Es wurde immer später und mit der Zeit beruhigte sich Ellenor langsam wieder. Zwar war sie ruhiger doch noch immer kauerte sie an der kalten Wand, während der Wind, nach wärme dürstend, über ihren ranken Körper herfiel und ihr die schwarzen Strähnen in ihr spitzes Gesicht blies. Da Ellenor ruhiger war, bemerkte sie auch langsam, wie der Wind jedwede Wärme aus ihrem Körper saugte. Sie begann zu zittern und bekam alles, nun wieder bei vollem Bewusstsein, mit. Doch es war gleich. Der Wind spiegelte nur Ellenors Momentanen Zustand wider. In der Kälte ihres Herzens, sehnte sie sich nach Wärme. Nach der Wärme eines geliebten, den sie nicht hatte. Und niemals haben würde.
Als sie nach einer Weile Schritte hörte, zuckte Ellenor zusammen und presste sich noch fester, wenn das überhaupt möglich war, an die Wand. Die Schritte waren fest und leicht, ganz die ihrer Mutter. Doch sie hatte keinerlei Interesse daran, ihrer Mutter zu begegnen. In ihrem jetzigem Zustand, würde Ellenor nur etwas Unüberlegtes tuen und die Gesamtsituation dramatisch verschlimmern. Sie sollte sich nun also gut überlegen, wie sie ihrer Mutter einen tiefen Stich ins Herz versetzte und sich doch nicht im Ton vergriff, worauf sie einen weiteren Schlag befürchten müsste. Und es gab nur eine Sache, durch die Ellenor nur die Distanzierung von ihrer Mutter zu erwarten hätte, welche sie im Moment gut gebrauchen könnte. Es würde ihr Raum zum Nachdenken verschaffen.
Die Schritte wurden langsamer, bis sie gänzlich zu Stillstand kamen. Direkt vor Ellenors Tür. Schnell drehte Ellenor ihren Kopf in die Richtung der Tür, um alles im Blick zu haben. Sie konnte fast spüren, wie ihre Mutter tief Luft holte, bevor sie die Tür öffnete. Cassie wirkte leichteingefallen, doch einem Außenstehenden würde das nicht weiter auffallen. Eine graue Strähne fiel ihr vor die silbernen Augen, doch sie strich sie sich aus dem Gesicht, während sie ein Tuch in der anderen Hand fest umklammert hielt. Ellenors Atem stockte, als Cassie Schritt für Schritt näherkam. Je weiter ihre Mutter vordrang, desto stärker drückte sich Ellenor an die Wand, die nun nicht mehr so kalt erschien. Ganz im Gegenteil, sie schien immer wärmer zu werden. Cassie blieb dicht vor Ellenor stehen und ging mit einer Eleganz in die Hocke, die Ellenor leider nicht von ihr geerbt hatte. Ellenor nahm nun wieder wahr, wie schmerzhaft ihre Wange immer noch brannte. Sie hatte nun keine Möglichkeit mehr weiter von Cassie, die ihr vorsichtig den kühlen, feuchten Lappen auf die Wange legte, wegzurutschen. Ihre Wange war vermutlich stark gerötet. Cassies Blick senkte sich. „Es tut mir so leid, Liebes. Ich hätte das niemals tun dürfen. Es wird nie wieder passieren. Ich versprech's dir." meinte sie mit vor Reue triefender Stimme. Doch Ellenor glaubte ihr Versprechen nicht. Wenn es einmal passiert war, dann würde es wieder passieren. Ganz bestimmt. Dennoch wurde Ellenor mutig, Cassie brauchte nun keinen Grund mehr Ellenor zu schlagen, also machte das nun keinen Unterschied mehr. „Was meint Ihr, Mutter?" Cassie zuckte stark zurück. In diesem befremdlichen Zustand sah ihre Mutter mehr als nur bedauernswürdig aus, doch auch Ellenor fühlte sich so. Wieso also sollte Ellenor Mitgefühl haben? Ellenor schwieg. „Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe." Ellenor hob eine Augenbraue. Vielleicht sah ihre Mutter schlecht aus, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Es mochte sein, dass es ihr leidtat, aber sie bereute mit Sicherheit nicht, ihre Tochter so zum Schweigen gebracht zu haben. Selbstverständlich verstand Ellenor, dass sie ihre Mutter verletzt hatte und das tat ihr auch leid, doch so etwas darf dennoch unter keinen Umständen geschehen. Ellenor hätte auch ohne die Ohrfeige eingesehen, dass ihr verhalten fasch war, auch wenn sie das nur aus ihrer Panik heraus gesagt hatte. Ellenors Verhalten konnte man bedingt rechtfertigen, doch das ihrer Mutter nicht. „War sollte ich Euch das glauben?" hauchte sie und zog ihre Knie eng vor ihre Brust. Cassies Gram wuchs aufs unermessliche, während Ellenor ihre Arme um die Beine schlang, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. „Es gibt keinen Grund dafür, mir zu glauben, Ellenor. Doch ich werde mein bestes dafür geben, dich niemals wieder so... zu behandeln. Darauf gebe ich dir mein Wort, ob du mir nun glaubst oder nicht. Ich hoffe indessen, dass du mir irgendwann verzeihen kannst." Ellenor beobachtete ihre Mutter, welche einmal schwer schluckte. Ihre Augen schienen feucht und sogleich wurde Ellenors Herz schwer, doch sie durfte nicht schwach werden. Sie musste ihrer Mutter, auch wenn es äußerst respektlos war, Konsequenzen aufzeigen, selbst wenn ihr die Berechtigung dazu fehlte. Sie konnte nicht immer alles hinnehmen, wie es war. Auch sie musste sich wehren! „Wie sollte ich das jemals tuen können?" erwiderte sie nun. Ihr Herz wurde immer schwerer. Dabei zuzusehen, wie sie ihre Mutter verletzte, war nicht schön, aber so unterjocht und unverstanden fühlte sie sich doch auch immer. Dann war Nolan der Einzige, der sie trösten konnte. Jählings fiel ihr auf, dass ihre Mutter niemanden zum Ausweinen hatte. Mitleid stieg in Ellenor auf, allerdings gab sie sich größte Mühe es einfach wieder hinunter zu schlucken. Dafür war jetzt keine Zeit. Bei ihrer Mutter schienen jedoch alle Dämme zu brechen. Cassie gab sich dem Schmach hin und warf sie vor Ellenors Füße. Ein Beben ging durch ihren Körper. Ellenor ging es nicht besser, dabei zuzusehen, wie ihre Mutter weinend und schluchzend zu ihren Füßen lag, marterte sie so sehr, dass sie schreien wollte. Schreien, um ihrem Marter Luft zu machen. „Warum weint Ihr, Mutter?" stellte sich Ellenor dumm, wissend, dass der Marter ihrer Mutter aus Ellenors so distanzierter Anrede stammte. Auch sie litt, doch sie wurde gezwungen, Dinge zu tuen, die sie nicht tuen wollte. Ihre Mutter hatte ihr schon ihr Leben lang diesen Schmerz angetan, indem sie ihrer Tochter nie mit echter Liebe begegnet war. Wieso sollte sie also ihrer Mutter den Marter nehmen, wenn sie es auch nie getan hatte? Und wie sollte sie das anstellen, wenn sie auch durch ebenjenen Marter gepeinigt wurde? Das konnte Cassie nicht von ihrer Tochter erwarten. „Ellenor, bitte" hauchte ihre Mutter atemlos aus und schaute Ellenor aus verweinten Augen an. Ellenor jedoch ignorierte die Blicke ihrer Mutter und stand langsam auf. Sie schwankte leicht, hatte sich aber schnell wieder im Griff. Sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Schnell nahm sie einen Stoffbeutel, welchen sie mit Kleidung füllte, und legte sich einen Umhang über den Arm. Dann machte sie sich auf den Weg zur Zimmertür. „Wo willst du hin?" schrie Cassie da mit erstickter Stimme und Ellenor zuckte leicht zusammen, wofür sie sich hasste. „Ich möchte Euch Eure Ruhe lassen und begebe mich zu Großvater." Sie legte großen Wert darauf, dass man ihrer Stimme nichts entnehmen konnte, was auf ihren Gefühlszustand schließen ließ. Sie war überrascht, wie gut das funktionierte. Nun gebot sie sich bis zu ihrem Altvorderen durchzuhalten und verließ das Zimmer. Im Hausflur zog sie sich ihre Stiefel an und legte ihren Umhang um ihre zitternden Schultern, bevor sie hinaus in den Regen trat und sich vom kühlen Wind beruhigen lies.
Hey Leute,
da die Geschichte nun langsam vorwärts geht, werde ich euch nun am Ende eines Kapitels eine oder mehrere Fragen stellen. Es wäre schön, wenn ihr mir antworten würdet. Ansonsten könnt ihr gerne Vermutungen aufstellen und eure Fantasie spielen lassen. 😉
Die Frage/-en:
Warum denkt ihr, dass Ellenor ausgerechnet zu ihrem Großvater geht und nicht zu Nolan?
(Auch wenn ihr ihn noch nicht kennengelernt habt, sind ja schon ein paar Informationen über ihn vorhanden.)Warum kann nicht auch ihr Großvater sie trösten, wenn sie doch zu ihm und nicht zu Nolan geht?
Was wird Ellenor wohl bei ihrem Großvater erwarten? 🤔
Ansonsten könnt ihr gerne Kritik, andere Kommentare und Votes hinterlassen.
LG Bensheegirl
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The Curse / pausiert
ParanormalSeit hunderten von Jahren verflucht, liegt tief im Wald ein Dorf. Ein Traum und eine Begegnung sind der Anfang ihn zu brechen. Ein Hoffnungsschimmer, ein Mädchen, könnte die Erlösung des Dorfes oder die vollkommene Vernichtung bedeuten. Doch was pas...