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Ich lehne meinen Kopf ans Fenster und schaue in den nebligen Morgen hinaus. Grüne Weiden flitzen an meine Augen vorbei. Regen prasselt leicht gegen die Zugscheibe. Ich kann mir ein Gähnen nicht unterdrücken. Dann schließe ich mir die Augen. Bis wir London erreichen, dauert es noch gut eine Stunde. Das ist eins der Nachteile in einen Kaff zu leben, wo es keinen Supermarkt, keinen Arzt und keine Schule gibt, bloß Kühe und Schafe.

Plötzlich zucke ich erschrocken zusammen, als meine Schwester laut anfängt zu lachen. Ich öffne abrupt meine Augen und schaue zu Olivia rüber. Ich verdrehe die Augen, als ich sie mit drei Jungs flittern sehe. Sie grinst die Jungs verführerisch an und spielt kindlich mit ihren langen blonden Haaren. Allerdings muss ich zugeben, dass meine jüngere Schwester bildschön ist. Sie ist einfach perfekt! Ist ja klar, dass die Jungs total auf sie abgehen. Ich seufze und schaue mein Spiegelbild am Fenster an. Im Gegensatz zu meiner Schwester habe ich dunkle braune Augen und kurze braune Haare. Leider bekommen Leute mit braunen Haare und braunen Augen nicht so viel Aufmerksamkeit, wie Menschen mit blonden Haare und blauen Augen. Braun ist eben langweilig und gewöhnlich! Kein Wunder, dass ich neben meiner Barbie Schwester unsichtbar bin. Ich stöhne leise und betrachte den Rest meines Körpers. Besonders groß bin ich nicht und habe auch nicht die sportliche Figur meiner Schwester. Ich habe eher einen kurvigen Körper.

Bevor ich tief in Selbstmitleid und Selbsthass verfalle, merke ich, wie Olivia den Finger auf mich zeigt und die Jungs ihre Blicke auf mich richten. Meine blasse Haut verfärbt sich in rot, dann in lila, dann in grün und dann wieder in rot. Ich richte mein Blick auf meine Schuhe und klammere mich am Sitz fest. Ich höre, wie sich Schritte nähern. Mein Herz fängt an lauter zu pochen. „Bitte redet mich nicht an!", flehe ich verzweifelt.

„Das ist meine Schwester. Caty!", erklärt Olivia mit einer Engelsstimme.

„Hi Caty, ich bin Tom, das ist Jeremy und der Arschloch hier ist Will", witzelt der Junge mit den Piercing in der Nase.

„Hi", kommt es leise und quiekend aus mir raus. Die Jungs schauen mich erwartungsvoll an, so als ob ich noch was zu sagen hätte. Hierauf herrscht eine unangenehme Stille. Ich hasse mich dafür. Ich kann einfach mit Menschen, die ich nicht kenne, nicht reden. Ich würde es ja gerne, aber ich bekomme dann plötzlich immer Blackout und mir fallen die Worte nicht ein. Außerdem hasse ich Smalltalks! Ich habe viel bessere Sachen zu tun, als über das Wetter zu sprechen. Ich bevorzuge viel lieber tiefgründige Gespräche. Doch in solchen Momenten wie jetzt, wäre ein Smalltalk ziemlich gut angeeignet. Meine Schwester spürt die unangenehme Stimmung in der Luft und rettet die Situation, indem sie anfängt über ihr Studium zu erzählen. Ich atme erleichtert aus. Olivia ist eine gute Rednerin. Manchmal frage ich mich, woher sie immer so viel Stoff zum Reden hat und ob sie nie erschöpft wird. Das beneide ich sehr an sie. Sie kann immer sehr schnell Freundschaften schließen und ihr ist nie was peinlich. Nun ja... und wieder ist die ganze Aufmerksamkeit auf Olivia gerichtet und ich sitze da nur blöd rum. Am liebsten würde ich jetzt im Erdboden versinken.

„Hey, unser Kumpel schmeißt heute Abend eine Party. Habt ihr Bock zu kommen?", fragt Tom, der Olivia appetitlich anschaut.

„Klar doch!", grinst Olivia schelmisch.

Ich beuge mein Kopf nach unten und versuche das Gespräch zu ignorieren. Sie wollen doch eh nur, dass meine Schwester kommt. Ich wäre bloß das dritte Rad, wenn ich mitkommen würde. Die haben sowieso keine Lust auf mich. Ich habe ja schließlich alles versaut.

„Und du?"

Ich spüre, wie mich jemand leicht an stupst. Ich erhebe verwirrt meinen Blick.

„Kommst du auch zur Party? Wäre richtig geil!", fragt Will lächelnd.

Ich schaue Will mit offenem Mund an. Will er wirklich, dass ich mitkomme? „Ähm... j-ja"

„Super! Dann sehen wir uns heute Abend!", grinst er glücklich. Plötzlich hält der Zug an der vorletzten Station vor London an. Bevor die Jungs aussteigen, tauscht Tom noch Nummern mit Olivia.

Als der Zug weiter fährt, nähert sich mir meine Schwester und lächelt mich frech an, „Der Will steht auf dich!"

Ich erröte, „Ach was! Er war bloß nett"

„Das glaubst doch nur du!", grinst Olivia, indem sie ihre Arme vor der Brust kreuzt, „Ich habe doch gesehen, wie er dich angeschaut hat!"

Ich schmunzle. Kann es wirklich sein, dass Will auf mich steht? Ich mein, er war ziemlich nett und hat mich sogar persönlich angesprochen, obwohl ich mich wie ein ängstliches Häschen benommen habe. Kann wirklich ein Junge auf mich stehen? Das wäre das erste Mal! Es wäre das erste Mal, dass ein Junge mich anstatt meiner Schwester auswählt.

 Kann wirklich ein Junge auf mich stehen? Das wäre das erste Mal! Es wäre das erste Mal, dass ein Junge mich anstatt meiner Schwester auswählt

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