»Mylady, der neue Wächter ist hier«, erklärte mir mein Kammermädchen und ich nickte abwesend. Bis ich realisierte, dass ich hinunterkommen musste. Seufzend erhob ich mich. Als würde es einen Unterschied machen, wer mir die Türen vor der Nase verschloss.
Ich lief eine Treppe hinunter und bog in die erste Tür. Mein Haus war nicht groß. Zwei Stockwerke und ein Keller, doch für mich und meine Damen reichte es. Und offizieller Besuch kam nicht häufig.
Er war hübsch, unerwartet hübsch und er kam mir bekannt vor. Langsam ging ich zu ihm und er wandte ebenso langsam seinen Kopf zu mir. Ich hielt ihm meine Hand hin und er erhob sich rasch. Er hauchte einen leichten Kuss darauf und nahm dann wieder Platz. »Wer seid Ihr?«, fragte er und musterte mein Gesicht. Ich faltete meine Hände und erwiderte seinen prüfenden Blick.
»Hat Euch das der König nicht gesagt?«, fragte ich. Für mich kam es nicht in Frage, irgendwelche Spielchen mit ihm zu spielen. Wenn der König meinen Namen für sich behalten hat, sollte mir das nur Recht sein. »Seine Majestät sagte, Ihr würdet mir alles erklären«, erwiderte er und zuckte mit den Schultern. Vorsichtig tastete ich nach seinen Gedanken, aber ich konnte keine Lüge entdecken. Verbittert verschränkte ich die Arme.
»Ihr seid hier, um mich einzusperren. Mir ist es verboten, das Grundstück zu verlassen«, erklärte ich und presste die Lippen zusammen. Ich verabscheute es, zugeben zu müssen, dass ich die Gefangene des Königs war. »Ihr seid nicht von hier«, stellte er fest und ich spitzte die Lippen. Es gab genügend Gründe mich zu missachten, da musste er nicht auf meinen ausländischen Hintergrund zurückgreifen. »Es wird Euch ein Zimmer gezeigt werden«, erklärte ich und erhob mich. Er tat es mir nicht nach und ich zog eine Augenbraue hoch. »Wer seid Ihr, weswegen ich Eure Befehle befolgen sollte?«, fragte er leise und ich wandte mich überrascht um. Alles Anmaßende und Fremde war von ihm gefallen. Da stand mein kleiner Bruder, der sich nicht mehr an mich erinnerte.
»Niemand, Hauptmann. Merkt Euch, ich bin niemand«An Seine Majestät den KönigIch weiß, dass ich Euch erzürnt habe, und bitte nochmals untertänigst um Verzeihung. Ich habe meine Strafe, wie Ihr es verlangt habt, bereits verbüßt. Deshalb sehe ich keinen Anlass, mich mit der Anwesenheit meines Bruders zu strafen.
Bitte lasst mich wissen, was notwendig ist, damit Ihr ihn versetzen lasst. Was immer es ist, es wird Euer sein. Lacrima
Es war mir klar, worum mich der König bitten wird. Vielleicht war das der einzige Grund, warum er Elisei hierher holte. Damit mich noch fester im Griff hatte, als es ohnehin schon der Fall war. Damit ich noch mehr Adeligen den Kopf verdrehen und Gefangenen Geständnisse aufzwingen konnte.
Als er mich nach meinem achtzehnten Geburtstag als Magierin an den Hof holte, glaubte ich, im Himmel gelandet zu sein. Gerade mich hat er erwählt. Obwohl am Hof doch sonst keine Magier geduldet wurden. Aber der König hatte schnell begriffen, wie nützlich es war, die Gedanken des Hofes auffangen zu können und sie je nach belieben zu verändern. Solange man jemanden hatte, der das alles blindlings für einen Erledigte. Das war ich. Hätte ich am Hof nicht so viele Fehler gemacht, wäre ich jetzt vielleicht noch eine freie Frau. Oder zumindest so frei, wie man im Dienste dieses grausamen Mannes sein kann.
Nun war ich eingesperrt in diesem Haus und wurde nur hinausgelassen, wenn der König meine Fähigkeiten im Kerker einsetzen wollte. Dabei interessierte es ihn nicht, wie viel Blut und Leid ich sehen musste. Ich sollte mich glücklich schätzen, dass er nichts anderes von mir verlangte, als Spionage. Hoffentlich zwang er mich zu nichts anderem. Mit meinem Bruder an meiner Seite war ich ihm hilflos ausgeliefert. Ich durfte nicht riskieren, dass Elisei verletzt wurde.
Entschlossen drückte ich der Wache vor der Tür den Brief in die Hand, öffnete meinen Mund und schloss ihn wieder. Alle wussten, dass ich ausschließlich Briefe an den König schreiben durfte. Es war nicht notwendig, dass nochmal zu betonen. Verärgert stampfte ich die Stiegen hinunter und ließ mich im Speisesaal nieder. Elisei beobachtete mich mit hochgezogenen Augenbrauen, aber ich beachtete ihn nicht weite.
»Sir Elisei« als mir sein Blick zu lästig wurde, nickte ich ihm doch zu. »Woher kennt Ihr meinen Namen?«, fragte er verblüfft und ich biss mir auf die Zunge. »Der König gab mir anscheinend mehr Informationen als Euch«, log ich bissig, obwohl er mir nichts getan hatte. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich so leichtsinnig war und seinen Geburtsnamen verwendet hatte. Wütend auf den König, weil er mich grundlos bestrafte. Wütend auf ... ja da endeten die Dinge auch schon, auf die ich wütend sein konnte.
Sein Blick lag immer noch offen auf mir. Die Menschheit würde an ihrer Neugierde noch zu Grunde gehen. Seine offene Seele war eine Einladung. Sanft schob mich in sein Unterbewusstsein. Schwach nahm ich wahr, wie er sich gegenüber von mir entspannte. Anscheinend hatte ich in den letzten Jahren kaum Fähigkeiten eingebüßt. Es war etwas anderes sich in Köpfen von Gefangenen zu bewegen, die genau wussten, was mit ihnen geschah. Jemanden im Geheimen in seine Erinnerungen zu blicken, erforderte bereits mehr Fingerspitzengefühl.
Verschiedene Erinnerungen flogen mir zu. Zuerst die vom Militär. Vielleicht, weil er gerade im Dienst war. Seine Intention zum Militär zu gehen war sicherlich nicht, Magier zu bewachen. Als Nächstes flogen mir Bilder von Mädchen entgegen. Anscheinend Prostituierte. Verdammte Soldatenbräuche. Als ich für den König Soldaten ausforschte, stieß ich immer wieder auf diverse Bordelle. Ein anderes Mal würde ich genauer nachsehen, ob sich da nicht jemand verbarg, den er wirklich gern hatte.
Die Vorspeise verlief schweigend und langsam sollte ich mich beeilen. Desto tiefer ich in sein Unterbewusstsein eindrang, desto unruhiger wurde er. Die Erinnerungen an seine Schwester hatte er anscheinend ganz weit unten vergraben. Unsere Eltern waren schnell gefunden. Beinahe hätte ich mich zurückgezogen. Meine Mutter hatte an Gewicht verloren und alles das Elisei mit unserem Vater verband, war Alkohol. Wenn er in meinen Kopf sehen könnte, wären da ganz andere Sachen. Aber ich konnte noch immer nichts über mich finden.
Bis ich auf einige verstaubte Seiten stieß.
Die zerrissen waren.
Besorgt blies ich den Staub herunter. Von früher konnte ich mich an ähnliche Verletzungen erinnern. Ich kam nicht weiter, da Elisei plötzlich aufsprang. Erschrocken griff ich mir an meinen Kopf. Mir wurde schlecht. Mit letzter Kraft stemmte ich auch auf die Beine und warf Elisei einen wagen Blick zu. Hatte ich mich bereits an meinem ersten Tag verraten? Sollte mich mein Bruder beim König verraten, war er so gut wie tot. Der König konnte es nicht ausstehen, dass ich eine Magierin war. Obwohl es ihm bisher immer zu Nutzen war.
»Bitte entschuldigt mich, Mylady«
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Weil du mir gehörst
FantasyAbgeschlossen Schön, dass du deinen Weg zu mir gefunden hast. Ich möchte eine Geschichte mit euch teilen, die uns daran erinnern soll, das man vorsichtig sein sollte, wenn man Wünsche ausspricht. Denn manchmal gehen sie in Erfüllung. Das wundervo...