22 Kapitel

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Wir rannten so schnell wie möglich hoch. Valle stand mit einem Handtuch in der Hüfte, mitten im Flur. "Oh mein Gott!", brachte Patricia nur raus. "Wat ist dann denn für 'ne Kacke?", fragte Manu überrascht. "Alter..Ich geh mal nach Taddl sehen",sagte Ardy. "Ich komm mit", sagte Dario und die beiden verschwanden im Zimmer. Ich sah den Flur an. Überall Blut verschmiert an der Wand. An manchen Stellen, glitt das Blut von der Wand runter. Es war so ein dunkeles Rot. "Hast du denn nichts gehört?", fragte Simon. "Nein..Garnichts", sagte Valle. "Ach du Scheiße", flüsterte ich, als ich sah, dass Valentin mit Blut an der Wand stand. Zitternd zeigte ich mit meinen Finger an die entsprechende Stelle. Alle guckten mit großen Augen dahin. Valle verzog das Gesicht. "Ich zieh mich kurz an", sagte Valle und ging in sein Zimmer. "Was ist, wenn die Person, die das gemacht hat, noch hier ist?" , fragte Simon.

"Es war keine Person", sagte Manu und sprach weiter: "Es ist eine scheußliche Kreatur..Hier gehen komische Dinge vor sich!" Plötzlich blieb ihm die Stimme weg. "Ach Manu", sagte Patricia und nahm ihn in Arm. Man sah Simon an, dass Manu ihm leid tat. Mir tat Manu ebenso schrecklich leid. Wahrscheinlich wird er nie vergessen, was man mit ihm gemacht hat. Er braucht professionelle psychologische Hilfe. Ich glaub eher nicht, das er dies in Anspruch nehmen würde, weil er wahrscheinlich nicht darüber reden will. Erst recht nicht mit einer fremden Person. Aber ist es nicht besser, sich Hilfe zu holen, als hilfos zu versuchen damit alleine klar zu kommen?

Das Knallen der Tür hat mich aus den Gedanken gerissen. Valle kam wieder. Er streifte seinen Pony nervös zur Seite und glitt dabei die Wand runter. Jetzt saß er auf dem Boden und vergrub sein Gesicht, in seinen Händen. Ich setzte mich neben ihn und klopfte ihn tröstend auf die Schulter. "Warum..? Warum? Was soll das alles? Was haben wir schlimmes getan?", fing er an zu reden. An seiner Stimme erkannte man, dass er den Tränen sehr nahe war. Plötzlich ging Manuel in sein Zimmer und schloss sich da ein. Patricia klopfte an die Tür, aber er reagierte nicht. Simon stand immer noch geschockt im Flur rum. Wir waren eine ganze Weile still, bis Patricia kurz wegging und mit einen Eimer wieder kam. In dem Eimer befand sich ein Lappen. Sie versuchte das Blut von der Wand abzubekommen. Simon nahm sich auch einen Lappen und half ihr dabei. Ich stand auf und half Valle hochzukommen. "Komm, wir gehen runter. Ich mach uns einen Kaffee"

Am Esstisch sitzend, schweigend,tranken wir unseren Kaffee. Ich dachte darüber nach, was ich Schlimmes in meinem Leben gemacht habe, dass mir, oder eher gesagt uns, sowas passiert. Okay... Ich hab früher mal Batterien für meinen alten Nintendo geklaut und ein oder zweimal die Unterschrift von meinen Eltern gefälscht, als ich schlechte Noten in den Arbeiten hatte..aber mehr nicht. Und das kann es nicht sein. Ich kenne Valle in und auswendig. Wenn er etwas derart Schlimmes je gemacht hätte, wüsste ich was davon. Und von den anderen kann ich mir ehrlich gesagt nichts vorstellen.

"Erik?"

Valle riss mich aus meinen Gedanken. Wiedermals.

"Ja?"

"Wir müssen uns rächen. Das sind wir Tobi und Dennis schuldig.."

Ich nickte ihm zustimmend zu. Aber wie?

"Ich geh schlafen. Wenn ich morgen bis zum Frühstück immer noch nicht wach bin, lass mich weiter schlafen. Okay?"

"Okay.", antwortete ich ihm. Langsam aufstehend machte er sich auf den Weg nach oben. Ich stand auch auf, um mir neuen Kaffee einzugießen und setzte mich wieder hin. Nachdenkend schlürfte ich das heiße Getränk.

Nach einer Weile hörte ich jemanden die Treppe runterkommen. Es war Taddl. Sofort fragte ich wie es ihm ginge. Er sagte, dass es ihm gut ginge und setzte sich auf die Couch und fragte ein Zeichen, dass ich mich zu ihm gesellen sollte. Das tat ich auch. "Was machst du noch hier?", fragte er mich. Ich sah ihn fragwürdig an. Er sprach weiter: "Es ist 1 Uhr morgens"

Was? Schon so spät? Ich sitze hier schon echt lange. Kam mir garnicht so lange vor. Wie man sich in den Gedanken einfach vertiefen kann. "Oh", brachte ich nur heraus. Er lächelte. Erst jetzt sah ich das er eine Whiskey Flasche in der rechten Hand hielt. "Auch?", sah er mich fragend an. Ich schüttelte meinen Kopf. Taddl machte die Flasche auf und nahm einen kräftigen Schluck. "Ich glaub das es nicht so gut ist, nachdem was mit dir passiert ist"

Er sah mich an und zuckte mit den Schultern und sagte traurig: "Ist sowieso alles scheiße". Dann nahm er wieder einen kräftigen Schluck. Dario kam jetzt auch runter. Er ging zu Tür und nahm seine Jacke vom Kleiderständer. "Wohin?", fragte ich. Wahrscheinlich hatte er uns nicht bemerkt, da er sich erschrack, als er meine Stimme hörte. Nervös antwortete er: "Spazieren", und ging sofort raus. Komisch. Naja vielleicht braucht er bisschen Abstand von dem allen, um seinen Kopf freu zu bekommen. "Wollen wir zu mir ins Zimmer? Bisschen Musik hören? Patricia pennt im Zimmer von Simon." Ich stimmte zu und wir gingen nach oben.

In seinem Zimmer war ein kleines Sofa. Da setzten wir uns drauf und er machte Musik an. Es war amerikanischer Rap. In seinem Zimmer stand ein Haufen voller Gemälde gestapelt. "Darf ich mal gucken?", fragte ich und zeigte auf den Stapel. Er nickte mir zu und ich holte mir die Bilder. Er trank weiter. Einzelnd guckte ich sie mir an. Sie waren kreativ und irgendwie erzählten sie auch eine Geschichte. An einem Bild blieb ich hängen. Es war so traurig. Drauf zusehen war im Gemälde, ein Bild mit einem toten Baum und die Atmosphäre war auch kalt. Davor war ein Strick. Und wenn man durch diesen Strick guckt, sieht der Teil des Bildes schön aus. Der Baum war nicht tot, sondern lebendig. Taddl scheint es wohl richtig schlecht zu gehen. Dieses Bild beschreibt seine Gefühle in tausend Worten. Und ich könnte mir nicht vorstellen, ohne ihn zu leben. Ja, ich kenne ihn seit erstmal fast 3 Monaten so richtig. Aber er ist mir richtig ans Herz gewachsen. Jetzt wo ich seine Gefühle, seine Gedanken und ja vielleicht sogar seinen stummen Hilfeschrei sehe, merke ich erst was er für mich in dieser kurzen Zeit alles getan hat. Ich schätze ihn. Nicht dass ich es vorher nicht getan hätte, aber jetzt wo ich ihn fast verlieren könnte, merke ich was er wirklich wert ist. Man sagt ja auch: Erst wenn man einen Menschen verliert, merkt man was man an ihn hatte. Ich merkte was er für ein Mensch ist, was für ein toller Mensch. Er hat soviel für uns alle in dieser kurzen Zeit getan und niemand hat es richtig wert geschätzt. Bestimmt hat er noch andere Probleme oder Gründe, was dazu führt, das er so denkt. Aber ich denke mal, wenn man von niemanden richtig geschätzt wird oder wenn niemand merkt, was man für einen alles tut, sticht es umso mehr ins Herz und es ist sowas wie eine Bestätigung das man falsch auf dieser Welt ist. Taddl war immer happy und heiterte immer einen auf, so als ob es ihm gut ginge.

Es stimmt aber nicht.

Sein Lachen war gefaked.

Es war seine Fassade.

Er hat es uns nicht erzählt, weil er wahrscheinlich denkt , er würde uns damit belasten, oder wir würden uns dafür nicht richtig interessieren.

Dieses Bild, eher gesagt diese Bilder drücken seine Gefühle aus, in der Hoffnung dass vielleicht einer merkt, wie es ihm wirklich geht und ihm aus diesen Loch der Verzweiflung raushilft. Für uns mag es nicht richtig klar sein, warum er so denkt. Aber ich finde man sollte sowas ernst nehmen und für einen da sein. Natürlich ist es schwer, in dieser für ihn schweren Zeit,sein ganzes Vertrauen zu erlangen. Dennoch ist es wichtig, ihm zu zeigen das er nicht alleine ist und es Leute gibt, die ohne ihn nicht leben könnten. Auch wenn es ihm jetzt nicht klar ist. Ich sollte es versuchen ihn zu helfen. Er sollte wissen, dass es mir nicht egal ist. Es muss eine seelische Qual sein, jeden Tag mit solchen Gedanken zu leben. Sich leer, hilflos und unnütz zu fühlen. Vielleicht hat er Gründe, wo wir denken das es jetzt nicht die Welt ist. Aber vielleicht ist es für ihn die Welt? Es muss wehtun, damit alleine klar zu kommen.. Zu denken, dass niemand da ist der ihn auffängt, wenn er fällt. Dass niemand ihn hört, wenn er um Hilfe schreit. Dass niemand sich dafür interessiert, wenn er sich was antut. Ich, nein, WIR müssen ihm zeigen, was uns an ihn liegt, bevor er noch auf falsche Gedanken kommt.. Oder geplantes in die Tat umsetzt..

Taddl nahm mir plötzlich den Stapel Bilder aus der Hand. Ich sah ihn an und bevor ich was sagen konnte, bittete er mich zu gehen. Ich akzeptierte das und ging. Ich ging die Treppen runter und Manu kam mir entgegen. Seine Maske war mit Blut verschmiert. Schnell huschte er an mir vorbei. Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Irgendwas ist doch hier merkwürdig... Ich sah das die Haustür offen stand.

Misstrauisch zog ich meine Jacke an und ging nach draußen. Paar Schritte weiter, sah ich einen schwarzen Sack auf den Boden liegen. Ich ging in Richtung dieses Sackes. Näher an den Sack dran, erkannte ich das es garkein Sack war, sondern Simon. Seine Seite war voller Blut und er atmete schwer. Warte.. Manus Maske war doch voller Blut?

Ausflug in die HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt