7. Botschaften

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Zu dritt rannten sie dem kleinen Jungen hinterher, der flink durch das Tor, welches Wald und Stadt trennte, lief und zwischen den Feldern entlang eilte. Irgendwann, sie waren schon in der Stadt angekommen, durch das Stadttor hinein und an den Läden und Kneipen vorbei, kamen sie an einem Haus an, das fast schon unscheinbar aussah im Gegensatz zu all den bunten Schaufenstern und Buden. Der Junge hielt keuchend inne, sah dann entschlossen, aber auch etwas ängstlich zu Benjaka, Sadun und Teniel auf und betrat mit ihnen das Haus. Die Tür krächzte, als er sie aufdrückte und ihnen drangen Schreie und Flüche entgegen. Kaum hatte Benjaka die Stufe in das Haus überschritten, war sie wieder sieben Jahre alt und sah vor ihrem inneren Auge ihre Schwester mit dem verzerrten Gesicht und den gefletschten Zähnen. Sie zuckte zusammen, spürte wie sich ein mulmiges Gefühl in ihrem Bauch ausbreitete, fühlte aber sofort Sadun's Hand auf ihrem Rücken: "Ganz ruhig, Benjaka, ganz ruhig."
Der Junge sah sich verunsichert um, wartete, bis sie ihm wieder folgten.

Gedämpftes Weinen war von oben zu hören, Weihrauch stand in der Luft und Anspannung zierte alles, da keiner wusste, was sie erwarten sollten. Da Benjaka wieder stehen geblieben war und ängstlich die Treppe hinauf sah, ging Teniel vor, mit seiner Streitaxt in der Hand und damit dem Jungen folgend. Dieser zitterte, hielt seine Tränen zurück und schien sich dazu überreden zu müssen, hinauf zu gehen. "Möch.. möchtet ihr vorangehen?", fragte er und bedeutete ihnen vorzugehen. Für ihn war es verständlicherweise schwer. Dieses Monster dort oben war sein Vater, nicht irgendeine wildfremde Person. Kaum hatten sie sich dazu durchgerungen weiterzugehen, bemerkten sie, dass die Schreie im oberen Geschoss lauter geworden waren. Eine schlanke Frau mit Blut besudelter Schürze kam angerannt, blieb abrupt stehen, als sie die Krieger im Treppenhaus sah, riss die Augen auf und schrie ihnen entgegen: "Na endlich! Kommt, kommt!" Wie von der Tarantel gestochen rannte sie wieder zurück in ein Schlafzimmer am Ende des oberen Flures. Ein alter Priester stand dort mit einer Bibel in der Hand, die er intonierend in die Luft hielt, und winkte sie alle zu sich. "Oh Gott, was geschieht hier?", nuschelte Sadun in sich hinein, als er sich schützend vor Benjaka stellte. Diese war wie angewurzelt im Türrahmen stehen geblieben. Sie zitterte am ganzen Körper und redete sich ein, dass sie keine sieben Jahre alt mehr war, dass das vor ihr nicht ihre Schwester war. Trotzdem war das Szenario, welches sich vor ihr abspielte, ein erschreckender Anblick:

Ein Mann schwebte in Rückenlage in der Luft über dem Ehebett in der Mitte des Zimmers, seinen Rücken drückte er verkrampft durch, sodass leise, aber penetrant brechende Knochen zu hören waren. Er zuckte immer wieder, schrie mit einer unmenschlichen Stimme. Blut tropfte auf das Bettlaken.

Es schien als würde ein Sturm in diesem Raum herrschen, denn Kleider und Haare wurden zerzaust, die Blätter einiger Bücher, die auf einer Kommode lagen, flatterten und die Kutte des Priesters tanzte theatralisch im Wind. Davon ausgenommen war der Mann, der den Mittelpunkt dieses Chaos' bildete. Seine Frau stand hinter dem Priester und sah verzweifelt zu. Einen Moment brauchte es, bis jemand etwas sagte, aber es war Sadun, der über den Lärm hinweg schrie: "Wie können wir euch helfen, Vater?"

Der Priester sah verdutzt zu uns, als würden wir ihn aus tiefen Gedanken reißen. Er fasste sich aber, sah dann sofort zu Benjaka und wollte zu sprechen beginnen: "Schwertmeisterin..", doch er wurde unterbrochen, denn kaum hatte er dieses eine Wort ausgesprochen, schoss der Kopf des Besessenen zu Benjaka herum und fixierte sie. Ein breites, mörderisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht eines einst harmlosen Arbeiters und liebenden Vaters aus. Seine Pupillen waren groß und Blut klebte an seinen Mundwinkeln. "Schwertmeisterin. Es ist mir eine Freude.", sagte er mit einer unnatürlichen Stimme, die dunkel und kratzig klang. Benjaka zuckte zusammen und sofortige Kälte überzog ihren Körper, während sie versuchte, die Übelkeit und aufkommende Panik unter Kontrolle zu bekommen. "Nein, bitte nicht schon wieder.", nuschelte sie in sich hinein und wurde sofort mit verwirrten Blicken der anderen beäugt.

"Ich habe eine Nachricht an Euch, Schwertmeisterin. Sie ist von meinem Herren, der sich darauf freut, Euch bald persönlich von Angesicht zu Angesicht sehen zu können.", beunruhigende Zufriedenheit strahlte dieser Mann aus. Er schien so glücklich und zufrieden mit seiner Arbeit zu sein, wie ein kleiner Junge, der die Einkäufe für seine Mutter heil nach Hause gebracht hat.
"Welche Nachricht, Dämon?", meldete sich Sadun zu Wort. Er stand halb vor Benjaka, mit den Händen in den Ärmeln seines Mantels - seine selbstverständliche Autorität als Gelehrter ließ den Dämon kurz verwirrt innehalten. Dann begann er zu schmunzeln, wobei ein bisschen Blut an seinem Mundwinkel herunterrann. Er lachte amüsiert und gleichzeitig wurde der Sturm schlimmer, als würde er von den Stimmungen des Dämonen abhängig sein. "Du denkst wirklich, du kleines Menschlein hättest das Privileg mich mit diesem Wort anzusprechen! Mein Name ist Partum Puero und mein Meister ist Ly, der Schöpfer und Retter, der eurem grässlichen Leben einen neuen Sinn geben wird.", seine Augen wanderten wieder zu Benjaka, die sich langsam fasste. Sie hatte ihre Hand auf den Griff ihres Schwertes gelegt und verschleierte ihre Angst mit einem aufmüpfigen Kinn, wobei ihre glasigen Augen verrieten, dass die Sorge und Panik an ihren Nerven zerrten. 

"Du hast keinen Namen verdient, Dämon. Genauso wie dein Meister. Ich habe eine andere Frage an dich, wie kommt dein Meister darauf, sich als Schöpfer und Retter betiteln zu lassen? Ich bezweifle stark, dass er Gutes bringen wird.", ihre Stimme zitterte immer noch leicht, aber die schützende Hand, die Teniel ihr auf den Rücken legte, half. 

Partum Puero nickte fast schon anerkennend: "Mein Meister Ly sagte mir bereits, dass Eurer Titel Euch zurecht übergeben wurde. Aber Ihr seid auch nur ein kleines Kind. Es erfreut mich, Euch zittern zu sehen!", der Dämon richtete sich in seiner Position auf, schwebte leicht nach unten, wodurch auch der Wind um sie herum leichter wurde. "Schwertmeisterin, ich habe meine Botschaft überbracht. Aber.. soll ich meinem Meister auch etwas von Euch überbringen? Vielleicht wollt Ihr die Kriegserklärung annehmen?" Sein Lachen erstickte, als der Priester, den sie alle vergessen hatten, seine Verse lauter aussprach und dadurch etwas geschah: Eine unsichtbare Hand schloss sich fest um den Hals des Dämonen, welcher versuchte diese loszuwerden. Stattdessen drückte sie fester zu, drängte ihn in eine wehrlose Rückenlage. Teniel schrie: "Jetzt Benni!", und schubste sie leicht. 

Benjaka war selbst schon dabei gewesen und reagierte jetzt noch schneller. Sie zog ihr Schwert, trat blitzschnell an das Bett und rammte ohne weiter nachzudenken ihre Klinge fest in den Brustkorb des Dämons, dem scheinbar gedämmert war, was hier passierte. Er heulte auf, verzerrte sein Gesicht zu einer grässlichen Fratze und versuchte nach Benjaka zu greifen mit seinen langen Krallen. Aber kaum hatte ihre Klinge sein Herz durchstoßen, stockte Partum Puero kurz, bis seine Züge sich entspannten und seine Pupillen wieder rund wurden. In wenigen Liedschlägen wurde aus dem Dämonen ein schrecklich schnell gealteter Greis, der fast in Staub verfiel, da sein Leben ihm aus jeder Zelle gezogen wurde. Die Augen des Greis' wanderten zu seiner Frau, die mit verwirrtem Blick hinter dem Priester stand. Ein kurzes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, bevor sein Körper in sich zusammen sackte und der letzte Funken Leben aus ihm stieg. 

Es war nur noch das mittlerweile leise Beten des Priesters zu hören, der damit versuchte dem Geist des Mannes die Pforte zum Himmel zu öffnen. Seine Frau saß schlurchzend neben ihrem Mann auf dem Bett und hielt zitternd seine Hand, während die junge Haushaltshilfe still Gegenstände vom Boden aufhob und versuchte Ordnung zu machen. Auch traute sich jetzt der Junge in den Raum und schob sich in die Arme seiner Mutter, die ihn umklammerte, als würde sie Angst haben, dass er sich ebenfalls gleich in ein Monster verwandeln würde. Benjaka, Sadun und Teniel hatten sich zurückgezogen und saßen unten in einer kleinen Küche. Sie warteten, da Benjaka darauf bestand zu erfragen, wann eine Beerdigung stattfinden würde. Sadun war so frech gewesen und hatte eine Kanne Wasser auf den Herd gestellt, während er grübelnd auf seiner Lippe kaute und in Gedanken in seiner Bibliothek saß, in der er sonst am besten nachdenken konnte. Benjaka saß am Tisch und genoss die sanfte Umarmung von Teniel, der sie plötzlich in die Arme geschlossen hatte, als sie leise zu weinen begonnen hatte. "Benni, du weißt, dass wir darüber reden müssen, sobald wir endlich auf dem Weg zu deiner Schwester sind, richtig?"

"Ich weiß, Teniel. Oh Teniel... ich verstehe nicht, wieso in aller Götter Namen immer mir so etwas passieren muss.", doch kaum hatte sie ihren Satz beendet, riss sie ihre Augen auf und sagte: "Lillibeth muss hiervon erfahren."



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