlossen habe auf diese Reise zu gehen. Ein Unbehagen ergriff immer wieder und ich wunderte mich oft über meine Selbstsicherheit. Vielleicht war es auch Naivität. Ich habe wenig erlebt in meinem Leben und vielleicht bin ich wirklich auch einfach zu leichtgläubig. Trotzdem muss ich irgendwann in meinem Leben genau diese Erfahrungen sammeln, wie meine Mutter. Vielleicht werde ich die Gruppe auch auf halben Weg verlassen, wenn die Situation zu riskant ist. Das Risiko ist groß, aber das ist es was ich brauche. Mehr Feuer und Abenteuer, neue Menschen, neue Orte, neue Herausforderungen. 

Das Waldgebiet, dass ich erkundete, war viel belebter und ich hoffte auf mehr Fang, als die letzen Monate. Während ich den ungefähren Standort niederschrieb, damit die Jäger die Fallen am morgigen Tag wiederfinden konnten, schritt ich wieder Richtung Dorf, denn die Sonne stand bereits sehr tief. 

Schon vom Weiten hörte ich eine muntere Gesellschaft. Laute Stimmen und Gesänge kamen gedämpft aus der Speisehalle und das Geklirre von Geschirr hörte sich wie ein Glockenkonzert an. Würzige Düfte, sowie wohlige Wärme verführten die Sinne, doch ich verspürte wegen der Müdigkeit keinen Drang jetzt dazu zu stoßen. Die Gruppe würde ich früher oder später kennenlernen. Meine Glieder waren zu erschöpft von der ganztägigen Wanderschaft. Ich passierte beim Eingang mit einem Nicken die Wächter und schritt verdeckt zur Hinterseite unseres Hauses. Ein großer Ahorn bedeckte diese Seite des Gebäudes und ich benutzte diesen Baum oft, um unentdeckt in mein Gemach zu gelangen. Hastig legte ich mir meinen Bogen um und zog die Träger meiner Tasche enger. Mit dem rechten Fuß voran begann ich raufzuklettern. Gekonnt fand ich alle Unregelmäßigkeiten der Rinde und erreichte bald den oberen Teil der Krone.

"Willst du nicht mit uns mitfeiern?", riss mich jemand aus meinen Gedanken, und ich wäre fast abgerutscht und runtergefallen. Ich schaute entgeistert runter. Es war der unverschämte Zwerg mit den schwarzen Haaren. Ich suchte schleunigst nach einer Antwort.

"Ich fühle mich nicht wirklich wohl auf Festen..." 

Er nickte kurz verständlich. 

"Du bist Arya, ist das richtig?", fragte er mich mit einem Grinsen. Ich ließ mir nichts anmerken und versuchte mich lässig an einen Ast anzulehnen.

"Richtig. Du?", fragte ich jetzt.

"Kili.", schon wieder dieses verschmitzte Lachen, "Willst du wirklich nicht runterkommen? Ich kann dir die anderen vorstellen? Kommst du jetzt eigentlich mit?", rief er zu mir rauf. Kili. Interessanter Name. Ich atmete kurz tief ein und besiegelte meine Zukunft.

"Natürlich komme ich mit....Und wieso willst.. du eigentlich nicht raufkommen?", fragte ich ihn.

Der selbstsichere Ausdruck aus seinem Gesicht verschwand schlagartig. Ein wenig verzweifelt schaut er mich an, blickt die die untersten Äste und dann wieder mich.

"Das wird schwierig. Ich bin zu klein.", sagte er ziemlich verlegen.

Beinahe wollte ich mich entschuldigen für meine unachtsame, nein sogar verletzende, Aussage, aber bevor ich mich vor meinem zukünftigen Gruppenmitglied noch mehr blamieren konnte, begann ich runter zu klettern.

"Kommst du jetzt doch?", fragte er mich interessiert. "Nein, ich habe eine bessere Idee.", sagte ich und streckte ihm die Hand, vom niedrigsten Ast, aus. 

Zögernd nahm er sie, und mit meiner ganzen Kraft zog ich ihn so weit rauf, bis er sich selber irgendwo festhalten konnte. Entgeistert schaut er mich an und brachte nur ein kleines 'Danke' heraus.

Ich nickte ihm zu und jetzt grinste ich.

"Komm mit.", sagte ich und begann zu klettern. Immer wieder wartete ich auf ihn, bis wir bei meinen Räumen angekommen waren. Das Fenster ließ ich im Sommer immer sperrangelweit offen. Als ich schon drinnen war, half ich ihm noch, um reinzukommen.

"Das schönste Gemach von Mittelerde ist es nicht.", sagte ich mit einem kleiner Lacher, setze mich vor den Kamin und begann meinen Bogen und die Pfeile zu säubern.

"Also ich habe noch nie ein besseres gesehen", und er fasste vorsichtig in Richtung eines perlweißen Bogen, der neben vielen anderen sorgfältig an Halterungen an der Wand hing.

"Darf ich?",fragte er. Ich nickte. Der Bogen meiner Mutter.

Gespannt beobachtete wie Kili den, für ihn, viel zu langen Bogen in seinen Händen inspizierte. Kili spannte den Bogen leicht und war fasziniert von den Mustern, die eingeschnitzt waren. Ein elbischer Bogen.

Plötzlich trafen sich unsere Blicke und ich blinzelte schnell und richtete meine Aufmerksamkeit wieder dem Kontrollieren meiner Pfeile. 

"Du besitzt viele Bögen. Leidenschaft?", fragte er, als er die Waffe wieder behutsam an seinen Platz zurückstellte. Bevor er sich wieder umdrehte antworte ich zögernd.

"Ja. Ja, eigentlich liebte ich das Schießen mit Pfeilen schon immer. Seit ich ein Kind war. Du bist auch ein Schütze?", fragte ich schnell. Er nickte eifrig und setzte sich dabei auf einen Hocker seitlich von mir.

"Ich bevorzuge es einfach aus der Entfernung zu handeln. Da habe ich alles im Überblick.", interessiert horche ich seinen Worten und ich fühle mich überraschend verstanden.

"So ist es auch bei mir. Der Bogen als Waffe gibt dir die Macht aus großer Entfernung mein Ziel zu treffen und ich muss mich nicht in mögliche Gefahr der Nähe begeben. Es ist so eine elegante, edle Waffe...", ich streiche über die halbe Länge von einem meiner Pfeile, "...aber gleichzeitig ist sie auch so uberechenbar tödlich.", und ich erreiche die Spitze und halte inne. Schweigend räume ich die Pfeile weg mit dem Wissen im Hinterkopf, dass meine Mutter mit einem Giftpfeil getötet wurde. 

"Wie kommt es, dass ein Zwerg einen Bogen bevorzugt und nicht die brutale offensive Kampfart mit Hämmern und Schwert?", sage ich, um das Gespräch wieder zu beleben und schaute in interessiert mit einem Lächeln an. Er erwiderte den amüsierten Ausdruck.

"Schon am Anfang meiner Ausbildung von Thorin griff ich immer als erstes zum Bogen. Es gefiel mir einfach, glaube ich.", sagte er schulterzuckend. Ich hörte mit meiner Tätigkeit abrupt auf.

"Du redest von Thorin Eichenschild? Sohn von Thráin?" Wir beide sahen uns erstaunt an.

"Natürlich meine ich den Thorin. Er ist hier unten in der Speisehalle. Ich bin sein Neffe."

Mit großen Augen sah ich ihn an. Wiederum fühlte ich mich beschämt, dass ich etwas sagte ohne vorher nachzudenken. Er sah mich etwas amüsiert an und fühlte sich durch die Tatsache, dass ich bis zu diesem Moment nicht von seiner Blutlinie wusste, wahrscheinlich hundertmal selbstbewusster.

"Das wusste ich nicht. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich gedacht, dass ich ihr...eine übermütige  Gruppe aus Zwergen seit, die den Drachen besiegen wollen.", sagte ich und wurde erleichtert als er herzhaft lachen musste.

"Das ist eigentlich gar nicht mal so falsch. Freu dich auf die nächsten Wochen. Es wird eine verrückte, unvergessliche Erfahrung." Ich musste lachen.

"Kili! Wo steckst du? Ich bräuchte kurz deine Hilfe.", hörte man eine männliche Stimme von draußen rufen.

Kili schritt schnell zum Fenster und drehte sich um und zeigte mit einer Handbewegung, dass er jetzt runtergehen würde. 

"Fili. Mein Bruder.", flüsterte er und verdrehte lachend die Augen. 

"Bis morgen.", flüsterte ich zurück, als er den ersten Ast betrat.

Broken ArrowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt