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"TAEHYUNG!"

Jimin stolperte Hals über Kopf in den nach Vanille duftenden Wohnraum, in dem es sich sein Mitbewohner gemeinsam mit Hoseok, der nun von beiden oft und gerne als dessen fester Freund bezeichnet wurde, bequem gemacht hatte.

Die beiden lagen aneinander geschmiegt im Schein einiger entzündeter Duftkerzen und Taehyung, der diesen romantischen Moment in vollen Zügen zu genießen schien, öffnete verschlafen die Augen, als Jimin seinen Namen zum wiederholten Male ausrief.

"Hm?", brummte er in Hoseoks Halsbeuge und blinzelte langsam, um seine Augen schonend auf zwangsläufig folgende, visuelle Eindrücke vorzubereiten.

"Dreimal darfst du raten, wer mir gerade geschrieben hat!", rief Jimin euphorisch und Taehyung stieß ein leises Seufzen aus.

"Der Typ, der dich gestern im Club angebaggert hat?", murmelte er schließlich.
"Nein, dem hab' ich doch die falsche Nummer gegeben.", entgegnete Jimin verständnislos.

"Ist das dein Ernst? Der war doch wahnsinnig süß!", rief Taehyung aus.
"Du kannst froh sein, dass du mich dazu überreden konntest, mitzukommen. Aber nochmal das ganze Theater mit irgendeinem Typen? Nein, danke."

Taehyung seufzte und sein Freund begann, seine Hände sanft über dessen Rücken zu bewegen, was dazu führte, dass der Kunststudent flatternd seine Augen schloss.

"Wer hat dir denn gerade geschrieben?", ergriff nun Hoseok das Wort, während er seinem Freund weiterhin beruhigende Berührungen spendete.

"Es ist kaum zu glauben, aber es war Suga!", antwortete der Kleinere mit deutlich hörbarer Freude in seiner zarten Stimme.

Taehyung schlug beim Erklingen jenes Namens hastig die Augen auf und fokussierte seinen besten Freund mit kalkulierendem Blick.

"Was hat er geschrieben?"
Das Misstrauen in der Stimme des hochgewachsenen Kunststudenten wäre nicht einmal mit Mühe zu überhören gewesen und Jimins Anflug von hoffnungstragender Freude bröckelte sichtlich.

"Dass ... er mich sehen und mit mir sprechen will.", erwiderte der Angesprochene leise.

Taehyung verengte seine Augen und begann, mit seinen Zähnen auf den Innenseiten seiner Wangen herumzukauen.

Sein bester Freund sah ihm abwartend entgegen und eine kurze Weile lang schien es, als sei der Moment eingefroren worden; als habe der Regisseur einer vermeintlich witzigen Sitcom die Szenerie mitten im Geschehen gestoppt, um sie zu überdenken.

Zumindest schien es so, bis Jimin erneut zögerlich das Wort ergriff.
"Ist ... das nicht etwas Gutes?"

"Das kommt darauf an, was er will.", sprach Taehyung schließlich.

"Naja, ... er will ... mich sehen und ... mit mir sprechen. Das ist es, was er mir geschrieben hat.", erwiderte der Junge mit dem rosafarbenen Haar, dessen leise Stimme beinahe in der Stille unterzugehen drohte.

"Jimin, er weiß von deinen Gefühlen. Was, wenn er versucht, dich um den Finger zu wickeln? Hast du die Kraft, ihm zu widerstehen?"

"Und was, wenn er mich ... auch mag? Wenn er es doch mit mir versuchen will?"

"Ich kann es dir nicht sagen, ich weiß es nicht. Ich will nur nicht, dass du dich ihm hingibst, wenn er keine guten Absichten verfolgt.", entgegnete der Kunststudent mit ehrlicher Besorgnis.

"Und woher soll ich wissen, welche Absichten er verfolgt, wenn ich ihm nicht zuhöre?" Verzweiflung sammelte sich langsam aber sicher in Jimins Kopf, der schon beinahe überzuquellen begann, vor all den 'Was, wenn...'-Szenarien, die sich gegenseitig den Krieg erklärten.

"Wenn du ihm gegenüberstehst, wird es dir völlig egal sein, was er zu sagen hat. Hauptsache du kannst ihn ansehen, ihn anfassen und seine Nähe spüren. Und dann, wenn alles ein böses Ende nimmt, wirst du noch mehr leiden, als du es die letzten Wochen über bereits getan hast.", entgegnete Taehyung zunehmend furios.

Hoseok versuchte das Temperament des Kunststudenten durch eindringliche Blicke und sanfte Berührungen zu beruhigen, doch in Taehyung tobte ein Sturm aus liebevoller Sorge um seinen Mitbewohner und Misstrauen dessen Verflossenem gegenüber.

"Hälst du mich für so inkonsequent? Verdammt Taehyung, manchmal muss man die Menschen auch anhören, statt sie sofort an den Pranger zu stellen.", antwortete Jimin vorwurfsvoll.

"Denkst du wirklich, du würdest dir die Möglichkeit entgehen lassen den Mann, für den du etwas empfindest, nochmal zu spüren, ganz egal, ob er dich mag oder nicht?"
Taehyung richtete sich letztlich auf und entzog sich Hoseoks Armen.

"Wie kannst du ihm unterstellen, mich zu benutzen, obwohl er von meinen Gefühlen weiß? Und wie kannst du mir unterstellen, so blind zu sein?" Nun war auch in Jimins Stimme eine aufkommende Wut deutlich hörbar.

"Er hat dich so verletzt, Jimin. Lass ihn das nicht nochmal tun.", flehte Taehyung, den der Gedanke an den Jimin, dem er über die letzten Wochen mit allen Mitteln zu helfen versucht hatte, sichtlich mitnahm.

"Er wusste doch aber nichts von meinen Gefühlen. Das kannst du ihm nicht vorwerfen!" In Jimins Augen sammelten sich Tränen der Verzweiflung und ihn begann dieses aufbrausende Gespräch zunehmend zu überfordern.

"Mag sein, aber Fakt ist, dass du ihn nicht wiedersehen kannst, wenn du über ihn hinwegkommen willst. Das würde alles nur noch schlimmer machen."

Der Junge mit dem rosafarbenen Haar entgegenete nichts mehr. Er stand nur noch stumm da, die Zähne in der Unterlippe vergraben und sein Blick war auf den Boden gerichtet.

Einige Augenblicke vergingen und niemand von ihnen sagte etwas. Die plötzliche Stille ließ ihnen Raum, um über das Gehörte, sowie über das Gesagte nachzudenken.
Doch lange hielt sie nicht an, denn Jimin machte nicht viel später auf dem Absatz kehrt und kehrte völlig aufgelöst in sein Zimmer zurück, das er vor wenigen Minuten noch freudestrahlend verlassen hatte.

Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen und er vergrub sich beinahe vollständig unter seiner Decke, die ihn vor all den negativen Gefühlen beschützen sollte, die nun über ihn hereinbrachen.

Im Wohnraum herrschte nun ebenfalls eine bedrückende Atmosphäre und Taehyung begann langsam, seine kopflosen, von nichts als Sorge getriebenen Worte zu überdenken.

Als sich Hoseok schließlich, völlig perplex von der Situation, die sich vor seinen aufmerksamen Augen abgespielt hatte, zu Wort meldete, wusste Taehyung, dass er seinen besten Freund gekränkt hatte und es ihm in diesem Moment an mehr als nur einer Menge Einfühlungsvermögen gefehlt hatte.

"Tae, denkst du nicht, du warst gerade ein bisschen zu harsch?"

Cotton Candy | Yoonmin [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt