»Ihr seht wunderschön aus, Mylady« - »Lasst Euch nicht umgarnen, Kommandant. Ihr wärt nicht der Erste, der aufgrund dieser Hexe am Galgen baumelt« Elisei hob amüsiert seine Augenbrauen und hielt mir die Tür auf. Wer immer dieser Wachmann war, er wusste zu viel. Niemand durfte von meinen Fähigkeiten erfahren. Das war Teil meiner Abmachung mit dem König.
Nachdem wir uns in den tiefen der Geheimgänge befanden, reichte man Elisei eine Fackel. Klug, mir kein Licht zu geben. Damit müsste ich ohne Licht türmen. Kopfschüttelnd schritt ich voran, umringt von Wachen. Diese Gänge waren feucht und schmutzig und ich musste auf mein Kleid achten, damit es bei meiner Ankunft nicht völlig verdreckt war. Es dauerte gefühlte Stunden bis wir endlich die Treppe zum Schloss hochstiegen. Elisei schien das Rad neu erfinden zu wollen. Die Male, dich bis jetzt hier unten durch schleichen musste, konnte ich an einer Hand abzählen. Bisher war ich bei einer Kutschenfahrt noch nie getürmt.
»Ihr seid spät« unsere Schar verbeugte sich, doch der König sprach nur zu Elisei. »Verzeiht, mein König. Aber Ihre Ladyschaft brauchte länger als gedacht« entschuldigt sich mein Bruder und verbeugte sich abermals. Ich reckte mein Kinn. »Kommt«, er winkte mich zu sich heran und führte mich durch das Labyrinth an Gängen. Es war noch genauso wie vor fünf Jahren. Die orientalischen Teppiche an den Wänden waren noch die Gleichen. Der Mamorfußboden war derselbe. Als schien die Zeit in meiner Abwesenheit stehen geblieben zu sein. Aber was hatte ich erwartet? Die Kerker zwei Stockwerke tiefer hatten sich auch nicht verändert. Der Geruch nach Verrat und Auflehnung hat sich lediglich in den Mauern festgesetzt. Der König führte mich in den großen Sitzungssaal und als mich der Prinz sah, leuchteten seine Augen einen Moment auf.
Er stand am anderen Ende des halbrunden Raumes und es waren schon einige Menschen versammelten, die an den im Halbkreis angeordneten Tischen platzgenommen hatten. Ich folgte dem König und alle Menschen sprangen auf und verbeugten sich. Als ich endlich neben dem Prinzen stand, fühlte ich mich sicherer. Der König jagte mir Angst ein.
»Wem soll ich mir ansehen?«, fragte ich und sah die beiden Männer abwartend an. »Wir wollen die Reaktionen auf unsere Verkündung erfahren« - »Verzeiht, aber ich kann mich nicht auf alle Anwesenden gleichzeitig konzentrieren« Das ausspionieren von völlig ausgelaugten Gefangenen konnte man nicht vergleichen mit einem Saal voll vorsichtiger Adeliger. Ich war aus der Übung. Der König stieß verärgert Luft aus, doch der Prinz streifte unauffällig meinen Handrücken. Sie stellten mir drei Männer vor, die ich mir besonders anschauen sollte. Unter anderem den Bruder des Königs.
Anschließend führten sie uns in einen der größeren Salons. Ich wollte mich in eine der Ecke verdrücken, aus der ich einen guten Blick auf die Adeligen hatte, ohne das selbst zu sehr auffiel. Aber Prinz griff nach meiner Hand und hielt mich fest. Ich sah zu ihm hinüber und hätte beinahe meinen Einsatz verpasst.
»Es tut mir leid verkünden zu müssen, dass die Eltern Ihrer königlichen Hoheit Prinzessin Anne verstorben sind«, rief der König und schlagartig kehrte Stille im Raum ein. Für einen Moment setzten auch meine Gedanken aus, aber ich hatte mich schnell gefasst und suchte die Augen des Bruders und die, der anderen beiden Männer.
Der Bruder des Königs war wenig betroffen, wenn nicht schon gleichgültig. Ihm bedeuteten unsere Verbündeten nichts. Seine Gedanken drehten um eine Frau und in eine Richtung, die ich nicht näher verfolgen wollte. Wahrscheinlich mit Absicht, denn er hatte mich ganz bewusst angesehen, und kannte meine Gabe.
Der erste Mann war ein gutaussehender Blondhaariger. Mit grünen Augen und einer dunklen, mit Samt ausstaffierte Robe. Er war durchaus betroffen, dachte aber sofort weiter. An die Prinzessin. War da ein Fünkchen Liebe für sie? Ich wollte schon tiefer graben, als ich den Blick des dritten Mannes auf mir Ruhe spürte.
Er war bei weitem nicht so attraktiv. Sein Haar war bereits ergraut, seine Augen stumpf und sein Geist voller Misstrauen. Ihn überraschte der Tod nicht. Er nahm ihn mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis. Dieses Mal grub ich weiter und stieß auf eine Mischung zwischen Ablehnung und Hass. Doch er hatte alles so tief in sein Unterbewusstsein geschoben, dass ich kaum hindurch kam. Das war eine Baustelle für einen anderen Tag.
Ich huschte nochmal zurück zum Blondhaarigen und als er sich endlich wieder zum König wandte, fing ich noch mehr auf. Er wollte der Prinzessin helfen. Wie wusste er noch nicht, aber er wollte sie auf jeden Fall trösten. Doch Liebe war da wahrscheinlich nicht im Spiel. Eher eine tiefe Zuneigung, die aber kein sexuelles Verlangen mit sich brachte.
»Mit Sicherheit haben Sie alle Verständnis dafür, dass sich die Prinzessin für eine Weile zurückzieht« mein Blick glitt zum König, der den Hof herausfordernd ansah. Das war keine Kundgabe, sondern eine Warnung. Niemand sollte seiner Schwiegertochter zu nahe kommen. Der Prinz bot mir seinen Arm an und ich hakte mich dankbar unter. Mein Kopf schwirrte noch von den ganzen Gedanken der Männer. Der König führte uns aus dem Saal und ich auch ohne mich umzudrehen, hörte ich Schritte, die uns folgten. Ungewöhnlich. Wer wagt es, direkt nach dem König zu gehen? Kopfschüttelnd begab ich mich mit den anderen in das Arbeitszimmer des Königs und nahm neben dem Prinzen platz, der mich sofort für einen Kuss an sich zog. Seine Lippen waren weich auf meinen und ich konnte spüren, dass er mich beruhigen wollte. Trotzdem war es unangenehm vom König dabei beobachtet zu werden.»Wie kannst du es wagen, sie in meinen Gedanken lesen zu lassen«, brüllte der Bruder des Königs plötzlich und ich fuhr zurück und wandte mich zu ihm um. »Ah, Bruder. Eigentlich wollte ich nur eines wissen, Lacrima« er wandte sich mir zu »War mein Bruder bei der Sache?« Einen Moment zögerte ich noch, aber schließlich schüttelte ich den Kopf. Er dachte einfach an zu ekelhafte Dinge, um ihn zu schützen. »Haben Euch meine Vorstellungen gefallen, Lacrima?« - »Ich hoffe, mich niemals in Eurem Bett wiederzufinden, Marcel« der König brach in schallendes Gelächter aus und mein Geliebter zog mich eine Spur enger an sich. Es war kein Geheimnis, das Marcel mich verführen wollte. Aber mehr aus Jux, als aus Liebe.
»Am gleichgültigsten war Marcel. Der Grauhaarige empfand große Freunde, irgendetwas persönliches stand zwischen ihm und der Königsfamilie. Der Blonde hingegen, machte sich große Sorgen um die Prinzessin« - »Geht das auch genauer?« Ich seufzte auf. Da war so viel gewesen, dass ich in diesen wenigen Augenblicken nicht genau erfassen konnte. Die beiden reagierten, wenn auch auf sehr unterschiedliche Arten, stark auf diese Offenbarung. Da strömten so viele Gedanken auf mich ein, dass ich sie nicht kontrollieren konnte. »Wonach suchen Ihr, königliche Hoheit?« - »Hat irgendjemand der beiden etwas mit dem Tod des Königspaares zu tun?« Ich zuckte zusammen und gab mir alle Mühe, dass entstandene Chaos aus herumwirbelnden Gedanken zu kontrollieren. Aber ich war wirklich eingerostet. Ich schüttelte stumm den Kopf. Es war etwas anderes völlig ausgelaugte Verbrecher, deren Erinnerungen an die Schandtaten meist schon kurz unter Oberfläche brodeln, ein Geständnis zu entlocken, als zwei gesunden, ihre Gedanken beherrschenden Männern in sekundenschnelle auszuhorchen.
»Das kann ich nicht beantworten«
»Wozu bist du dann hier?«
Ich öffnete verdattert meinen Mund und begegnete seinem angriffslustigen Blick. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. »Ihr habt mir nicht gesagt, dass ich nach einem Mord suchen sollte, königliche Hoheit« verteidigte ich mich. Selbst ihm musste klar sein, dass seine verordnete Isolierung meine Gabe geschwächt hatte.
Der König warf mir noch einen wütenden Blick zu, bevor er mit dem wenigen das er hatte, seine Besprechung fortsetzte. Ich wollte hier raus.

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Weil du mir gehörst
FantasyAbgeschlossen Schön, dass du deinen Weg zu mir gefunden hast. Ich möchte eine Geschichte mit euch teilen, die uns daran erinnern soll, das man vorsichtig sein sollte, wenn man Wünsche ausspricht. Denn manchmal gehen sie in Erfüllung. Das wundervo...