6. Unterbrechungen

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Kaum hatten sie ihren Weg besprochen, begannen sie alle ihre sieben Sachen zusammen zu suchen, während es draußen immer wärmer wurde und sich ein wunderschöner Tag ankündigte. Derweil lief Benjaka wieder in ihr Zimmer, um sich ihr schwarzes Leinenkleid überzuwerfen, den breiten Gürtel eng zu verschließen und ihre wilden Locken in einem großen Ball auf ihren Kopf zu befestigen. Einige kürzere Strähnen wollten nicht gehorchen und hingen nun demonstrativ in ihr Gesicht. Ihr Schwert griff sie sich von der Anrichte unter dem Wandspiegel und verhakte dieses am Gürtel. Kurz betrachtete sie sich noch im Spiegel und verhaarte - sie fühlte sich wieder in ihre Zeit in der Akademie zurückversetzt, als würde sie sich gerade fertig machen für ihre erste Lektion. Damals hatte sie jeder für zu jung gehalten, jeder dachte, sie wäre bestimmt noch unter des Frauenalters. Aber sie hatte sich bewiesen, hatte ihre kindliche Art bei jedem Kampf beiseite gelegt und immer wieder gezeigt, dass das Schwert in ihrer Hand dort am richtigen Platz war. Sie schob diese leicht bittere Erinnerung beiseite, denn Schreie zogen sie in die Gegenwart zurück.
Verwirrt sah sie sich um, horchte - ja, da waren Schreie, weit entfernt, aber da waren Schreie.
Sie griff nach ihrem Rucksack, eilte aus dem Zimmer und hinunter zur Küche, wo bei der Eingangstür bereits Sadun und Teniel standen. Und ein kleiner Junge. Dieser war so außer Atem und so aufgeregt, dass er zitterte und sich Tränen in seinen Augen sammelten. "Helft uns, helft uns, bitte! Ist die Schwertmeisterin da?", schrie er verzweifelt und sah an den beiden Männern vorbei in das Haus, suchte alles ab, bis er Benjaka an der Treppe entdeckte. Seine Augen weiteten sich noch mehr (was eigentlich kaum möglich war, wenn man bedachte, wie klein sein junges Bubengesicht noch war): "Schwertmeisterin! Ich brauche euch. Wir brauchen euch! Mein Vater, er -", er stoppte und schlängelte sich stattdessen an Teniel und Sadun vorbei, um zu Benjaka zu gelangen. Vor ihr blieb er abrupt stehen, schien kurz zu überlegen, und griff dann nach ihrer Hand, um sie zur Tür zu ziehen."Kommt, bitte!"
"Was ist denn?", fragte sie verwirrt und bedeutete sogleich ihren Kameraden mit einem Blick, dass sie ihr folgen sollten.
"Mein Vater wurde heimgesucht! Er ist besessen, aber der Priester schafft es nicht alleine. Ihr müsst helfen, ich bitte euch! Ich flehe euch an!", bettelte er, während er weiter an ihr zerrte. "Ist gut, ist gut.", erwiderte Sadun an ihrer Stelle. "Wo müssen wir hin?"

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