Kapitel 4

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Ich musterte die Frau vor mir. Als ich in dem Raum gekommen war, hatte sie nichts gesagt. Sowie jetzt auch.
Stillschweigend saßen wir uns gegenüber und sahen uns an. Auf Fesseln hatte man bei der Asin verzichtet. Sie war keine Gefangene. Doch wenn sie Ärger machen würde oder mich sogar angriff, würde sofort Lewis in den Raum stürmen und sich darum kümmern. Und dann wäre auch ganz schnell die Frage geklärt, ob sie feindselig war.
,,Da Sie ja nicht anfangen wollen zu reden, werde ich beginnen“, eröffnete ich das Gespräch, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Gelangweilt lehnte sie sich auf dem Stuhl zurück und erwiderte mit einer Handgeste, dass ich anfangen konnte.
,,Meine Name ist Sarah Gordon und ich werde Ihnen einige Fragen stellen und an Ihrer Stelle würde ich sie wahrheitsgemäß beantworten“, sagte ich und die Asin nickte kurz. ,,Sie sind eine Asin und kommen aus Asgard.“
,,Frage oder Feststellung?“
,,Eine Frage“, entgegnete ich genervt.
,,Ja“, teilte sie mir knapp mit.
Gott! Wenn das jetzt immer so weiter geht, dauert es ja noch Stunden.
,,Sie heißen unter den Menschen Lya Cooper und sind, oder eher gesagt,waren, Journalistin.“
,,Yup.“
Ich seufzte genervt auf und schmiss die Blätter vor mir auf den Tisch, so dass sie noch ein Stück weit in die Mitte rutschten. ,,Wie es scheint, haben Sie genau so wenig Lust auf das hier, wie ich. Also können Sie jetzt nicht einfach sagen, ob Sie feindlich gesinnt gegenüber uns Menschen sind oder nicht? Wie lange sind Sie schon hier? Und was wollen Sie hier eigentlich?“
,,Natürlich könnte ich das.“ , sie lächelte mich provokant an, ,,aber, ob ich es werde, ist eine andere Sache.“
,,Dann kann ich Sie auch einfach in eine Zelle stecken und in ein Gefängnis verfrachten, wo sie kein Tageslicht mehr sehen und dort ihre verdammte Unsterblichkeit verbringen können“, entgegnete ich trocken.
„Glauben Sie wirklich mich bedrohen zu können? Ich lebe seit mehr als eintausend Jahren auf der Erde – weshalb es auch so lustig ist, dass ihre ach so tolle Organisation es erst jetzt mitbekommt. Denken Sie ein paar Jahre Gefängnis würden mich interessieren? Auch wenn ich nicht glaube, dass es überhaupt dazu kommen würde.“
Mit ernster Miene sah ich sie an. Doch als ich zu einer Antwort ansetzen wollte, lehnte sich Lya Cooper nach vorne und sagte mit fester Stimme und einem Funkeln in ihren Augen: ,,Und jetzt mal ganz ehrlich: Wieso sollte ich etwas gegen die Menschen tun? Ich lebe hier doch selber.“
,,Geht doch“, sagte ich mürrisch und zog mir die Akte heran. Auf der zweiten Seite stand etwas über Ihre Wohnung, dass sie zwangsgeräumt worden war und Ihre Sachen versteigert wurden. Ich wandte mich wieder an Lya. ,,Ich hoffe, dass sich keine außerirdischen Gegenstände in Ihrer Wohnung befunden haben, bevor sie ausgeräumt wurde.“
Lyas Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. ,,Was wäre, wenn?“
,,Dann hätten wir ein Problem.“ Ich sah Cooper tief in die Augen. Sie hielt den Blick stand, seufzte jedoch auf.
,,Ja, ich hatte paar außerirdische Gegenstände in meiner Wohnung – schließlich habe ich dort gelebt.“
Sie betonte außerirdische so deutlich, um mir bewusst zu machen, dass sie dieses Wort lachhaft fand.
,,Waren nur ein paar Waffen und Relikte-“
,,Waffen?“, unterbrach ich sie entsetzt. ,,Wissen Sie, was diese in den falschen Händen anrichten können?“
Lya rollte mit den Augen, lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme.
,,Ich habe keine Lust, dass wieder irgendwelche Idioten Gott spielen wollen“, murmelte ich, jedoch nicht so leise, wie ich gedacht hatte, denn die Asin warf mir einen fragenden Blick zu. ,,Ist egal“, winkte ich ab.
,,Ich geh' mir meine Sachen einfach demnächst abholen, war nur zu faul dafür die letzten Monate. Mein Vermieter hat mir die Daten hinterlassen, wo sie hingebracht wurden.“ Die Asin zuckte gleichgültig mit den Schultern.
,,Das hoffe ich für Sie. Und nicht erst demnächst, sondern sofort – es ist wichtig, diese Dinge von den Menschen fernzuhalten. Wenn-“ Plötzlich hörte ich ein Klopfen an der Tür.
Das ist doch nicht deren Ernst?, dachte ich sauer und drehte mich zu Tür. Wissen sie etwa nicht,  dass man bei einem Verhör nicht stört.
Die Tür wurde geöffnet und Lewis betrat den Raum.
,,Es gibt ein kleines Problem, die Gegenstände zurückzubekommen. Ich glaube, dass müsst ihr euch selbst ansehen“, sagte er und eilte auch schon wieder davon. ,,Die Asin auch“, hörte wir ihn noch schreien, dann verschwand er auch schon in einem anderen Raum. Die Asin und ich folgten Lewis in den Überwachungsraum und er zeigte uns seine Entdeckung bezüglich der Firma. Es stellte sich heraus, dass die Firma eigentlich nur eine Fassade war. Insgeheim verkauften sie außerirdische Objekte an die Reichen und Sammler, die sehr viel Geld besaßen.
Die ganze Mission verlief ganz anders, als ich erwartet hatte – und zwar nicht unbedingt  positiv.
,,Woher wissen Sie das alles?“, erkundigte sich Anderson bei Cooper.
,,Ich habe ebenfalls Recherche betrieben“, entgegnete Cooper mit einem kühlen Unterton.
„Das heißt also, wir müssen diese Auktion invadieren und uns so die Gegenstände zurück beschaffen“, fasste Lewis zusammen.
„Nein, nicht ihr. Ich“, sagte die Asin und warf Lewis einen mahnenden Blick zu. ,,Ich will nicht, dass jemand von Ihnen in der Sache rumpfuscht, ich habe bereits alles geplant.“
Ich lachte auf. ,, Als ob wir zu lassen würden, dass eine Asin eine Mission leitet. Was wollen Sie machen? In das Auktionshaus reinstürmen und ihre Sachen wieder an sich nehmen?“ Ich warf der Asin einen verständnislosen Blick zu. ,,Überlassen Sie das strategische Planen einer Mission uns“, entgegnete ich und an meinem Unterton konnte man erkennen, dass ich keine Widerrede duldete.
Die Asin sah mich eine Zeit lang an, so als würde sie mir widersprechen wollen, doch schließlich erschien nur ein belustigtes Grinsen in ihrem Gesicht. Sie lief zu einem freien Stuhl und lehnte sich auf diesem zurück, dann sah sie uns abwartend an.
,,Was machen wir jetzt? Einfach so in diese Auktionen hereinspazieren und sie beschlagnahmen? S.H.I.E.L.D. muss immer noch im Dunkeln arbeiten“, erinnerte uns Will und sah uns nacheinander fragend an. ,,Nach der Sache in Washington ist es zu riskant, wieder an die Öffentlichkeit zu treten.“
„Also klauen wir sie einfach?“, sagte Lewis mit einem fragenden Unterton.
,,Genau das werden wir tun.“ Anderson warf mir ein vielsagendes Lächeln zu. ,,Oder besser gesagt - ihr beide.“ Sie deutete mit einer Geste auf die Asin und mich.
,,Warte.“ Überrascht zeigte ich auf Lya Cooper und dann auf mich. ,,Wir beide? Warum?“
,,Mit der einfachen Antwort - sie weiß, wie ihre Sachen aussehen. Und Sie, weil Sie schon Erfahrung mit der Zusammenarbeit von Asen besitzen. Außerdem wenn wir alle gehen würden, würde es zu viel Verdacht erregen.“
Ich wollte widersprechen, dass ich lieber alleine gehen würde, als je wieder mit einer Asin zusammenzuarbeiten, doch kam ich nicht dazu.

Inhumans | AoS SE02 [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt