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In den folgenden Tagen erfuhr Jimin schmerzlich, was es bedeutete, an Liebeskummer zu vergehen; tagtäglich an einer Art von Liebeskummer zu vergehen, die ihm bis zu dem, an Suga gerichteten, verhängnisvollen Geständnis völlig fremd gewesen war.

Als er sich vor Monaten von Jeongguk getrennt hatte, hatte er gelitten. Gewiss. Doch er wusste, dass Jeongguk ihn geliebt hatte; er wusste, dass sie etwas geteilt hatten, was für Jeongguk eine ebenso große Bedeutung getragen hatte, wie für Jimin selbst.

Zwar dachte er damals, dass er an diesem unerträglichen Gefühl in seiner Brust vermutlich sterben müsse, doch nun, in diesem Augenblick, wünschte er sich mit aller Kraft dieses Gefühl zurück. Denn es war nichts im Vergleich dazu gewesen, was er nun verspürte.

Der Student hatte Jeongguk wahrhaftig geliebt, zweifellos. Er war der erste Mensch gewesen, dem Jimin eine solch extravagante Fülle an Gefühlen entgegen gebracht hatte und man konnte gewiss nicht deren wahrlich ernsthafte Beziehung mit den leidenschaftlichen, doch ebenso unverbindlichen Treffen vergleichen, die er mit Suga gehabt hatte.

Denn diesen war es nicht vergönnt gewesen, an einer vergleichbaren Tiefe zu gewinnen, die Jimin mit Jeongguk erfahren durfte.

Seine Trennung von dem resoluten Sportler war in Jimins Augen eine schicksalhafte Tragödie gewesen, die vor allen Dingen den unharmonischen, äußeren Umständen verschuldet war. Sie hatten einander geliebt, doch das alleine reichte in manchen Fällen eben nicht für das bedingungslose Zusammenspiel zweier Herzen. Denn ihre Ziele, ihre Prioritäten, ihre grundlegenden Zukunftsaussichten waren schlichtweg zu verschieden gewesen, um diese gemeinsam anstreben zu können.

Es war tragisch, doch nicht minder nachvollziehbar und mit der Zeit hatte Jimin verstanden, wie wichtig diese Trennung gewesen war, denn die beiden hatten sich schon zu lange nicht mehr in die gleiche Richtung bewegt. Es war gekommen, wie es kommen sollte und der Junge mit dem rosafarbenen Haar hatte letztlich seinen Frieden mit all dem geschlossen, was das Universum für ihn bereitgehalten hatte.

Zumindest bis jetzt. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als er in seinem Bett lag und seine Tränen bereits versiegt waren, weil er tagelang nicht viel mehr getan hatte, als hemmungslos zu weinen; zu bedauern und zu betrauern.

Denn dieses Mal fühlte es sich anders an. Dieses Mal schwang ein Gefühl mit, das ihn lähmte und ihm beinahe alle Hoffnung darauf nahm, dass alles wieder gut werden würde. Natürlich würde es das - irgendwann - doch das konnte Jimin nicht sehen.

Der junge Mann war gänzlich eingenommen worden von roher Enttäuschung, sodass jener quirliger Optimismus, der einen großen Teil zu seiner facettenreichen Persönlichkeit beitrug, keine Chance dazu erhielt, das Tageslicht zu erblicken.

Die Tatsache, dass Jimin diese unleugbare Anziehung, die beide aufeinander ausgeübt hatten, allem Anschein nach völlig falsch gedeutet und all den intimen Momenten zwischen ihnen schlicht und einfach zu viel Bedeutung beigemessen hatte, brach ihm sein zartes Herz.

Dieses Mal war es einseitige Zuneigung. Unerwiderte Liebe. Und das war in seinen Augen zweifellos eines der tragischsten Konstrukte, die das Leben zu bieten hatte.

Der Mensch, der so unbewusst und ohne jegliche Anstrengung eine ganze Welt aus sinnlichen Empfindungen in Jimin erbaut hatte und die Macht besaß, sie mit wenigen Worten dem Erdboden gleich zu machen, empfand nicht das Gleiche für ihn. Jimin löste nicht die selben Wellen des Glücks in ihm aus, die er selbst empfand, wann immer er ihn anblickte.
Während Jimin in seinen Händen geschmolzen war wie heißes Wachs, hatte Suga einzig die unverbindliche, körperliche Zuwendung genossen.

Während Jimin ihm jeden gottverdammten Tag in Gedanken nachhing und die Minuten zählte, bis sie sich wiedersehen würden, hatte Suga sein Leben gelebt, ohne darin den geringsten Bezug zu Jimin zu erkennen. Während Jimin seine Tage mit einem unerträglich vollen Herzen bestritt, hatte der Junge mit dem blassblauen Haar nur hier und da einen flüchtigen Gedanken für seine unkomplizierte Liebschaft übrig gehabt.

Während Jimin nun den Herzschmerz seines Lebens erlitt, hatte Suga einzig und allein eine beliebige Bettgeschichte hinter sich gebracht.

All diese Gedanken trieben Jimin zum wiederholten Male die Tränen in seine bereits geröteten Augen und er stellte sich zum abertausendsten Male an diesem Tag die Frage, ob er jemals jemandem begegnen würde, der so viel in ihm auslösen würde, wie Suga es getan hatte.

Wer könnte ihm diese hoffnungslosen Gedanken verübeln, wo er doch in diesem Augenblick nichts weiter fühlen konnte, als die Ernüchterung darüber, dass er nicht geliebt wurde? Dass seine Gefühle für den Mann, der so viele Empfindungen in ihm hervorgebracht hatte, von eben diesem nicht erwidert wurden? Dass ihm nun etwas fehlte, was er nie sein Eigen nennen konnte?

Und auch wenn Taehyung jeden Moment nach Hause kommen und ihre gemeinsame Wohnung mit seiner andauernden Lebhaftigkeit füllen würde, so fühlte Jimin sich doch allein.
Eine hartnäckige Leere prangte in seiner Brust und es fühlte sich für Jimin beinahe so an, als würde sie ein Vakuum in seinem gesamten Körper verursachen, das seine Gliedmaßen in eine konstante Taubheit zu hüllen vermochte.

Er hatte sich zu allem Überfluss dazu entschieden, Taehyung seinen Gemütszustand vorerst vorzuenthalten, denn er wollte keinesfalls die positive Stimmung seines Mitbewohners gefährden. Der Kunststudent war gerade erst an dem Punkt gekommen, wo er bereit war, der Liebe ihre wohlverdiente Chance zu geben und Jimin befürchtete, er würde mit seinen herzzerreißenden Niederlagen in diesem verdammt unfairen Spiel nur Schaden anrichten.

Taehyung sollte nicht hautnah miterleben, wie verheerend Liebesgeständnisse enden konnten und wie unglaublich verletzt man sein konnte, nachdem man sich wahrhaftig auf jemanden eingelassen hatte. Zumindest nicht jetzt. Nicht jetzt, wo er sich endlich regelmäßig mit Hoseok traf und seine Gefühle für den attraktiven Tänzer ohne Proteste zuließ.

Was einst erblühte, konnte welken; würde welken. Doch daran sollte Taehyung jetzt nicht denken. Er sollte sich verlieben und erfahren, wie wundervoll es sein konnte, jemandem sein Herz in die Hände zu legen und sich dabei voll und ganz bewusst zu sein, dass man es nicht ohne Schmerz und Leid wieder zurückbekommen würde.

Das war wohl der Preis, den man für all die schönen Gefühle zahlte, die sich seit je her wie Stromschläge ihren Weg durch die Körper der Menschen bahnten, sie elektrisierten und letztlich völlig ausgebrannt zurückließen.

Cotton Candy | Yoonmin [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt