Jungkook
Überall wo ich war, war er auch.
Er machte mir Angst. Er hatte eine gewisse Aura an sich, die ich schon bei unserem ersten Treffen bemerkte - sie warnte jedem vor, dass er gefährlich war und dass man sich vor ihm lieber in Acht nehmen sollte. Man erkannte es schon beim bloßen Hinsehen; dieser Blick, den er jedem gab, wenn man mal seine Aufmerksamkeit gewann, schrie förmlich danach sich von ihm fernzuhalten. Er schreckte jeden, der ihm widerwillig in die Quere kam, dermaßen ab, sodass es schon an einem Mythos grenzte, neben diesen Jungen eine andere Person gesichtet zu haben, die den Anschein machte ein guter Freund von ihm - oder sowas in der Art - zu sein.
Er war wie ein Tiger: ein Einzelgänger, bedrohlich und immer bereit seine Beute zu fassen, wenn sie es am wenigsten erwartete. Traf man auf ihn, ging man ihm ohne Zweifel aus dem Weg, ansonsten könnte die Begegnung böse enden.
Ich ging mal am helllichten Tag durch den Park spazieren und sah ihn. Als ob er spüren konnte, dass man ihn heimlich musterte, hob er seinen Kopf und seine Augen, die gerade noch so seine langen braunen Strähnen durchdrangen, verfingen meine. Ertappt zuckte ich leicht zusammen und wich ein wenig nach hinten. Mit jedem Schritt, den ich machte, erhoffte ich den Abstand zwischen uns vergrößern zu können, doch durch diesen Blickkontakt fühlte es sich so an, als würde mein Tun bloß das Gegenteil bewirken.
Das Schlimmste dabei war, dass ich es nie schaffte mich von seinem Blick loszureißen. Ich spürte jedes Mal diesen Frost, welcher meinen Körper hinaufkrabbelte und ihn mit Gänsehaut bescherte. Trotzdessen war da neben der blanken Angst noch immer dieses Fünkchen Wut auf ihn, die nach unserer ersten Begegnung aufkam, weil er sich scheinbar zu schade war, sich für sein unfreundliches Verhalten zu entschuldigen.
An einem anderen Tag erledigte ich die Einkäufe für meiner Mutter. Mit den nötigsten Lebensmitteln in den Händen balancierend ging ich in Richtung Kasse und sah ihn dort, weshalb ich nicht lang darüber nachdenkend auf den Absatz kehrt machte und mich hinter Regalen versteckte, um zu vermeiden, dass er mich sah.
Er war überall, wo ich ebenfalls aufzufinden war.
Ich schlief aufgrund dieser Erkenntnis nicht mehr richtig. In letzter Zeit klingelte es auch häufig an der Tür, doch wenn meine Mutter und ich aus dem Fenster sahen, sahen wir niemanden. Manchmal fanden wir aber einen Brief nach dem anderen vor unserer Haustür liegen. Ich wusste, dass er es war. Denn als ich mal eines dieser Briefe hochhob, sah ich, wie er mich aus seinem Fenster aus beobachtete und jeden Schritt und jede Bewegung genau mitverfolgte, bevor er dann immer irgendwas in sein Notizbuch kritzelte. Mit rasendem Herzen rannte ich ins Innere meines Zuhauses und verschanzte mich in mein Zimmer, worin ich mich erst traute durchzuatmen. Es war unheimlich.
Eines Tages war ich allein zu Hause. Ich hatte es wirklich mit der Angst zu tun, denn es war mir bewusst, dass er darüber bescheid wusste.
Wie verrückt versuchte ich mich mit allen Tätigkeiten, die noch so klein waren, abzulenken. Es war anfangs schwer, aber es klappte. Irgendwann entschied ich mich dazu meine Lieblingsserie zu schauen und wie von Zauberhand waren die Sorgen für eine geraume Zeit in Vergessenheit geraten.
Folge nach Folge spielten sich auf den Fernsehr ab, welche ich gebannt verfolgte. Ich war so vertieft in diese Serie, dass ich sogar aufschreckte als mein eigener Magen knurrte. Kurzerhand griff ich nach der Fernbedienung und stoppte die mir vorgespielte Szene, ehe ich mich ohne weiteres in die Küche begab. Ich machte mir eben etwas zu essen und servierte es auf einem Teller, bevor ich mich damit auf den Weg ins Wohnzimmer machen wollte.
Mit vollen Händen drehte ich mich um, und stieß beinahe gegen einen fremden Oberkörper. Es war ja schon gruselig genug, dass ich wohl einem Einbrecher gegenüberstand, doch als ich in das Gesicht des Eindringlings sah, hätte man meinen können, dass ich in der Sekunde einen Herzstillstand erlitt.
Er stand direkt vor mir.
Meine Augen weiteten sich, während ich lautlos nach Luft japste. Sein Mundwinkel zuckte und verzog sich zu einem boshaftigen Grinsen, der mich erschaudern ließ. Ich konnte mich nicht bewegen und merkte auch nicht, wie ich vor Schreck das Essen fallen ließ. Und dann wurde alles schwarz.
Eine laute, ohrenbetäubende Sirene ertönte und war das Einzige, was ich vernehmen konnte.
Ich wusste nicht was mir geschah, doch plötzlich wachte ich schreiend auf. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Diese Sirene schien sich wie eine kaputte Schallplatte in meinem Kopf verfestigt zu haben. Schweißtropfen rannen mir über die Stirn. Panisch schaute ich mich um.
Ich lag auf meinem Bett. In meinem Zimmer. Langsam atmete ich zittrig aus.
Es war nur ein verdammter Traum.
Ich sah nach links.
Und diese Sirene nur mein wütender Wecker.
Seufzend stellte ich den aus und ließ mich erschöpft wieder zurück ins Bett fallen. Ich starrte die Decke so lange an, bis ich wieder gleichmäßig Atmen konnte.
Wenn der Tag schon so anfing, dann konnte er nicht besser werden.
Etwas deprimiert schloss ich für einen kurzen Moment erneut die Augen.
Wie zur Hölle sollte ich schon den heutigen Schultag überleben? Ich hatte es einfach im Gefühl, dass der Tag noch schlimmer enden würde. Normalerweise vertraute ich lieber nicht blind meinem Bauch, da er mich nur in peinlichen Situationen brachte. Aber heute war es anders. Das Gefühl hatte anders als sonst eine starke Präsenz. So, als ob er mir damit sagen wollte, dass ich heute einfach zu Hause bleiben sollte.
Doch schwänzen stand gar nicht erst zur Debatte. Es war einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbar. Ich traute mich nicht mal mich bei der unfreundlichen Sekretärin in der Schule abzumelden, wenn es mir regelrecht beschissen ging.
Seufzend fuhr ich mir durchs Haar.
Ich hatte nicht mal was großartiges gegen Schule, aber heute hätte ich am liebsten darauf verzichtet.
Wie von einem Blitz getroffen riss ich die Augen auf und saß keine Sekunde später kerzengerade auf meinem Bett.
Moment.
Mein Wecker.. er war lauter als sonst.. nerviger als sonst...
Mit noch müden Augen sah ich mir die Uhrzeit an und verschluckte mich vor Schreck, wonach ich mit einem heftigen Hustanfall zu kämpfen hatte. Ich hatte nur noch drei Minuten, um mich für die Schule fertig zu machen.
"Mist..!"
Im Speedmodus erledigte ich das Nötigste, rannte an der Küche vorbei und schnappte mir gerade so noch über meine eigenen Füße stolpernd einen Apfel, den ich unterwegs aß. Oder auch nur dümmlich in der Hand hielt, während ich die Straße hinunterrannte.
Jimin wartete bestimmt schon auf mich.
Ich beeilte mich, um so schnell wie möglich an anserem Treffpunkt zu gelagen, wo wir auch schon in der Grundschule immer aufeinander warteten, sodass wir den Schulweg zu zweit antreten konnten.
Von weitem sah ich ihn schon.
Etwas aus der Puste kam ich vor ihm zum Stehen, was ihn dazu verleitete von seinem Handy aufzuschauen, worauf er noch vor meinen energischen Antritt herumgetippt hatte.
"Habe voll verschlafen, sorry. Wartest du schon lange?", ratterte ich noch halb nach Luft hechelnd runter.
Er legte einen Arm um meinem Hals und zog mich grinsend mit ihm mit. "Ne, keine Sorge", meinte er bloß gut gelaunt und fing an von seinem Wochenende zu erzählen.
Irgendwann kam auch Yugyeom dazu, der absolut keine gute Laune zu haben schien. Doch es sollte uns nicht überraschen, denn er hasste den Montag wie die Pest. Genau deshalb ließ sich Jimin nicht weiter davon beirren und erzählte lebhaft vor sich hin, wie er mit anderen Leuten betrunken Karaoke gesungen hatte. Ich blieb den ganzen Weg bis zu unserem Klassenraum jedoch still und hörte nur halbherzig zu, während ich den Apfel aß.
Dieses mulmige Gefühl in der Magengegend verschwand noch immer nicht.
°Love Maze
030120
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Love Maze| ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ
FanfictionJungkook ist ein ziemlich schüchterner Schüler, der es unter keinen Umständen wagen würde seine wohlgeliebte Komfortzone zu verlassen. Schon immer war er ein Feind der plötzlichen Lebensumstellungen und findet diese auch nicht nötig: sein Leben gefä...