The holy trinity

Juni 2013

„Hey Rosie!" ruft Haz als er mich auf dem Flur entdeckt. Ich gehe auf ihn zu und umarme ihn zur Begrüßung. „Wo ist Tom?" frage ich verwundert. Eigentlich ist er immer als erster in der Schule, weil sein Bus immer so früh fährt. „Der ist doch beim Dreh, schon vergessen?" lacht Haz und boxt mir freundschaftlich in den Arm. Das hatte ich ganz vergessen. Tom hatte eine Nebenrolle in einem Film ergattert und wurde dafür 2 Wochen von der Schule freigestellt. Dann muss ich mich wohl alleine mit Haz rumschlagen, aber ich denke das kann auch ganz witzig werden. Es ist sowieso nicht mehr lang bis zu den Sommerferien und dann ist das erste Jahr auch schon vorbei.

Nachdem wir am Anfang des Jahres dieses Projekt machen mussten, habe ich mich immer besser mit Tom und Haz angefreundet, bis wir irgendwann unzertrennlich wurden. Mittlerweile sind wir als „the holy trinity" an der ganzen Schule bekannt. Nicht zuletzt, weil Tom und ich schon einige Rollen in Filmen gespielt haben und beim Frühjahrsmusical die zwei Hauptrollen übernommen haben, während Harrison den Bösewicht gespielt hat und ein paar Modeljobs an Land ziehen konnte. Man könnte wohl sagen, dass wir sowas wie die beliebten Kids der Schule sind und jeder gerne zu unserer Clique gehören würde, aber wir bleiben lieber unter uns.

„Wie machen wir das denn mit dem Projekt in Bio, wenn Tom nicht da ist? Das müssen wir doch in 3 Wochen vorstellen!" sage ich erschlagen von der Erkenntnis. „Dann bereiten wir das alleine vor und haben dann noch eine Woche Zeit Tom zu sagen was er machen soll", schlägt Haz vor. Ich bin nicht begeistert von der Idee, stimme aber zu, da es wahrscheinlich die einzige Möglichkeit ist. „Wie wäre es, wenn wir uns heute Nachmittag dafür treffen? Und du wolltest mir noch Mathe erklären", sagt Haz und ich nicke. „Wann soll ich zu dir kommen?" frage ich nach und er schlägt vor, dass wir es direkt nach der Schule machen.

Wenn wir uns treffen findet das fast immer bei Haz oder Tom statt, da es bei Ihnen einfach gemütlicher ist. In der riesigen Villa die ich mit meinem Dad bewohne, laufen ständig irgendwelche Angestellten rum und deswegen kann man da einfach nicht seine Ruhe haben.

Tom und Haz wissen als einzige wo ich wohne und viel wichtiger: Wer mein Vater ist. Er ist der eigentliche Grund, warum ich auf dieser Schule bin, denn ich möchte so werden wie er. Und das ohne die Bevorzugung, die mir sein Nachname bringen würde, deswegen trage ich den meiner Mutter. Die beiden waren ohnehin nie verheiratet und meine Mutter hat mich größtenteils alleine aufgezogen. Nicht, weil mein Vater mich nicht geliebt hat oder keine Zeit für mich hatte, sondern weil meine Mutter ihm den Kontakt verboten hat, damit ich aus der Presse rausgehalten werde. Die wissen bis heute nicht, dass er eine Tochter hat. Als ich alt genug war um selbst zu entscheiden, habe ich viele Sommer bei ihm in London verbracht, aber wenn wir zusammen gesehen wurde, hieß es ich bin seine Nichte oder ähnliches.

Als dann mit 12 meine Mutter an Krebs starb, wollte er, dass ich komplett zu ihm nach London ziehe, aber ich war nicht bereit dazu den kleinen Ort in Wales und meine Großeltern dort zu verlassen. Die konnten mich allerdings nicht komplett bei sich aufnehmen und so kam ich auf ein Internat in der Nähe, wo sie mich oft besucht haben. Dann habe ich dort den Abschluss gemacht und nach den Jahren in der Theatergruppe hatte ich so viel Spaß an der Schauspielerei, dass es eine leichte Entscheidung war nach London zu meinem Vater zu ziehen und auf die BRIT zu gehen.

In meinen Gedanken versunken hake ich mich bei Haz ein, der ununterbrochen auf mich einredet, und wir gehen zur ersten Stunde. Nach der Schule packe ich alles was ich für die Hausaufgaben brauche in meinen Rucksack und der Rest bleibt im Spind. Haz und ich gehen raus und warten auf den Bus. Wir reden über komplett belangloses Zeug bis der Bus kommt. Dann steigen wir ein, ich kaufe mir ein Ticket und wir setzen uns hin. Haz hat ein Monatsticket, aber ich fahre so selten mit dem Bus, dass ich keins hab. Meistens fährt mein Vater mich zur Schule oder sein Chauffeur. Im Bus holt Haz seinen iPod und Kopfhörer raus. Er gibt mir einen und ich stecke ihn ein. Es läuft irgendwelche aktuelle Musik aus den Charts und ich summe leicht mit. Die Fahrt zu Haz dauert nicht lange und wir laufen noch die letzten Meter von der Bushaltestelle bis zu seinem Haus.

Sein Vater arbeitet noch, aber seine Mutter ist zuhause und begrüßt uns fröhlich als Haz die Tür öffnet. „Oh, Hallo Rosie, schön dich zu sehen. Kommt Tom auch? Möchtet ihr heute Abend vielleicht mit Essen?" fragt sie und ich kann nicht anders als zu lächeln, wenn ich mit ihr rede, denn sie ist einfach immer so nett. „Nein Tom kommt nicht, der hat einen Dreh, aber ich würde gerne heute mitessen, wenn es in Ordnung ist", antworte ich freundlich. Hazs Mutter kocht nämlich immer sehr lecker und bei mir würde ich wahrscheinlich nur was vom Lieferdienst bekommen, weil mein Vater diese Woche ebenfalls nicht da ist und unsere Köchin deswegen Urlaub hat. „Okay, dann weiß ich Bescheid. Ich rufe euch, wenn das Essen fertig ist", sagt sie und wir nehmen unsere Taschen und gehen in Hazs Zimmer.

Wie immer setze ich mich auf das Bett und Haz macht ein bisschen Musik an. „Was willst du zuerst machen? Mathe oder Bio?" frage ich und Haz zuckt mit den Schultern. Er setzt sich mir gegenüber auf das Bett und sagt: „Ist mir egal, such du aus." Ich entscheide mich für Mathe, da das Bio Projekt noch etwas Zeit hat und rutsche etwas näher an Harrison ran, damit wir zusammen in das Buch schauen können. Dabei berühren sich unsere nackten Beine, da wir beide wegen der Temperaturen kurze Hosen anhaben und es jagt mir einen Schauer über den Rücken, sodass ich direkt wieder ein Stück von ihm wegrücke. Natürlich bemerkt er diese kleine Geste und schaut mich an, woraufhin ich knallrot werde.

Eigentlich ist mir mittlerweile fast nichts mehr vor den beiden peinlich, aber irgendwie ist da gerade so eine Spannung zwischen Haz und mir. Mir ist natürlich nicht entgangen wie gut die beiden aussehen und von wie vielen die beiden angehimmelt werden, aber sie zeigen nie Interesse, zumindest nie in meiner Anwesenheit. Und ich verbiete mir selbst, so etwas zu denken, denn sie sind doch meine besten Freunde. Das will ich auf keinen Fall gefährden. Trotzdem denke ich nun wieder darüber nach.

Ich spüre wie Haz mich immer noch ansieht und erwidere nun den Blick. Das war ein Fehler. Diese wunderschönen blauen Augen, die mich so intensiv betrachten. Er mustert mein Gesicht und bleibt schließlich an meinen Lippen hängen. Langsam beugt er sich vor und ich sitze da wie erstarrt. Unsere Gesichter sind nur wenige Zentimeter auseinander als er innehält. Er schaut mir nochmal tief in die Augen, bevor er seine schließt und ich seine Lippen auf meinen spüre. Im ersten Moment bin ich wie geschockt und kann mich gar nicht bewegen, aber seine warmen Lippen auf meinen lösen etwas in mir aus. Ich schließe meine Augen und erwidere den Kuss leidenschaftlich. Ich lege meine Arme um seine Schultern und spüre seine Hand an meinem Rücken. Er zieht mich runter, sodass wir nun auf dem Bett liegen, ich auf ihm drauf und wir uns weiter küssen. Wir werden jäh unterbrochen, als die Tür auf geht und Tom herein kommt.

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