Kapitel 8

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Ich schlug meine Augen auf und atmete tief ein. Ich war nicht tot – das war meine erste Erkenntnis.
Ich befand mich nicht mehr in dem Tempel, sondern im Bus. Um genau zu sein - auf der Quarantänestation.
Erschöpft fuhr ich mir durch die Haare. Ich fühlte mich so ausgelaugt.
Was ist zum Teufel in diesem  Tempel passiert? , schoss es mir durch den Kopf und ich richtete mich auf. Erst jetzt stellte ich fest, dass links von mir ebenfalls jemand lag. Es war Skye. Sie hörte Musik und starrte die Decke an.
,,Skye?“, fragte ich – meine Stimme hörte sich heiser an.
Skye bemerkte, dass ich aufgewacht war. Sie nahm die Kopfhörer aus ihrem Ohr,  setzte sich in den Schneidersitz und sah mich an.
,,Wie geht es dir?“, erkundigte sie sich bei mir – ihre Stimme zitterte leicht.
Sie sah mitgenommen aus und ihre Augen waren glasig – sie hatte geweint. Etwas bedrückte sie, das wusste ich.
,,Soweit ganz gut“, entgegnete ich kurz und mein Blick fiel auf meinen Arm, um welchen ich ein Messgerät hatte.
,,Was ist passiert?“, verlangte ich von ihr zu wissen. ,,Warum sind wir hier eingesperrt?“
Skye wurde für einen Moment still. Dann schluckte sie schwer und versuchte die richtigen Worte zu finden.
,,Wir wurden von den Obelisken getroffen“, sagte sie langsam. ,,Trip ... er ist ...“ Skye stockte und Tränen liefen über ihr Gesicht.
,,Ich versteh' schon“, erwiderte ich und schloss für einen Moment meine Augen.
Trip war tot. Er war in diesem verfluchten Tempel gestorben!
Ich öffnete wieder meine Augen und musterte Skye vor mir.
Sie fühlt sich für seinen Tod verantwortlich , bemerkte ich. Ich wusste nicht, warum, doch strahlte sie irgendwie diese Traurigkeit und Schuldgefühle aus.
,,Es ist nicht deine Schuld“, stellte ich klar und stand von meiner Liege auf, um mich neben sie zu setzen.
Skye sah mir dabei zu, ihre Augen waren glasig.
,,Da bin ich mir nicht so sicher“, entgegnete sie flüstern.
Auf einmal vernahm ich Schritte und kurze Zeit später tauchte Fitz auf.
,,Was gibt’ s?“, fragte Skye und wischte ihren Tränen mit dem Ärmel ihres Pullover weg.
,,Sag' du' s mir. Ich habe deine Uhr repariert.“ Er zeigte sie uns kurz, dann wandte er uns den Rücken zu. Er war nervös, was daran erkannte, dass er mit seinem Fuß unruhig wippte. ,,Ich habe mir die Daten angeschaut, während der Tempel eingestürzt war.“
Skye stand auf und lief zur Glasscheibe.
,,Du hattest dabei eine Herzfrequenz von beinahe 300 Schlägen pro Minute“, sagte er leise.
,,Das ist verflucht schnell“, meinte Skye.
,,Nein, es ist nicht menschlich“, entgegnete Fitz und drehte sich uns wieder zu. Skye setzte sich langsam wieder auf ihr Bett.
,,Ich dachte, dass die Daten nicht richtig wären. Doch dann überlegte ich, wie der Herzfrequenzmesser von innen zerstört werden konnte, wenn er sich doch an deinen Arm befunden hatte, merkwürdig. Und dann wie wir dich noch gefunden haben. Beinahe unversehrt lagst du zwischen den Trümmern.“ Fitz' Stimme wurde lauter und die Worte sprudelten nur aus seinem Mund. ,,Alles war um dich herum zerstört“, sagte Fitz und hielt seine Hand gegen seinen Kopf.
Plötzlich fing der Raum an zu beben, wie es bei Erdbeben vorkam. Mein Blick fiel auf auf Skye. Sie war dafür verantwortlich, musste ich erstaunlicherweise feststellen. Sie war in Panik.
,,Ich dachte, ich würde wieder meinen Verstand verlieren“, gab Fitz verzweifelt zu und beugte sich leicht nach vorne. ,,Also ging ich eine Weile in mich. Vielleicht wollte ich es auch nicht wahrhaben“, Fitz sah zu Skye, er hatte ebenfalls Tränen in den Augen, ,,dass du überlebt hattest, weil du den Einsturz selbst ausgelöst hattest.“
Skye stand wieder auf und schüttelte mit dem Kopf. ,,Nein, nein, nein, Fitz“, begann sie weinerlich, doch unterbrach Fitz sie.
,,Raina war nicht die Einzige, die sich verändert hat. Ihr beide müsst euch verändert haben“, sagte Fitz und sah mich nun auch an. ,,Die DNA-Tests werden es bestätigen, dass die Daten in meinem Kopf nicht falsch sind.“Er deutete mit erhobenen Zeigefinger auf uns. ,,Irgendetwas stimmt mit euch nicht.“
Als Fitz das gesagt hatte, lief Skye in der Quarantäne auf und ab – ihre Hände gegen die Ohren gedrückt, so als wolle sie verhindern, dass Fitz Worte sie nicht erreichen. Das Beben wurde immer doller und ich bemerkte, dass Skyes Verzweiflung weiter anstieg. Ich wusste zwar nicht woher ich es genau wusste, doch fühlte ich es in mir. Ich spürte Skyes Verzweiflung.
,,Nein!“, brüllte Skye und in diesem Moment zersprang eine Lampe, die sich bei uns im Raum befand. Schützend hielt ich meine Hände vor die Augen. Ich hörte, wie Fitz wegrannte.
Dadurch bestätigt sich sein Verdacht.
Kurz danach fluchte Skye auf: ,,Nein, nein, nein.“
Ich öffnete meine Augen wieder. Das Beben hatte aufgehört, sofort sah ich zu Skye, welche versuchte, mit der bloßen Hand die Glassplitter der Lampe wegzuräumen. ,,Es tut mir so leid, Sarah“, sagte sie wehleidig und sah mich entschuldigend an.
Ich wusste nicht ganz, wie ich mich fühlen sollte. Einerseits war ich verwirrt, doch andererseits war ich so klar bei Verstand, dass es mich nicht einmal mitnahm, dass gerade eine Freundin von mir, eine Lampe auf unergründlicher Weise zerstört hatte.
,,Ist schon gut“, murmelte ich und wollte Skye helfen, doch vernahm ich erneut Schritte, die mich zurückhielten.
,,Da kommt jemand“, warnte ich Skye, welche sofort aufhörte, die Scherben aufzusammeln.
Es war May.
Skye warf mir einen stummen, hilfesuchenden Blick zu, dass ich nichts gegenüber May verraten sollte. May sprach eine Weile mit uns, doch als sie erkannte, dass sich Blut an einen der Bettgestelle befand, fragte sie nach. Skye hatte sich anscheinend verletzt als sie die Glasstücke aufgesammelt  hatte. Sie versuchte etwas zu sagen, doch brachte sie keinen einzigen Ton heraus.
,,Sarah, was ist passiert?“, fragte May mich und warf mir einen Blick zu, der verriet, dass ich besser antworten sollte.
Gerade als ich ansetzte, betrat Fitz das Zimmer.
,,Das war wieder Fitz“, log er und deutete auf sich. ,,Ich hatte einen dieser albernen Schutzanzüge an und habe versehentlich die Lampe umgeworfen. Du machst ja schon sauber“, sagte er an Skye gerichtet. ,,Manchmal ist meine Koordination noch etwas .. aber egal. Ich habe die DNA-Ergebnisse von Skye und Sarah überprüft. Sie entsprechen genau noch dem alten Bild“, sagte er und reichte Simmons das Pad, welches er in der Hand hielt, dann lächelte er uns aufmunternd zu.
Warum lügt er jetzt?
,,Das ist großartig“, meinte Simmons begeistert und wirkte sichtlich erleichtert.
,,Ich werde Coulson die guten Nachrichten überbringen, die kann er gut gebrauchen.“ Und dann verschwand auch May wieder.
Fitz kratzte sich am Kopf und wandte sich an Simmons: ,,Würdest du vielleicht saubere Bettlaken holen. Skye würde sich bestimmt hinlegen wollen. Ich muss mich um ihre Wunde kümmern.“
Simmons nickte verstehend und verließ den Raum.
,,Was hast du gemacht?“, fragte Skye Fitz.
Fitz kniete sich neben Skye und fing an ihre Wunde zu säubern. ,,Ich habe die neuen Ergebnisse mit den alten vertauscht.“
,,Warum, hast du sie vertauscht?“, informierte ich mich bei Fitz.
,,Weil die Ergebnisse abweichen“, antwortete mir Skye entsetzt.
,,Dramatisch“, bestätigte Fitz. ,,Auch bei dir, Sarah.“
Ich hob überrascht eine Augenbraue. ,,Bei mir muss ein Fehler vorliegen“, entgegnete ich und winkelte meine Beine an. ,,Ich fühle mich gut. Außerdem habe ich nicht solche unerklärlichen Kräfte wie Skye.“ Ich warf einen kurzen Blick zu Skye. ,,Sorry“, fügte ich noch hinzu.
,,Ich sage die Wahrheit. Die Ergebnisse lügen nicht“, gab Fitz zurück und verband Skyes Wunde. ,,Aber solange sich hier niemand beruhigt hat, wird niemand was davon erfahren. Klar? Dann wird niemandem von euch was passieren.“
Skye nickte und fiel Fitz in die Arme. ,,Das ist alles meine Schuld“, schluchzte sie.
Traurigkeit. Verzweiflung. Schuldgefühle.
All diese Gefühle verspürte ich mit einem Mal. Doch war es, als wären es nicht meine eigenen.
,,Ich hätte sie aufhalten können. Ich hätte es tun können.“ Sie meinte Raina.
,,Hey, das ist nicht deine Schuld“, sprach Fitz und versuchte sie zu beruhigen.
,,Du hast recht: Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht“, meinte sie.
,,Du bist jetzt einfach anders und daran ist überhaupt nichts verwerflich.“

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Inhumans | AoS SE02 [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt