Erst als die Flaschen in unseren Händen leer waren, unsere Schritte unsicherer wurden und unsere Worte unverständlich klangen, bemerkten wir, dass etwas nicht stimmte. Zumindest waren das bei mir so.
Wir sind, wie auch immer wir das angestellt hatten, in einen nahegelegenen Park gelandet, haben uns auf eine Parkbank gehockt und Trinkspielchen gespielt. Mein Problem, und wahrscheinlich auch mein Größtes – Sobald mich jemand herausfordert, kann ich es nicht auf mir sitzen lassen. Ich muss mir selbst und vor allem meinem Gegner beweisen, was ich drauf habe. So auch an diesem Abend, der eigentlich so anders geplant war, worüber ich jetzt aber nicht mehr nachdenken konnte, weil es so schwer fällt sinnvolles Zeugs zu denken. Ich war stockbesoffen, anders kann man es nicht ausdrücken. Ich lallte vor mich hin und Rhys hörte mir zu, während ich mein ganzes Leben vor ihm ausbreitete. Ich bemerkte erst zu spät, das er den Alkohol viel besser zu vertragen schien, als meine Wenigkeit. „Nooh so'n Merkmaaahl, dasss isch an eusch Städddern hass'.“, ich schüttelte den Kopf und lachte über meine Ehrlichkeit. Rhys schaute mich interessiert aber vor allem amüsiert an und wartete anscheinend das ich meine ausgesprochenen Gedanken weiter erläutern würde. „Wiesooo bin isch bedruunkn un dir machtss nischts auss?“ Er nahm eine meiner Haarsträhnen und strich sie mir liebevoll hinters Ohr. „Wieso hast du so ein schlechtes Bild von mir, Cathrin?“ - „Weil du ein Städter bist.“, versuchte ich meine lallenden Worte ernst und überzeugend klingen zu lassen. „Nur weil ich hin der Stadt wohne, muss ich nicht so sein wie die meisten Kerle hier. Findest du nicht? Immer hin wohnst du auch in der Stadt und bist nicht so wie die meisten Frauen hier. Und das ist gut so.“ Ich versuchte seine Worte zu verstehen, strengte mich an, aber der Alkohol machte mich müde und blockierte mein Gehirn. „Isch bin müde, Rhyyyzz.“ - „Komm, ich bring dich nach Hause.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm er mich hoch und trug mich durch die Nacht in meine Wohnung. Ich bekam noch nicht mal mehr mit, wie er die Tür geöffnet hatte, noch nicht mal mehr den Weg, glaube ich. Als ich dann aber in mein Bett gelegt wurde, überkam mich plötzlich eine starke Übelkeit und ich konnte nur noch „Klo. Schlecht.“ rufen, als ich ins Badezimmer stürmte um mich in der Toilette zu übergeben. Rhys kam mir nach und hielt mir die Haare, sanft strich er mir über den Rücken und flüsterte mir beruhigende Worte zu. Es dauerte seine Zeit, bis ich mir sicher war, wieder ins Bett zu können, ohne mich erneut übergeben zu müssen. Ich wurde wieder getragen und schlief dann endlich ein, ohne weitere Zwischenfälle.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich zuerst die Augen nicht öffnen. Als ich versuchte aufzustehen, fiel ich mit einem Stöhnen wieder ins Bett zurück. Es fühlte sich an, als würde mein Kopf explodieren, würde ich nur eine falsche Bewegung machen. Etwas Kühles wurde mir auf den Kopf gelegt und es klimperte auf meinem Nachttisch. Ein Glas vielleicht. Ich versuchte erneut die Augen zu öffnen, nur einen kleinen Spalt, aber das Licht machte die Kopfschmerzen unerträglich. „Lass die Augen zu, es ist alles in Ordnung.“ Rhys!? „W-Was m-machst du de-denn hier?“, meine Stimme klang panischer als beabsichtigt. „Schschsch. Es ist alles in Ordnung, wirklich. Es ist nichts passiert, falls es dir darum geht. Kannst du dich an irgendwas erinnern?“ Ich überlegte. Rhys hatte gestern Geburtstag, ich ging hoch um ihm eine Schachtel Pralinen zu überreichen und danach gingen wir zum Spätkauf und dann..“Spätkauf. Weiter komm ich nicht.“ - „Ja, genau. Wir sind zusammen zum Spätkauf und ich hab dort etwas Alkohol für die Party besorgt. Unterwegs haben wir dann davon getrunken und naja, ich bin nicht ganz unschuldig daran. Wir haben Trinkspiele gespielt und du warst ziemlich schnell, ziemlich stark betrunken.“ - „Du wolltest mich abfüllen!?“ - „Nein! Gott verdammt, wirklich nicht! Ich wusste nicht, das du nichts verträgst.“ Ich brauchte nicht die Augen zu öffnen, um zu wissen, dass er sich ein Lachen verkniff. Man hörte den Humor in seiner Stimme und ich hätte ihn in diesem Moment am liebsten ermordet. Schmerzhaft und langsam, sodass er leidet. Mindestens genau so sehr wie ich und mein armer Kopf. Nach einer kurzen Pause reichte er mir etwas kühles, das er vom Nachttisch genommen hatte. Ich erkannte es jetzt definitiv als Glas und nahm es in die Hand, wohl bedacht darauf mich keinen Millimeter mehr als nötig zu bewegen. „Hier ein Glas Wasser und in meiner Hand hab ich noch 2 Kopfwehtabletten. Wenn du denkst, du bekommst es hin, setz dich langsam auf.“ - „Zu hell.“ - „Soll ich das Zimmer abdunkeln?“ Kopfnicken meinerseits. Ich hörte das vertraute Geräusch des Rollladens und traute mich langsam die Augen zu öffnen. Dunkelheit war auf jeden Fall angenehmer. Ich trank das Glas auf Ex leer und Rhys war so lieb mir eine Flasche Wasser zu holen. Nach 4 weiteren Gläsern und den Tabletten ging es mir schon etwas besser, ich war trotz allem froh, das Rhys hier war. Ich blendete den Gedanken, dass er die ganze Nacht, hier bei mir, in der Wohnung war aus und war einfach nur froh, jetzt nicht alleine zu sein – auch wenn der ganze Mist seine verdammte Schuld war. Darauf kam ich wann anders zurück. Nach einiger Zeit, in der keiner von uns ein Wort sprach, räusperte er sich. Ich schaute ihn an und sah, dass auch er ziemlich müde aussah. Seine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab und er trug dieselbe Kleidung wie gestern, was mir noch mehr bewusst machte, das er wirklich die Nacht hier verbracht haben musste. Ein kleiner Schock lief über meinen Körper und ich fragte mich, was passiert wäre, wenn er mich nicht betrunken hätte nach Hause bringen müssen. „Ich sollte dann mal nach oben gehen.“, er lächelte mich an und nickte einmal. Als er sich zum Gehen umdrehte, rief mein Mund „Warte!“ und mein Kopf wusste gar nicht wieso. Er drehte sich um und ich wusste nicht was ich sagen sollte, also sagte ich das, was mir als Erstes einfiel: „Danke.“ - „Gerne. Lass uns nochmal darüber reden, wenn du wieder vollkommen fit bist, ja? Ich habe gestern ein paar Dinge gesagt, die wirklich wichtig wären, wenn du sie auch im nüchternen Zustand kennen würdest.“, wieder schenkte er mir eins seiner Lächeln, wenn es auch etwas traurig aussah. „Wenn etwas sein sollte, du weißt wo du mich findest.“ Dann drehte er sich um und diesmal ließ ich ihn gehen.
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Finger weg, von den Städtern!
Short Story"Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige sehen, wer du bist." - Niccolò Machiavelli - ____________________ Cathrin Cole, ein typisches Mädchen aus dem Dorf, findet die Vorstellung einen Bauersjungen zu heiraten mehr als schrecklich und beschließt d...