Lore verschwand bald hinter ihnen in der Ferne, als sie sich auf dem Weg durch die Felder und Steppen machten. Nur die in der Ferne blau schimmernden Gipfel blieben ihre ständigen Begleiter. Eden wusste nicht, wie weit sich die Berge erstreckten, aber so wie es aussah, könnten sie durchaus bis an die Ostküste heranreichen. Zu dem Ort, an dem ihr Ziel lag. Die Landschaft änderte sich auch während des zweiten Tags ihrer Wanderschaft wenig. Lediglich die zunehmend kahler werdenden Wälder, schufen etwas Abwechslung zu der weiten Graslandschaft. Einzelne Nadelbäume ragten noch als grüne Tupfer aus den Ebenen heraus. Ansonsten war klar, dass der Winter in diesen Teil des Kaiserreiches Einzug halten würde. Nur hoffentlich, dachte Eden, ließ er sich damit noch Zeit, bis sie die Stadt erreichten.
Zachary hüllte sich nach wie vor in Schweigen. Eden wusste nicht, ob sie sich das nur einredete, aber es wirkte nicht mehr ganz so bedrückend, wie noch zuvor. Auch wenn er nichts sagte, der Junge sah sich mit leuchtenden Augen in der Landschaft um. Für Zachary musste das Ganze in erster Linie ein Abenteuer sein. Für sie... nun es wäre vielleicht gar nicht so verkehrt, es als genau das zu sehen. Der Weg der vor ihnen lag, führte für sie beide ins Unbekannte. Aber es konnte nur besser sein, als das, was sie in Silberstedt hinter sich gelassen hatte.
Am dritten Tag schließlich, mussten sie sich vor einem plötzlichen Regenschauer in Sicherheit bringen. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel, als sie einen weiteren Wald verließen. Vor ihnen erstreckte sich ein kleines Tal mit abgeernteten Feldern und Scheunen. Und Eden konnte sich nicht sicher sein, aber in der Ferne meinte sie einen Schimmer von blau zu erhaschen. Das Meer....
Als die ersten Regentropfen zu Boden fielen und der Wind sie vor sich hertrieb, suchten die beiden Reisenden schließlich Schutz in einem offen stehenden Schuppen. Das Gebäude stand direkt am Wegrand und war wohl als Zwischenlager für die Ernte benutzt worden. Strohreste bedeckten den Boden und gaben eine gute Sitzgelegenheit ab, während sie darauf warteten, dass der Sturm vorbei ging. Blitze zuckten über den pechschwarzen Himmel und Regenwasser tropfte durch einige Lücken im Dach herein. Eden wusste nicht, ob das Wetter heute noch einmal aufklaren würde.
Sie setzte sich an den Eingang der Scheune und starrte hinaus ins Unwetter. Sie hatte das Schwert, das Zabrim ihr gegeben hatte, vor sich auf den Boden gelegt.
„Hast Du Angst?", fragte Zachary, der sich geräuschlos neben ihr nieder ließ. Der Junge sah ebenfalls zu den Sturmwolken hinauf. Ohne eine Spur von Angst... Zachary mochte ein Kind sein, aber es brauchte mittlerweile wohl mehr, als ein Unwetter um ihn zu beunruhigen.
„Nicht vor dem Gewitter.", antwortete sie.
„Ich wünschte, ich könnte heim."
„Wieso bist Du nicht gegangen?" , wollte Eden wissen. Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel und tauchte einen Moment alles in gleißendes Licht.
„Weil ich meine Familie kenne. Oder... was davon übrig ist. Das ist einfach so. Walter ist abgehauen... er hat uns im Stich gelassen. Und mein Vater...."
„Andre kenne ich gut genug. Was Walter angeht... ich weiß nicht, ob ich in seiner Lage nicht auch geflohen wäre. Sei nicht zu hart mit ihnen."
Zachary lachte. Ein bitterer Laut, der gar nicht zu dem Jungen passen wollte.
„Du sagst das... aber Du meinst es nicht. Wenn jemand Grund hat uns zu hassen, dann Du. Und selbst jetzt, wo Du es sein könntest, bist Du nicht frei wegen mir."
Statt einer Antwort legte sie lediglich einen Arm um Zachary.
„Das stimmt nicht. Und das solltest Du auch niemals denken."
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Eden
FantasyNachdem sie grade der Sklaverei entkommen ist und dabei unfreiwillig den jüngsten Spross einer mächtigen Adelsfamilie entführt hat, findet sich Eden nach einigen Wirren in der Crew des grausamen und berüchtigten Piratenkapitäns Vance Livsey wieder...