17. Kapitel

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,,Wie soll man hier bitte jagen?", fragte sich Flammenwind, während er sich auf dem Feld umschaute. Er war immerhin keine SonnenClan- Katze, die schon immer auf offenem Gelände jagte.
Raven schaute sich mindestens ebenso verständnislos um.
,,Ich habe so oder so noch nie gejagt...", gab die schwarze Kätzin zu und betrachte verlegen ihre weißen Pfoten.
,,Kommst du im Wald vielleicht besser klar?", fragte die Kätzin und schaute ihm in die Augen.
Kurz verlor sich Flammenwind in diesen, bevor er sich zusammenriss. Was war los mit ihm?
,,Ein Wald wäre perfekt!", meinte er.
,,Gut, komm mit!", miaute das Hauskätzchen und der Clankater lief ihr nach.
So weit war er noch nie von seinem Territorium entfernt.
Nach kurzer Zeit erreichten die beiden Katzen einen kleinen Bach, der munter vor sich hin plätscherte und die goldene Blattfall- Sonne reflektierte.
Mit einem eleganten Satz war Raven schon drüben und nickte Flammenwind aufmunternd zu.
Der rote Kater holte ein wenig Anlauf, dann sprang er ab und machte einen gewaltigen Sprung über den Bach.
Er landete ein paar Fuchslängen hinter Raven und sah sich um. Dieser Wald war ihm völlig fremd und doch hatte er so viel Vertrautes. Die bunt werdenden Blätter, die ab und zu zu Boden segelten und der Duft nach Blattfall.
Plötzlich spürte er eine Berührung an seiner Flanke und hüpfte fast vor Schreck nach oben, bis er merkte, dass es nur Raven war.
Diese schnurrte über seine erschrocken Reaktion, woraufhin er sie nur gespielt böse in die Seite knuffte.
,,Bring mir jagen bei!", bat die Kätzin.
Flammenwind schaute sie kurz zweifelnd an. Er war noch nie Mentor gewesen und wusste nicht, ob das Hauskätzchen gleich alles verstehen würde.
Doch als Raven ihn aus ihrem riesigen Augen anstarrte, verflogen alle seine Zweifel und er schnurrte kurz.
,,Klar zeig ich's dir!"
Raven machte einen Luftsprung vor Freude.
,,Vielen Dank, Flammenwind!", rief sie.
,,Also, schau, das Jagdkauern geht so!", Flammenwind machte es ihr vor und korrigierte sie ein paar mal, als sie ihn nachahmte, dann deutete er auf ein gelbes Blatt, dass ein paar Mäuselängen entfernt lag.
,,Stell dir vor, das ist eine Maus. Verlagere dein Gewicht auf deine Oberschenkel und schleiche dich an."
Raven nickte und schlich sich an, doch gerade als sie springen wollte, erfasste ein Windstoß das Blatt und trieb es davon. Enttäuscht schaute Raven ihn nach.
,,Tja, da war der Bussard wohl schneller als du", scherzte Flammenwind woraufhin Raven schnurrte.
Ein warmes Gefühl breitete sich in Flammenwind aus.
Es fühlte sich richtig an, der Grund für Ravens Schnurren zu sein.

,,In einer früheren Zeit, gab es hier noch Zweibeiner, die dieses Feld bewirteten. In der Blattfrische fuhren sie aus und säten und streuten, so viel sie konnten.
Im Blattfall fuhren sie mit Monstern mit riesigen Klauen hier entlang, doch Zweibeiner kommen schon länger nicht mehr hierher.
Wir wissen nicht, was sie vertrieben..."
,,Das ist doch langweilig! Du wolltest uns eine Gruselgeschichte erzählen!", beschwerte sich da plötzlich Maus, ein kleiner, brauner Kater.
Seine Schwester Rotkehlchen sprang spielerisch auf ihn drauf und riss ihn zu Boden.
Flammenwind fragte sich gerade, ob es ihm Sorgen bereiten sollte, dass Stachel nirgendwo war, da bohrten sich schon kleine Krallen in seine Schwanzspitze.
Verärgert miaute Flammenwind zog den kleinen grauen Kater von ihm runter.
Doch er konnte ihm nie lange böse sein, denn dafür war Stachel einfach zu niedlich.
,,Natürlich, wartet doch, das Gruselige kommt ja noch!", versuchte Minni, eine ziemlich alte, schwarz- weiße Kätzin, die Jungen zu beruhigen.
Flammenwind kuschelte sich tiefer ins Heu.
Fast schon fühlte er sich wie in einem Clan.
Raven war zusammen mit der Mutter der drei Jungen, Sandy unterwegs und Minni und er sollten auf die kleinen Kätzchen aufpassen.
Also hatten sie es sich auf einem Heuhaufen gemütlich gemacht und Minni hatte den drei versprochen, ihnen eine Geschichte zu erzählen.
,, ...er kam abends nicht zurück und ein paar suchten nach ihm. Manche Katzen meinen, er wäre unter die Pfoten des riesigen Monsters gekommen, das hier den Weizen holt gekommen. Andere meinen, er wäre in den Fluss gefallen und ertrunken.
Doch keiner konnte ihn finden.
Ein paar Katzen behaupten, Schattens Geist hier in der Scheune gesehen zu haben, der nachts hier herumläuft und schmerzerfüllt jault", beendete Minni ihre Geschicht mit tiefer, rauer Stimme.
Maus stieß ein herzzerreißendes, ängstliches Miauen hören, während Rotkehlchen und Stachel Minni fasziniert anschauten.
,,Noch eine!", verlangte die braunrote Kätzin, doch Flammenwind stand kopfschüttelnd auf.
,,Nichts da! Das sind eigentlich keine Geschichten für so junge Katzen wie euch."
Dafür fing er sich zwei enttäuschte und einen erleichterten Blick ein.
,,Stimmt es, dass du eine Clankatze bist?", miaute Stachel plötzlich unvermittelt.
Diese Frage traf Flammenwind sehr unerwartet und er taumelte ein wenig zurück.
Nein. Er war verbannt. Er war ein Verräter. Er war es nicht würdig, so genannt zu werden.
Stumm schüttelte der rote Kater den Kopf, entschuldigte sich murmelnd für einen Augenblick und sprang dann die Heuballen nach oben.
Zwischen dem Dach und dem einem höher gelegenen Boden fand er eine offene Stelle, ein Fenster, wie ihm Raven erklärt hatte.
Dieses war allerdings nicht verschlossen und zeigte keine Anzeichen von ,,Glas", wie Raven es genannt hatte.
Flammenwind legte sich seufzend hin und starrte die Sonne an, die langsam auf den Horizont zu sank.
Als diese gerade ihre ersten Strahlen hinter den Horizont senkte, spürte er auf einmal die Anwesenheit einer weiteren Katze und Ravens Duft hüllte ihn ein.
,,Minni hat es mir erzählt. Willst du darüber reden?"
Flammenwind schüttelte den Kopf und war froh, dass die schwarze Katze nicht mehr nachfragte.
Das Schweigen zwischen den beiden war nicht unangenehm, sondern sagte alles, was man nicht in Worten ausdrücken könnte.
Zusammen schauten sie der Sonne zu und als diese ihre letzten Strahlen hinter die Bäume schickten und die ersten Sterne erschienen, stand Flammenwind auf und streckte sich kurz.
,,Wollen wir gehen?", fragte er und wünschte, er hätte das gemütliche Schweigen länger gewahrt.
Es war, als hätte er eine Blase voller Ruhe und Frieden mit den scharfen Krallen seiner Worte zum Platzen gebracht.
Falls Raven das auch so sah, ließ sie es sich nicht anmerken und stand ebenfalls auf.
,,Klar, warum nicht?"
Zusammen liefen sie zum Platz, an dem sie ihre Nester hatten und die schwarze Kätzin leckte sich kurz eine ihrer weißen Pfoten.
Auch Flammenwind unterzog sich einer kurzen Wäsche und rollte sich dann im Nest zusammen.
Er war schon im Halbschlaf, als er spürte, wie Ravens Nase sein Ohr berührte und sie noch leise flüsterte: ,,Schlaf gut."
Sie blieb noch kurz an seinem Ohr, als ob sie noch etwas sagen wollte, dann entschied sie sich wohl allerdings dagegen und zog sich zurück.
Flammenwind spürte, wie kleine Funken von seinem Ohr aus durch seinem Körper sprühten und ihn mit Wärme durchströmten.
Er wusste, dass das eigentlich komplett falsch war, doch er konnte nichts dagegen tun: er hatte das Hauskätzchen zu sehr ins Herz geschlossen, um es noch aus seinem Leben wegdenken zu können.

Flammenpfotes Bestimmung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt