Diese Nacht schlief Ellenor denkbar schlecht. Samuel hatte nicht neben ihr gelegen. Nein. Er war am Vortag schon einige Zeit nach Nolan gegangen und nicht bei Ellenor geblieben. Natürlich hatte das auch einen Grund und diesen verstand sie auch. Dennoch machte es sie traurig, dass ihr liebster nicht bei ihr geblieben war. Aber es war besser so. Hätte irgendein Dorfbewohner ihn erwischt, hätte jener auch sogleich erkannt, dass Samuel nicht aus diesem Dorf war. Somit hätte gleich klar gestanden, wer er war. Das wäre ganz und gar nicht gut gewesen. Ellenor wäre als Verräterin abgestempelt worden und der Fluch wäre Unbrechbar geworden und sie hätte sich für den Rest ihres Lebens von ihrem Liebsten verabschieden können.
Mit einem Seufzen schlug Ellenor die Augen auf und kroch aus dem Bett. Außerhalb von diesem war es noch kälter und sie bedachte das Bett mit einem Sehnsüchtigen Blick. Dieser half jedoch nicht und sie sah ein, dass sie sich nun waschen müsste, denn spätestens am Nachmittag musste sie vollkommen fertig sein, um ihrer Geburtstagsfeier beizuwohnen. Sie verdrehte die Augen. Viel lieber wäre sie ein einfaches Bauernmädchen. Dann hätte sie weniger Verpflichtungen und könnte sich mit der Wahl ihres Gatten Zeit lassen. Da dem aber nicht so war, musste sie all ihre Obliegenheiten wohl oder übel erfülle und nach außen hin einen seriösen Schein wahren, im Gegensatz zu ihrer Mutter. Jedoch war Ellenor nicht ihre Mutter und so würde sie auch keine solche Bürgermeisterin werden. Verflucht! Schnell schüttelte Ellenor ihren Kopf, um von all ihren Gedanken los zu kommen, und holte sich ein schlichtes Kleid für den Vormittag aus ihrem Schrank. Anschließend ging sie in die kleine Waschkammer des Hauses, wo schon heißes Wasser zum Waschen bereit stand. Vermutlich würde ihre Mutter sie zum Baden zwingen, bevor sie sich fertig machte, weshalb Ellenor sich nicht die Mühe machte, ihre Haare zu waschen. Die kleine Waschkammer war nur vom Kerzenschein beleuchtet, durch das kleine Fenster an der gegenüberliegenden Wand fiel kaum Licht. In diesem kleinen Raum war es sehr schwül, durch die feuchte Luft und es Roch nach allerlei Seife, die hier nur allzu oft verwendet wurde. An der einen Wand war ein großer Kamin, über den eine Stange angebracht war, um das Kalte Wasser aus der nebenstehenden Tonne zu erwärmen. Inn einer Ecke standen noch allerhand Eimer. Außerdem stand noch eine Kommode mit Handtüchern und Seifen an der linken Wand und zwei kleine Tische, wobei auf einem noch ein großer Eimer zum Waschen stand, in dem Waschraum. Ellenor zog sich ihr Nachtgewand über den Kopf und schmiss es in einen Eimer, welcher für Schmutzwäsche verwendet wurde, danach nahm sie den Schwamm aus dem Wasser und rieb sich damit ein, bis jede Stelle ihres Körpers feucht war. Anschließend schrubbte sie mit Seife darüber, wusch sie ab und rieb ihren Körper mit einem Handtuch trocken. Als sie sauber war, bekleidete sie sich und räumte das Chaos, welches sie hinterlassen hatte, auf.
Die Treppe knarzte leise, als Ellenor die dunkle Holztreppe hinunter ging. Es roch nach der leichten Pflanzenpolitur, die ein paar Männer vor einigen Tagen aufgetragen hatten. Für ihren Geburtstag sollte ja schließlich alles perfekt sein. Die schwarzhaarige schnaufte und zog ihre Augenbrauen zusammen. Oh ja, das würde sicherlich der beste Tag ihres Lebens werden, wo sie doch so viel spaß hatte. Am liebsten hätte sie etwas gegen die nächstbeste Wand geworfen, doch sie beherrschte sich und betrat die Küche. Ihre Mutter schlief anscheinend noch, worauf Ellenor schloss, dass eine bedienstete das Wasser erhitzt hatte. Während die Seherin überlegte, wie sie diesen Tag überleben sollte, brühte sie einen Früchtetee auf, dessen süßlicher Duft das ganze Haus erfüllte. Sogleich bekam sie bessere Laune. Sie deckte den Tisch, stellte sogar etwas für ihre Mutter hin, und setzte sich mit dem Tee in der Hand auf den Stuhl und wartete darauf, dass ihre Mutter herunter kam. Minuten vergingen und Cassie tauchte nicht auf, also begann Ellenor leise zu singen. Nebenbei schaute sie aus dem Fenster in den orangenen Himmel. Der Sonnenaufgang war bald vorüber und sobald das Orange verschwunden war und durch blau ersetzt wurde, würde Cassie aufwachen und sich zum Frühstück zu ihrer Tochter gesellen. Ellenor war heute früh aufgewacht und hatte somit noch genug Zeit für sich selbst, um den Tag wenigstens halbwegs zu überleben. Schon jetzt setzte sie sich hin, als wäre sie überlegen. Gerader Rücken, gehobenes Kinn, gehobene Brauen und gekräuselte Nase. Wenn sie sich jetzt nicht so hinsetzte, würde sie später einen Eingewöhnungsmoment brauchen, den sie sich sicher nicht gönnen wollte. Jeder hätte in einem solchen Moment die Möglichkeit hinter ihre Maske zu schauen. Das war etwas, was sie sicher nicht wollte.
Etwas später betrat Cassie die Küche, bedachte ihre Tochter mit einem Lächeln, welches durch Augenrollen quittiert wurde, und setzte sich. „Ich habe mir die Freiheit genommen, den Tisch schon zu decken“, nuschelte Ellenor und begann, sich ein Brötchen zu schmieren, ihre Mutter ignorierend. Sie hörte ein Seufzen. „Ellenor, Liebes, unser Streit gestern war sehr bedauerlich und es tut mir sehr leid, dass ich dich geohrfeigt habe. Könnten wir nicht dennoch ein vernünftiges Gespräch führen?“, erwiderte Cassie auf die Ignoration, wobei ihre Stimme eher ungerührt klang. Ellenor schnaubte. „Mir geht es doch nicht nur um die Ohrfeige! Du verlangst von mir undenkbare Dinge und verbietest mir, mir meinen größten Wunsch zu erfüllen. Was erwartest du? Dass ich dir Lächelnd in die Arme falle?“, zischte sie ihre Mutter wütend an und warf ihr Besteck auf den Teller. Ihre Stirn war so tief in Falten gezogen, dass ihr Blick nicht nur grimmig, sondern mörderisch aussah. Jeder Muskel ihres Körpers war wütend angespannt. „Ich will nur das Beste für dich. Dafür erwarte ich Dank.“, sprach Cassie kühl. Ungläubig sah die Seherin ihre Mutter an, doch in der nächsten Sekunde wurden ihre Wangen warm und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. „Danke, dass du mein Leben zerstörst!“, brüllte sie ihre Mutter an, stand so schnell auf, dass der Stuhl nach hinten flog, und stampfte in ihr Zimmer, dessen Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.
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The Curse / pausiert
ParanormalSeit hunderten von Jahren verflucht, liegt tief im Wald ein Dorf. Ein Traum und eine Begegnung sind der Anfang ihn zu brechen. Ein Hoffnungsschimmer, ein Mädchen, könnte die Erlösung des Dorfes oder die vollkommene Vernichtung bedeuten. Doch was pas...