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• Canyon City - Ring •

Ein paar Tage später saß Yashar gerade an den Chemiehausaufgaben, als es an seiner Tür klopfte. Sie ging auf, bevor er überhaupt reagieren konnte.

Asena schaute ins Zimmer. Sie sah noch ein wenig müde aus. »Hey«, murmelte sie verschlafen und lächelte dabei. Ihre dunkelbraunen Locken standen in alle Richtungen ab. »Ich hab' gar nicht gehört, dass du Heim gekommen bist. Ist alles in Ordnung?«

»Ich hab' versucht leise zu sein.«

Sie lächelte und dieses Lächeln zerbrach Yashar beinahe das Herz. Es sah aus wie das seiner Mutter. Es sah aus wie das Lächeln, mit dem sie ihn immer angesehen hatte, wenn sie stolz auf ihn war. Er riss den Blick von Asena los und starrte die Hand an, die seinen Kulli so fest hielt, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Yashar hatte gewusst, dass Asena die Spätschicht im Krankenhaus gehabt hatte und nach der Arbeit am Morgen immer schlief. Er wusste auch, dass sie noch schlafen würde, wenn er nach Hause kam - weil es immer so war -, also hatte er sich Mühe gegeben, leise zu sein, als er auf sein Zimmer gegangen war.

Miguel war nicht da, aber das war nichts Besonderes. Unter der Woche war er meistens nicht da. Er hatte ein Zimmer in einem Wohnheim, das direkt auf dem Campus der Uni war, an der er studierte und kam nur über das Wochenende, über die Feiertage oder für besondere Anlässe. Also waren Asena und Yashar unter der Woche meistens alleine.

»Darf ich reinkommen?« Asenas Stimme klang so wie auch ihr Gesichtsausdruck war: liebevoll. Yashar nickte bloß, ohne aufzuschauen. Er tat so, als würde er über die Aufgabe grübeln, an der er gerade saß, dabei waren seine Gedanken überall, nur nicht bei Chemie.

Asena trat in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich und im nächsten Moment stand sie hinter ihm und schaute auf sein offenliegendes Schulbuch.

Sie seufzte theatralisch. »Chemie?«

»Mhm«, machte Yashar, weiterhin, ohne den Blick zu heben.

»Hör mal«, sie legte ihre Hände auf seine Schultern und massierte sie leicht. Das war eine typische Asena-Sache; etwas, das sie immer tat. Er hatte es auch bei ihr und Miguel beobachtet.

Am Anfang war er immer zusammengezuckt, wenn Asena ihn berührt hatte, aber irgendwann hatte er sich daran gewöhnt und - auch, wenn er es niemals zugeben würde - irgendwie gefiel es ihm. Asena war jemand, der andauernd körperlichen Kontakt suchte. Wahrscheinlich merkte sie es selbst nicht. Yashar erinnerte auch das an seine eigene Mutter. Sie waren sich in so vielen Dingen so ähnlich, dass es ihm fast schon wehtat.

»Können wir reden? Über die Schule?« Sie trat zurück und ließ sich schließlich auf seinem Bett nieder. »Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Naja, du weißt schon, die Sache mit der Nachhilfe. Ich finde, du solltest es machen. Miguel kann an der Uni einen Aushang machen.«

Yashars erster Gedanke war es, wie immer, abzulehnen, aber Asena ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Wenn du ablehnen willst, weil du das alleine packst, dann okay, aber tu das nicht für mich. Ich möchte, dass du Nachhilfe nimmst. Ich möchte, dass du einen guten Abschluss kriegst. Ich möchte, dass dir alle Türen offen stehen und du am Ende das tun kannst, was du liebst. Wenn das alles also an Chemie scheitern sollte, dann wäre das ziemlich traurig, oder?«

Das erste Mal seit sie sein Zimmer betreten hatte, drehte er sich um und sah sie an. Sie lag auf seinem Bett und starrte an die Decke, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Als sie seinen Blick zu spüren schien, drehte sie das Gesicht in seine Richtung und lächelte mit den Augen.

Yashar wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er wusste, dass er keinen Nachhilfelehrer wollte, aber er wusste auch, dass Asena recht hatte. Was genau er nach der Schule machen wollte, wusste er noch nicht ganz sicher, aber er hatte einige Optionen, die er sich gerne offen halten würde und um dies zu tun, mussten seine Noten stimmen.

Asena spürte sein Zögern und nutzte die Gelegenheit aus. »Ich kann ja mal mit Miguel reden. Vielleicht meldet sich ja auch niemand auf die Anzeige. Und wenn doch, dann kannst du deine Meinung immer noch ändern, hm? Was sagst du dazu?«

Ihre Stimme schien ihn zu umarmen. Sie war wie eine warme Decke, die ihn umhüllte.

Yashar schluckte. Er dachte nicht lange nach und nickte schließlich. »Okay.«

»Super!«, rief sie und klatschte fröhlich in die Hände, dann schaute sie sich in seinem Zimmer um, als wäre sie das erste Mal hier. »Hast du etwas am Wochenende vor? Ich habe frei und dachte wir beide könnten uns Samstagabend Pizza bestellen und einen Filmabend veranstalten. So etwas magst du doch, oder?«

Yashar liebte so etwas. Er wollte schon zusagen, als ihm die Party wieder einfiel, und er zögerte. Asena bemerkte es sofort. »Oh, du hast etwas vor? Schätzchen, das ist völlig in Ordnung. Geh ruhig. Du hast wahrscheinlich sowieso mehr Spaß mit Leuten in deinem Alter, als mit mir.« Sie lächelte, aber dieses Mal erreichte das Lächeln nicht ihre Augen, egal wie sehr sie sich auch darum bemühte.

Er schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, hätte ich mehr Lust darauf, Filme zu schauen und Pizza zu essen.« Und das war nicht gelogen. An sich hat er nichts dagegen, feiern zu gehen. Manchmal gefiel es ihm sogar richtig gut, einfach mal mit Freunden rauszugehen und was zu trinken, aber dieses Mal war ihm wirklich nicht danach, das Haus zu verlassen.

Asenas strahlendes Lächeln kam zurück. Noch strahlender als zuvor. Es wirkte wieder echter, als sie ihn mit leuchtenden Augen ansah. »Wirklich?«

Yashar musste lächeln, als er seine Tante so voller Vorfreude sah und nickte.

Sie sprang auf und kam auf ihn zu, um ihn in den Arm zu nehmen. »Ich freue mich schon auf Samstagabend.« Sie strich ihm noch ein letztes Mal durch die Haare, bevor sie zur Tür ging. Kurz davor blieb sie noch einmal stehen und drehte sich zu ihm um. »Ach und Yashar? Ich bin froh, dass du dich so gut hier eingelebt hast.« Sie wartete keine Reaktion ab, sondern verließ einfach das Zimmer.

Behind His Smile | boyxboy [PAUSIERT] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt