Kapitel 13

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,,Ich bekomme das nicht hin“, meinte ich und warf frustrierend meine Arme in die Luft.
,,Versuche es noch einmal“, sagte Laetitia und sah mich an. Ihr Blick bedeutete, dass sie keine Widerrede duldete, weswegen ich mit einem genervten Stöhnen meine Augen wieder schloss.
Ich saß im Schneidersitz auf dem Steinboden einer Art Platzes, während um mich herum die Menschen ihren alltäglichen  Aufgaben nachgingen.
Laetitia hatte mir die Aufgabe erteilt, die Gefühle von irgendjemanden zu lesen. Dies sollte ich mithilfe von Konzentration und Geduld erreichen - jedoch waren beide bereits nach wenigen Stunden vergangen.
Ich atmete tief durch und stellte mir vor, wo die Menschen ungefähr waren.
Vielleicht funktioniert es, wenn ich mich erst einmal auf eine Person konzentriere, dachte ich.
Ich wusste, dass sich in der Nähe ein Springbrunnens befand, vor welchem eine junge Frau kniete und immer wieder das Wasser mit ihrer bloßen Hand gefrieren ließ.
Ich konzentrierte mich auf die, jedoch erzielte ich damit immer noch keinen Fortschritt. Ich sah zu Laetitia hoch, welche mich warnend anblickte und ich wieder meine Augen schloss.
Sollte ich die Hand vielleicht ausstrecken?, dachte ich, doch wenige Augenblicke danach zweifelte ich schon, dass es mir so gelingen könnte.
Ein Versuch ist es wert.
Ich versuchte es, doch musste ich feststellen, dass ich immer noch nicht ihre Gefühle lesen konnte, weswegen ich wieder meine Augen aufschlug. Ich hatte zwar nicht geschafft die Gefühle der Frau zu lesen, jedoch hatte ich ihre Aufmerksamkeit auf mich gezogen, denn sie sah mich fragend an.
,,Was machst du da?“, fragte sie mich und hielt inne, weiter das Wasser des Brunnen einzufrieren.
,,Ich lerne mit meinen Kräften umzugehen“, entgegnete ich. ,,Jedoch ohne Erfolg.“
Sie legte den Kopf schief und musterte mich. ,,Du bist einer der Neuen?“
Ich nickte nur kurz zur Bestätigung.
,,Cool!“, sagte sie und sah mich dann neugierig an. ,,Was hast du denn für eine Gabe bekommen?“
,,Ich kann Gefühle von anderen lesen“, gab ich zurück.
,,Ah“, sie stand auf und lief auf mich zu, ,,Vielleicht hilft es dir, wenn jemand genau vor dir steht. Also am Anfang.“
Ich warf Laetitia einen fragenden Blick zu.
,,Wir können es probieren“, antwortete sie und zuckte mit den Schultern.
Die junge Frau stellte sich einige Schritte von mir entfernt hin und ich schloss meine Augen.
Ich konzentrierte mich auf sie. Doch nichts geschah. Erst als ich Schritte vernahm, regte sich langsam etwas. Ich schlug meine Augen wieder auf und sah die Frau direkt an.
Freude.
,,Du bist glücklich“, merkte ich an, doch hätte das auch jeder anderer Mensch bemerkt, der nicht meine Kräfte besaß, denn sie strahlte gerade so vor Freude.
,,Ja, das bin“, bestätigte sie, doch galt ihre Aufmerksamkeit nicht mehr mir, sondern jemand anderem.
Ich folgte ihrem Blick und konnte einen Mann mit dunkelblonden Haaren erkennen, der sich gegen eine Hauswand gelehnt hatte und die Frau ebenfalls mit einem Grinsen ansah. Er stieß sich von der Wand ab und ging auf uns zu.
,,Avan, du hast ganz schön auf dich warten lassen!“, sagte sie und begrüßte ihn mit einer Umarmung.
,,Es waren nur einige Tage“, entgegnete er lachend. Er wandte sich von der Frau ab. ,,Laetitia, schön, dich zu sehen.“
,,Auch schön dich zu sehen. Sag mir, warum hast du denn deine Schwester hier alleine gelassen?“, erwiderte sie mit einem gespielten strengen Unterton.
Er sah die weißhaarige Frau lächelnd an. ,,Ich habe jemanden in der Wüste besucht, um einer meiner Kräfte zu verbessern“, sagte er, ehe er sich leicht nach vorne zu Laetitia beugte und noch leise hinzufügte: ,,Du weißt doch, dass sie mit Hitze nicht sonderlich gut klar kommt.“
,,Hey, das habe ich gehört!“, meinte die Frau, die anscheinend seine Schwester war, empört und stemmte die Hände in ihre Hüfte.
,,Ach, wo bleiben denn meine Manieren? Ich bin Avan“, stellte der Mann sich vor und hielt mir die Hand hin.
Ich schlug ein. ,,Sarah“, ich wandte mich an die Frau, ,,und du bist?“, fragte ich seine Schwester.
,,Cassey. Meine kleine Zwillingsschwester“, antwortete Avan und drückte Cassey an sich.
,,Nur dreieinhalb Minuten“, stöhnte sie genervt und löste sich aus seinem Griff. ,,Außerdem kann ich für mich alleine sprechen. Ich bin Cassandra, aber Freunde können mich auch Cass nennen.“
Laetitia räusperte sich, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen.
,,Ich denke, dass es erst einmal für heute reicht“, sie wandte sich zum Gehen ab, ,,Bis morgen dann.“
Ohne eine Antwort abzuwarten eilte sie auch schon davon.
,,Ich werde aus dieser Frau nicht schlau“, gab Cassey ehrlich zu, als sie Laetitia stirnrunzelnd hinterher sah.
,,Ich glaube, das schafft niemand“, antwortete Avan, ehe er dann das Wort an mich richtete. ,,Ich habe dich noch nie hier gesehen. Wie kommt es, dass ich dich jetzt erst kennenlerne?“
Als ob er jeden hier kennt?, schoss es mir durch den Kopf. Doch als ich zu einer Antwort ansetzen wollte, kam Avan mir zuvor.
,,Nein, ich kenne hier nicht alle. Jedoch kenne ich alle Neulinge.“
Woher wusste er, dass ich das dachte? Ich warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Kann er Gedanken lesen? Sicherlich gibt es -
Erschrocken schreckte ich auf, als plötzlich Avan in die Hände klatschte und dann mit den Zeigefingern auf mich zeigte.
,,Du hast es erraten“, er deutete eine Verbeugung an, ,,Ich bin ein Gedankenleser.“
,,Oh, okay“, war das Einzige, was ich herausbrachte, woraufhin Cassey auflachte und auf die Schultern ihres Bruders klopfte.
,,Sag ihm einfach, dass er dort drin nichts zu suchen hat. Er wird sicherlich deinem Wunsch schon nachgehen.“ Sie warf ihm einen warnenden Blick zu. ,,Nicht wahr?“
Avan hob schmunzelnd die Hände. ,,Natürlich, ich wollte ihr nur einer meiner Kräfte demonstrieren.“
,,Einer meiner Kräfte?“, fragte ich nach und Avan nickte.
,,Ich besitze mehrere Kräfte.“ Als er meinen fragenden Blick sah, sprach er weiter. ,,Okay, ich werde es dir erklären. Es ist so, dass wir Inhumans meistens nur eine Gabe erhalten, manchmal gibt es auch Gaben die übergreifen oder so, aber da kenne ich mich nicht so aus“, er warf mir ein entschuldigendes Lächeln zu, ,,da musst du jemanden anderes fragen, aber ich wollte dir ja von meiner Gabe erzählen.
Auf jeden Fall habe ich eine Gabe, mit der ich die Kräfte anderer Inhumans sozusagen kopieren kann.“
,,Wow“, meinte ich erstaunt. ,,Kannst du auch die Kräfte von anderen Inhumans wegnehmen?“
,,Nein, das kann ich nicht“, sagte er kopfschüttelnd. ,,Vielleicht gibt es so eine Gabe, jedoch habe ich beschlossen keine weitere Gabe mehr in mich aufzunehmen.“
Ich sah ihn stirnrunzelnd an und ich öffnete meinen Mund, um zu fragen, was er damit meinte.
,,Es gibt einige Nachteile“, berichtete mir Cassey. ,,Es gibt fast immer irgendeinen Nachteil bei den Kräften. Sei es, ob du andere verletzt, dein Äußeres sich verändert oder dass dir deine eigene Kraft einfach zu viel wird“, sie hob kurz die Hand und kurze Zeit später entstand eine Art Eiszapfen in ihrer Hand. ,,Bei mir ist es beispielsweise, dass ich mit höheren Temperaturen nicht klar komme.“
Sie betrachtete ihre Hand, in welcher sich der Eiszapfen befand. ,,Bye, bye Expeditionen in die Wüste oder in den Dschungel“, sagte sie mit einem theatralischen Seufzen , während sie das Eis in ihrer Hand schmelzen ließ, so dass das Wasser auf den Boden tropfte. Auf ihren Lippen erschien ein breites Grinsen. ,,Doch lässt es sich damit leben.“
,,Was passiert, wenn du in einem Gebiet mit zu hoher Temperatur bist?“, fragte ich und zu meinem erstaunen zuckte sie mit den Schultern.
,,Ich weiß es nicht. Das letzte Mal bin ich ohnmächtig geworden. Ich wollte nicht mehr herausfinden.“
Ich nickte verstehend und wandte mich an Avan. ,,Was ist der Nachteil deiner Gabe?“
,,Gaben“, verbesserte er mich freundlich. ,,Eigentlich sind es Gaben. Plural. Es kommt darauf an. Zum Beispiel als ich meine letzte Gabe erlernt habe, war es, dass ich sie nicht in großen Menschenmengen einsetzen kann. Es war die Telepathie.“
,,Und deswegen hast du aufgehört mehr Kräfte zu erlernen?“
Avan schüttelte mit dem Kopf, doch seine Zwillingsschwester antwortete.
,,Er hat in alten Tagebüchern gelesen, dass sich ein Inhuman, mit genau der gleichen Gabe wie er, übernommen hatte und irgendwie ums Leben kam.“
,,Er hatte zu viele Kräfte gesammelt“, fügte er noch hinzu. ,,Ich werde aus seinen Fehlern lernen und mich nicht übernehmen.“ Er sah mich an. ,,Wurdest du eigentlich schon herumgeführt?“
Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein wurde ich noch nicht. Laetitia fand es wichtiger, dass ich mit meinen Kräften umgehen kann.“
,,Ja, das dachte ich mir schon. Sie ist nicht so dafür bekannt, ihren Schülern das Dorf zu zeigen.“ Er legte erst einen Arm um seine Schwester, dann um mich. ,,Was hältst du davon, dass wir Sarah das Dorf zeigen, Cass?“
,,Ich finde, dass ist eine super Idee“, entgegnete sie mit einem Schmunzeln und ehe ich mich versah, zeigte mir die Zwillinge auch schon das Dorf.

~ 1439 Wörter

Und wieder ein neues Kapitel!

Ich weiß, dass ich irgendwie immer unregelmäßig uploade. 😅

Ich werde jetzt einfach die restlichen Kapitel hochladen ^^

Beim nächsten Buch werde ich das besser machen!

Inhumans | AoS SE02 [Band 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt