Kapitel 9 Brennende Bäume

102 13 0
                                    


Als die Nacht sich über Lore senkte, erstrahlten die Straßen der kleinen Siedlung in hellem Glanz.

Girlanden waren zwischen den Häusern gespannt worden und auf den Wiesen brannten helle Feuer. Ob es einen Zauber gab oder einen anderen Trick, aber einige der Flammen loderten in intensiven rot, oder goldgelb und hüllten die nähere Umgebung in ihren Schein. In den Schein durch den Herbst in Brand geratener Blätter... Eden sah von ihrem Platz aus zu, wie einzelne Nachtfalter in den Feuern und aufgestellten Fackeln verglühten.

Der Duft von bratendem Fleisch und Gemüse füllte die Luft. Eden schätzte, dass mindestens doppelt so viele Leute hier waren, als sonst eigentlich im Dorf leben dürften. Menschen und Gejarn gleichermaßen , aus verschiedenen Clans und Siedlungen. Warum ausgerechnet Lore als Treffpunkt ausgewählt worden war, daran schien sich niemand mehr erinnern zu können.

Eden saß an einem Tisch unter freiem Himmel, zusammen mit Zachary und Markus. Zabrim hatte sich ein paar Plätze weiter niedergelassen und seine Tochter lief wohl mit einem Dutzend weiterer Kinder irgendwo zwischen den Feuern umher.

Die Gejarn wusste nicht, wie lange ihre letzte, richtige Mahlzeit her war. Oder wie lange die Letzte, die nicht aus verwässerten Resten bestand. Hier jedoch schien kein Mangel an irgendetwas zu herrschen. Es war... überraschend wie selbstverständlich die Leute sie hier aufnahmen, dachte Eden. Beinahe schon seltsam... oder sie war Freundlichkeit schlicht nicht mehr gewohnt. Sie fürchtete beinahe, dass letzteres die wahrscheinlichere Antwort war.

Und das machte ihr auf eine seltsame Art Angst. All die Jahre hatten etwas zerstört, das ihr jetzt erst wieder bewusst wurde. Und sie wusste nicht einmal, was es war. Vielleicht die Fähigkeit, je wieder jemanden den Rücken zuzukehren, überlegte Eden, während sie Reste von einem Knochen nagte. Sie sah sich in der Runde um, als rechne sie damit, dass jeder ihr ansehen müsste, dass etwas mit ihr nicht stimmte... mit ihrer Art zu denken.

Jedoch es war nur Markus, der wieder einmal schallend lachte.

„Ihr müsst ja wirklich ausgehungert sein.", meinte er, bevor er einen Becher Wein herunterstürzte. Der wievielte wusste Eden längst nicht mehr. Nur das er bereits zwei Männer, die er offenbar kannte, unter den Tisch getrunken hatte. Die beiden schliefen jetzt irgendwo im Gras abseits der Tische und Bänke in den Gärten.

Wenn der Mann ein Geistlicher war, wie es sein Titel vermuten ließ, dann verbot seine Religion offenbar nicht den Alkohol.

„Wir haben heute genug von allem.", meinte er nur.

Eden ließ den Knochen fallen, als hätte sie sich verbrannt. Auf eine Art riefen Markus Worte erst wach, wie recht er damit hatte. Sie war nicht mehr auf alles angewiesen. Eden spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern und nahm sie unter den Tisch. Sie war frei. Wirklich und endgültig frei....

Und sie hatte keine Ahnung, was sie mit dieser Freiheit anfangen sollte, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Niemand schien wirklich zu bemerken, was in ihr vorging und dafür war sie allen Geistern dankbar. Vor der versammelten Tafel in Tränen auszubrechen, hätte ihr grade noch gefehlt.

„Lasst mich das korrigieren: Wir würden genug haben, wenn Ihr nicht alles schon alleine wegtrinken würdet, Markus.", rief Zabrim zu ihnen herüber.

Der Mann ignorierte den Leoparden, als er den Becher wieder auffüllte.

„Lasst mich raten... Risara-Wein, oder ? Die machen den Besten."

„Und wenn unser Dorf auf Eurer Route nicht zufällig vor Risara liegen würde, würdet Ihr den Winzern da die Keller leer saufen, alter Freund."

EdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt