Kapitel 9

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»Nein!«
»Dann wirst du weiterhin eine Hure sein« Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, um es zu widerlegen. Aber er sagte die Wahrheit. »Auch wenn ich nur dazu da bin, um in Euer Bett zu kommen, wenn Ihr mich ruft, ist das mehr, als ich den letzten fünf Jahren hatte«, erwiderte ich genauso ehrlich und der Prinz wandte sich um. Da war eine unbändige Leidenschaft in seinem Blick und Schuld und Freude und da war so viel, dass ich nicht benennen konnte. Einen Moment wandte er sich ab, aber ich legte die Hand an seine Wange und zwang ihn, mir in die Augen zu sehen. »Ich würde niemals in Euren Kopf eindringen, Hoheit«, versprach ich ihm und er atmete langsam aus. »Ann hat in den letzten Tagen von nichts anderem gesprochen«, er griff an meine Taille und zog mich an seine Brust. »Ich hätte mich nicht manipulieren lassen dürfen. Ich weiß, dass du es nicht tun würdest« Ich schmiegte meinen Kopf an seine Brust und er drückte mich so fest an sich, dass es beinahe weh tat.
Als ich beinahe erstickte, drückte ich mich von ihm los und küsste seinen Kieferknochen. Ungeschickt begann er die Schnüre an meinem Rücken zu lösen, während ich ihm sein Hemd über den Kopf zog. »Ich wollte dir nicht weh tun, als ich unseren Sohn gestern im Schloss behalten habe«-»Ihr lügt, Hoheit« Er hob mein Kinn an und einen Moment lang war in seinem Blick so viel Zorn zu sehen, dass ich zurückgeschreckt wäre, hätte er mich nicht selbst gehalten. »Sieh nach«, forderte er und ich hob überrascht die Augenbraun. Angst, Freude mischten sich in seinen Augen, aber er meinte es vollkommen ernst. »Ich sehe, dass Ihr es wollt. Aber würdet Ihr es morgen auch noch wollen?«- »Sieh hin, warum ich ihn nicht gehen lies« Er dachte selbst daran und die Wut, die in seinen Augen stand, machte es umso spannender für mich.
Ich war so wütend. »Liebling. Wenn du deinen Sohn weiterhin zu ihr lässt, wird sie ihn gegen dich aufbringen«-»Du machst dich lächerlich, Ann« Ich war die ewige Diskussion um Lacrima leid. Hätte Ann mir nur die geringste Chance gegeben, wäre ich bei ihr geblieben. Aber sie hatte sich selbst als unfruchtbar abgestempelt, obwohl sie wusste, dass ich meiner Geliebten noch immer zugetan war. »Wenn du den Jungen weiterhin zu ihr schickst, schreie ich von allen Häuserdächern, dass du deine Hure anstelle deiner Frau nimmst«-»Das würdest du nicht wagen!« Ihr spöttisch Lächeln war Antwort genug. »Versprecht mir, dass ich nicht Eure Hure sein werde« Dieses Versprechen verfolgte mich. Aber habe ich sie nicht längst dazu gemacht? Als ich sie die letzten fünf Jahre in ein Haus einsperren lies, damit sie jederzeit zur Verfügung stand? Wenn ich sie einfach nehme, ohne daran zu denken, dass sie vielleicht schwanger wird und sie das gar nicht möchte, weil ich ihr ihren Sohn weggenommen habe? Oder wenn sie einfach im Bett liegen lasse und davon ausgehe, dass ich sie genau dort wiederfinden werde?
Für einen Moment war ich sprachlos, als ich meine Fingerspitzen zu seinen Schultern gleiten ließ. Ich dachte nicht, er würde sich daran erinnern. Für mich ist es klar geworden, dass ich trotz allem seine Hure war. Im Endeffekt war ich das, seit ich ihm das Erste mal begegnet war. »Ich glaube, ich habe dich erst begonnen zu lieben, als du weg warst. Wenn ich zu dir ins Haus gekommen bin und du mir zu gehört hast« Ich lächelte und fuhr mit meinem Daumen über seine Unterlippe.
»Ich kann mich von Ann nicht scheiden lassen«, stellte er fest und ich sah die Wut in ihm aufblitzen, »aber ich kann mich bemühen, dir mir als meinen Beischlaf zu geben« Ich starrte in einen Moment mit offenen Mund an, bevor er sich herunter beugte mich stürmisch küsste. »Ein anderes Mal freue ich mich über mehr als Beischlaf, Hoheit. Aber im Moment...« Ich öffnete die Schnüre an meinem Rücken selbst, damit er mir das Kleid von den Schultern streifen könnte. »Ich könnte Ann in ein Kloster stecken, wenn du es möchtest, Lacrima?«-»Ich wünsche der Prinzessin nichts Schlechtes« Er hielt einen Moment inne und fuhr über meinen Wangenknochen. Seine Frau war bedauernswert, denn dieser Mann war ein Geschenk und sie war blind, wenn sie das nicht erkannte. »Nein«, stimmte er zu und küsste mich sanft auf die Stirn. »Und das ist bewundernswert«»Wo bringt ihr mich hin, Hoheit?«, fragte ich und hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten. Nachdem wir meine Gemächer verlassen hatten, stand mein Bruder mit verschränkten Armen vor der Tür, aber in der Anwesenheit des Prinzen getraute er sich nicht, mit mir zu schimpfen. Denn ihm war anzusehen, dass er wegen irgendetwas wahnsinnig wütend war. Er zog mich immer weiter, bis wir schließlich vor den königlichen Kinderzimmertrakt standen. Ohne zu zögern öffnete er die Tür und von Innen war leises Murmeln zu vernehmen. Als mich der Prinz an der Hand mithinein zog, verschlug es mir für einen Moment die Sprache. Mein Sohn war richtig groß geworden.
»Mama!«, er sprang von seinem Stuhl auf und ich presste verzweifelt die Hand vor die Lippen. Ich musste ihn seit Monaten nicht mehr gesehen haben. Ich öffnete meine Arme und er lief mit solcher Wucht hinein, dass wir beide umfielen. »Es tut mir leid, dass ich Euch schon so lange nicht mehr besucht habe« sagte er und drückte sich noch fester an mich. Wieso soll er daran Schuld sein?
»Der Prinz sollte bald zu Bett gehen«, sagte eine strenge Stimme im Hintergrund und ich erhob mich eilig. Mein Sohn tat es mir nach und beugte den Mann argwöhnisch. Als er zu mir hochsah, fing ich seinen Blick auf und spürte sofort seine Angst und die Abneigung gegen diesen Mann in seinen Augen. »Ich dachte, es sei eine nette Überraschung, wenn der Kronprinz seine Mutter sehen könnte«, verteidigte sich mein Geliebter ungewohnt heftig und der alte Mann verbeugte sich ungelenkig. Mir wäre es nicht aufgefallen, dass es schon so spät war, aber ich sah ein, dass der Junge schlafen musste. Doch er wollte mich noch nicht gehen lassen. Er zeigte mir Zeichnungen und Spielzeuge und hörte nicht mehr auf, mir etwas zu erzählen. Seinen Vater ignorierte er vollkommen.
»Mylady«, die Stimme des Alten durchschnitt erneut das Zimmer und ich richtete mich auf. Gerade hatte er mir ein Bild von einem Baum gezeigt. Ich küsste mein Baby auf die Stirn und ich merkte, dass er nicht wollte, dass ich ging. Er sollte bei mir sein dürfen. Der Prinz schien es ebenfalls gemerkt zu haben, denn er drückte dem Jungen die Schultern. Doch der Blick des alten Mannes war so bohrend, dass ich mich beeilte aus der Tür zu kommen. Ich wollte mich umwenden, um meinem Kind eine gute Nacht zu wünschen, als mich der Blick seines Lakai traf. Es gab mir einen Stich und ich griff mir an die Schläfen. Zum Glück schloss der Prinz die Tür und der Blickkontakt wurde abgebrochen.
»Unser Sohn hat Angst vor diesem Mann«, sagte ich in die entstandene Stille hinein und der Prinz seufzte auf. »Jeder hat vor diesem Mann Angst. Aber Vater weiß keinen anderen Lehrmeister« erwiderte er und streichelte mir über die Wange. Ich erwiderte stumm seinen Blick, denn es lag auf der Hand, welche Lehrmeister es gäbe. Denn ich habe über hunderte von Leben für den König durchforstet. Mehr Erfahrung konnte man nicht haben. Er bräuchte keinen Lakaien der über ihn wacht, wenn er eine Mutter hatte, die ihn liebte. Und ich liebte meinen Sohn. »Wollt Ihr, dass ich hierbleibe?« fragte ich bemüht mir meine Gedanken nicht anmerken zu lassen. »Dein Hauptmann wird Fragen stellen« - »Ich werde nichts sagen, Hoheit« Er seufzte auf und nickte, bevor er mich zum Wachzimmer geleitet. Ich hätte so gerne mit ihm über die Möglichkeit gesprochen, wie wir unserem Sohn helfen könnten, aber seine Zweifel waren zur Zeit übermächtig. Solange das Prinzessin Ann davon überzeugt war, ich bin das Schlechteste für meinen Sohn, hatte ich keine Chance ihn zu mir nehmen zu dürfen.

Weil du mir gehörstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt