Kapitel 18

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»Ich will wissen, wieso du ihn ausgeschlossen hast« forderte er und strich über den Ansatz meines Nachtkleides. Egal, was zwischen uns kam, Sex führte uns immer wieder zusammen.
»Es geht ihn ganz einfach nichts an!«
»Das du mich liebst?«
»Das ich eine Hure bin«
Ich suchte die Ablehnung gegen diesen Begriff in seinem Blick, doch alles das fand, war das wallende, hellblonde Haar von Anastasia. »Überlegt Euch gut, ob Ihr dem Mädchen diese Naivität aus dem Blick ziehen wollt« ergriff ich wieder das Wort und der Prinz seufzte auf. Er legte seine Hand auf meine Brust und beobachtete, wie sich mein Herzschlag verschnellerte. »Hasst du sie?« - »Ich beneide sie um die Faszination, die sie auf Euch ausübt« Er zog seine Hand zurück und schob sie zu meinem Becken.
»Das wird keine Entscheidung zwischen euch beiden sein, Lacrima. Vergiss nicht, dass du meine Prinzessin bist«
»Es wir die Entscheidung Anastasias, ob sie Euch teilen will«
»Möchtest du mich teilen?«
»Ich kann hier nicht fort. Ich werde mich arrangieren, womit auch immer Ihr Euch wohlfühlt«
Ich presste meine Lippen zusammen und einen Moment lang dachte ich an Ann. Ob sie ihn auch so langsam und quallvoll verloren hatte. Wusste sie, dass er immer weiter in meine Arme abglitt und ließ sie es geschehen, weil es ihr gleich war. Oder konnte sie nur zusehen und hoffen, dass ich ihn fortschickte. Ich hoffte, dass Anastasia ihren Ruf schützen würde. Aber dem Prinzen zu widerstehen war, wie ein Leben lang keine Nachspeise zu bekommen. Niemand würde das wählen.
»Möchtest du, dass ich gehe?« fragte er und ich riss überrascht meine Augen auf. Seit ich denken kann, ging und kam er, wie es ihm beliebte. Ich ließ meinen Kopf zur Seite fallen und nickte langsam. Ich musste meine Wunden lecken und mich damit abfinden, dass er nicht mehr länger mir gehörte. Der Gedanke, er könnte mit einer anderen Frau lachen oder sie in den Armen halten, zeriss mich beinahe. Ich konnte seine Sorge spüren und würde ihn am liebsten dafür zwischen die Beine treten. Schade, dass er meine Gedanken nicht spüren konnte. Ich hörte, wie er sich anzog und presste meinen Kopf in das Kissen, um meine Tränen zu unterdrücken.
»Ich erwarte dich morgen im Schloss. Deine Ausbildung mit Corvilnius ist beendet« er ließ sich neben mir in die Matratze sinken und streichelte mir beruhigend über den Kopf. »Er setzt dir zu viele Flausen in den Kopf«
Da war es wieder. Die Art, wie man mit einem Menschen umsprang, dessen Wille nichtig ist und der sich nicht wehren konnte. 


»Hinaus aus meinem Schlafzimmer« brachte ich mühsam hervor und schlang meine Arme um mich selbst. Corvilnius lehnte im Türrahmen und versperrte mir somit jede Fluchtmöglichkeit. Meine Gedanken überschlugen sich und trieben mir Tränen in die Augen. Was gab ihnen allen das Recht mich wie ein Spielzeug zu behandeln. »Er hat dir wehgetan« stellte er fest und ich lachte bitter auf. Als würde er nicht jeden einzelnen Gedanken aufsammeln und das Puzzle in seinem Kopf vervollständigen. »Ihr müsst gehen, er wünscht es« flüsterte ich und Corvilnius schnaubte. »Soll er es versuchen« - »Er wird mich im Schloss einsperren« Er wird mich in seinem Bett einsperren. Corvilnius schüttelte langsam den Kopf und trat näher an mein Bett.
»Warum bist du nicht erleichtert, dass er dich verlässt?«
»Ich habe nichts außer ihm, Mylord«
»Du hast mich«
»Ihr habt deutlich gemacht, dass Ihr nichts mit einer Hure zu schaffen haben wollt«
Er setzte sich an meine Bettkante und legte eine Hand auf meine Wange. Er wartete, ob ich wehren würde, doch als ich mich nicht regte, zog er mich näher zu sich. So nahe, bis er seine Lippen auf meine drücken. Alles in mir begann zu prickeln und ich beugte mich ihn entgegen. Er schob seine Zunge sanft in meinen Mund. Ich zuckte zusammen, doch er vergrub seine Hand in meinem Haar und zog mich näher zu sich. Alles in mir begann zu summen und ich genoss den Zug in meinen Lenden.
Als er seine Stirn an meine legte und nach Atem rang, vernahm ich seinen Duft von Freiheit. Er ließ meine Haare nicht los, aber ich drückte ihn langsam aber bestimmt weg. »Ich habe vor Jahren eine Entscheidung getroffen« flüsterte ich und strich ihm ein seiner dunklen Strähne aus dem Gesicht. »Deshalb darf ich das jetzt nicht tun«, setzte ich hinterher und ließ mich in die Kissen zurückgleiten. Der Prinz würde ihn jagen, sollte er jemals erfahren, dass er sich einen Kuss gestohlen hatte. Aber wenn ich ihn jetzt nicht wegschicke, könnte ich nicht garantieren, dass es dabei blieb.
»Ich bin mächtig« - »Ich bin diese Macht nicht Wert«
Er blinzelte einige Male, bevor er sich auf mich rollte. »Du bist wunderschön« - »Daran wirst du dich sattsehen« Ich startete einen schwachen Versuch, ihn von mir wegzudrücken, doch er kam meinem Gesicht immer näher. Das Mondlicht brach sich in seinen Augen und ließen sie wie das Meer bei Nacht aussehen. Tosend und voller Geheimnisse. »Du willst das doch auch« - »Ich will, dass du sicher bist und glücklich wirst«
Er hauchte eine Reihe von Küssen auf meinen Hals und ich erschauderte. »So viel Angst« murmelte er und ich schluckte. Der Kloß in meinem Hals wurde plötzlich deutlich spürbarer und ich schüttelte den Kopf. »Geh jetzt und denk nochmal darüber nach« - »Ich werde dich mein restliches Leben für wunderschön und bezaubernd halten«
Sein Versprechen halte in mir wieder und entfachte ein Licht in mir in dieser dunklen Nacht. Die Nacht, bevor mich der Prinz zum Mittel seiner Politik machte. Morgen Abend würde ich nicht mehr hier sein. Wenn es sein musste, würde ich betteln, damit ich im Bett des Prinzen schlafen durfte. Ich musste mir verdeutlichen, dass das richtig war. Eliseis Leben hing an meinem Verhalten. Genauso wie das meiner Kinder. Ich legte meine Hand auf meine Bauchdecke und schluckte meine Tränen hinunter. Es war mein Kind. Dieses Mal würde ich es nicht kampflos aufgeben.
Ich sank vor dem Prinzen in einen tiefen Knicks und versuchte alle einströmenden Gedanken zurückzudrängen. In den zwei Wochen hatte ich viel gelernt. All dieses Wissen anwenden zu können werde ich mir selbst beibringen. »Was sagt Corvilnius?« fragte er mich und ich war versucht den Blick zu heben, aber da er es mir noch nicht gestattet hatte, ließ ich es sein. »Meine Ausbildung sei noch nicht abgeschlossen« erwiderte ich und der Prinz schnaubte verächtlich. Er reichte mir seine Hand und zog mich auf die Beine. »Er hatte mir etwas versprochen und es gebrochen. Ich sehe es in deinen Augen« - »Bitte nicht, mein Prinz. In letzter Zeit liest jeder alles in meinen Augen« Er brachte ein halbherziges Lachen zustande, bevor er sich wieder seinem Schreibtisch zuwandte. »Vor uns liegen einige Besprechungen« - »Ich bin bereit, wenn Ihr es seid« Den gesamten Nachmittag über dachte ich kein einziges Mal an Corvilnius, meine Kinder oder Anastasia. Alles, das ich wahrnahm, speicherte ich sofort in meinem Kopf und durch mein Training nahm ich jede Kleinigkeit wahr. Zum zum ersten Mal seit Wochen fühlte ich mich beachtet. Bei unserem Lunch berichtete ich dem Prinzen von meinen Einblicken und konnte beobachten, wie sich in seinem Kopf Rückschlüsse zogen, die ich wahrnahm, ohne ihn auch nur anzusehen. Es war, als wären wir uns so nahe, dass ich alles mit ihm mitfühlen konnte.
Ich keuchte auf, als plötzlich das Bild von Anastasias Lächeln durch seinen Kopf fuhr. »Lacrima« fuhr er mich an und ich sprang von meinem Stuhl auf. Er dachte an ihr Lächeln und an ihre Haut. »Was tust du in meinem Kopf« - »Ich habe Euch gewarnt, dass ich es nicht steuern kann. Starke Gedanken nehme ich einfach wahr!
Er fuhr sich durch die Haare und seufzte auf. Ich spürte die Schuld, die ihn überkam, wenn er auf mich herabsah und die Sehnsucht nach Anastasias Reinheit. Er hoffte, in ihr Frieden zu finden. »Wie ist es in meinem Kopf zu sein?« - »Seit dem ich unterrichtet wurde, ist es anders. Gedanken strömen auf mich zu. Es fühlt sich an, wie eine Einladung« erwiderte ich. Seine Wärme strömte auf mich über und mich überlief ein wohliger Schauer.
»Sag mir, was du denkst. Ich kann es nicht sehen« flüsterte er und zog mich auf die Beine. Er hob mein Kinn an und ich fixierte mich auf seine Neugierde. Blendete alle Regierungsgespräche, die ihm durch den Kopf spukten aus. »Werdet Ihr mich im Schloss einsperren, sollte Euch Anastasia gewähren lassen?« platzte ich heraus und starrte auf seine Brust. Was auch immer ihm jetzt durch den Kopf flog, es gehörte ihm. »Du bist jetzt Teil des Staatsapparats. Niemand wird dich jemals wieder irgendwo einsperren« murmelte er und ich schlang im selben Moment meine Arme um ihn. »Ich komme den Nachmittag über alleine zurecht. Geh zu unserem Sohn«
Ich unterdrückte einen Schrei und schob Corvilnius aus meinem Kopf. Der Prinz war der Vater meiner Kinder. Was auch immer ich mir wünschte, in dieser Affäre war ich sicher vor dem König und durfte zu meinen Kindern.

Innerhalb der nächsten zwei Wochen wurden wir beide zu wahren Meisterns des aneinander Vorbeilebens. Der Prinz ließ mich regelmäßig zu meinem Sohn und als Gegenleistung hielt ich mich so gut es ging von seinen Anastasia-Gedanken fern. Die guten Sachen zwischen uns blieben bestehen, da ich keine Szenen ihr betreffend machte. Er hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er über sie nicht mit mir sprechen würde.
Ich schloss leise die Tür hinter mir und sank vor dem Prinzen in einen Knicks. »Lacrima« seine Stimme klang gefährlich kühl und tastete vorsichtig nach seinen Gedanken. Und erfasste ... etwas Fremdes.
Das sich Anastasia nannte. Der Prinz reichte mir äußerst kurz seine Hand und betrachtete mich anschließend mit hochgezogenen Augenbrauen. »Ich bringe Euch Dokumente, mein Prinz« sagte ich schließlich leise und löste den Klammergriff um die Dokumentenmappe mit Niederschriften von den Gedanken der Hofgesellschaft. Ich begegnete für einen Moment Anastasias Blick und fing die Neugierde und ihre Überraschung auf. Sie schien meine Existenz wohl genauso verdrängt zu haben wie ich die Ihre.
»Habt Ihr sonst noch Wünsche, Hoheit?« fragte ich ungeschickt und biss mir auf die Lippe. Er lud sie also bereits zum Tee ein. Ein Schatten huschte über mich, als ich daran dachte, wie er mich um den Finger gewickelt hatte. Mit seinem Selbstbewusstsein und seiner Entschlossenheit, alles zu bekommen, dass er Begehrte. Da waren keine Einladungen zum Tee notwendig. »Ich lasse nach dir rufen, Lacrima« erwiderte er und ich schloss für einen Moment die Augen. »Hoheit« Ich knickste erneut vor ihm und sah zu, dass ich aus der Tür kam. Jetzt fühlte ich mich nicht mehr wie sein Spielzeug, jetzt behandelte er mich bereits so.

Weil du mir gehörstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt