24. Kapitel

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      Nach dem Frühstück unterhielt sich Hayes noch mit Lorcan und dem Alpha des Omega-Rudels. Angeregt versuchte er mit ihnen einen Plan zu schmieden. Einen Plan, wie sie als nächstes vorgehen sollte. Die drei waren sich noch nicht einig. Keiner von ihnen wusste so wirklich, was sie tun sollten und ob es sicher wäre, wenn Hayes allein mit mir zurücklaufen sollte. Ich sah das Zögern in seinen Augen. Er hatte schon einmal versagt, als er allein unterwegs gewesen war.
       Das hatte ich zumindest aus seinen kurzen Erzählungen rausgehört. Er hatte Lucie nicht schützen können. Doch ich fand, dass für mich zumindest keine Gefahr bestand. Dieser Wolf wollte nichts von mir, sondern von Lucie. Dieses Argument brachte auch Lorcan ein und schien somit zu bestätigen, dass ich später mit Hayes einfach nach Hause gehen konnte. Doch auf einmal fühlte sich das Wort Zuhause falsch an. Hier fühlte ich mich Zuhause. Alle waren nett und man fühlte sich eingegliedert. Wie ein Teil der Familie. Dennoch waren hier auch sehr viele Menschen und von hier bis in meine Arbeit war ein weiter Weg. Vielleicht etwas zu weit.
         Da würde ich morgens sehr lange in die Arbeit brauchen. Und wenn Hayes bei mir war, war alles gut. Dann fühlte ich mich bereits zu Hause. Nur durch seine Anwesenheit. Als könnte er meine Gedanken lesen, glitt sein Blick zu mir und er schenkte mir ein freundliches, warmes Lächeln, dass ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch auslöste. Dieses Kribbeln hatte ich lange nicht mehr verspürt. Nicht mal bei meinem letzten Date, dass vielleicht sieben Monate her war. Mir war auch klar, warum das so war. Hayes war für mich da und war mein Gefährte. Er spielte nichts vor, sondern akzeptierte mich so wie ich war. Egal, wie. Und ich akzeptierte ihn so, wie er war.
       Es gab keine Fragen zwischen uns. Na ja, Fragen gab es schon aber es gab keine Lügen. Er log mich nicht an und ich ihn nicht. Das, was wir hatten, beruhte auf gegenseitigem Respekt, Ehrlichkeit und Zuneigung. Es gab keinen anderen Mann, der mir je dieses starke Gefühl der Zuneigung vermittelt hatte. Allerdings reichte ein Seelenverwandter im Leben durchaus aus. Mir reichte das. Ich brauchte nur ihn. Sonst niemanden.
       Sein Lächeln wurde breiter, als er mich weiter ansah. Als könnte er noch immer meine Gedanken lesen. Das Lächeln auf seinen Lippen war noch immer ehrlich und aufrichtig. Ich liebte es. Vielleicht zu sehr. Ein kleines Grinsen schlich sich auf Neras Lippen, als sie zwischen uns beiden hin und her sah. »Ihr seid so süß zusammen. Ehrlich.« Hayes Blick glitt zu ihr. Seine Augen funkelten wie zwei Sterne am Nachthimmel.
         »Natürlich. Sie ist ja auch super knuffig.« Sein Kompliment trieb die Röte in meine Wangen. Automatisch fragte ich mich, ob es irgendwann mal einen Tag geben würde, an dem ich nicht rot werden würde wegen ihm. Insgeheim stellte ich für mich fest, dass das vermutlich nie passieren würde. Da konnte ich lange warten.
       Auf der anderen Seite war es mir aber auch gleichgültig. Er würde mich niemals für Schamesröte auslachen. Niemals. Da war ich mir sicher. Gerade als Nera noch etwas sagen wollte, führten die drei ihr Gespräch bereits weiter. Sie sprachen über verschiedene Möglichkeiten, die sie hatten und bezogen sich dabei auf James. James war der Anführer von dem Omegarudel, wie ich nach ein paar Minuten festgestellt hatte. Sie sprachen weiter und weiter. Mittlerweile konnte ich ihren Worten kaum noch folgen so komplex wurde alles. Ich lächelte nur leicht vor mich hin.
       Dann sah ich, dass Nera wieder mit dem Geschirr zu kämpfen hatte. Kurzentschlossen lief ich zu ihr und half ihr. »Ohne Spülmaschine ist man hier aufgeschmissen, oder?«, hakte ich nach und sah sie traurig an. Sie nickte mir zu. »Es könnte schlimmer sein. Dadurch, dass Lorcan das Frühstück gemacht hat, ist es nicht mehr so schlimm, wenn ich abspülen muss. Es könnte wirklich schlimmer sein«, murmelte sie und lächelte, während sie alles in das Waschbecken gab.
Mein Blick glitt zu ihren Händen, die kurz darauf im schaumigen Wasser versanken.
          Nachdenklich sah ich zu, wie sie alles abspülte. Es war ein riesiger Haufen an Geschirr, dass da lag. Wie beeilten uns, alles trocken zu machen und zu putzen. Eine gute halbe Stunde später hatten wir das schließlich geschafft. Keiner wirkte sehr erfreut, als wir Lärm veranstalten, indem wir alles aufräumten. Dennoch lächelten sie uns an und dankten uns für unsere Arbeit. Lächelnd sah ich alle an, dann wurde ich plötzlich von Hayes in die Arme gezogen und er presste mich an seinen Körper.
           Überrascht keuchte ich auf und sah ihn an. Mein Gesicht hat sich gegen seine Brust gepresst. Fragend hob ich eine Braue. Er grinste mich an. »Ich bin froh dich zu haben, Rieka«, wisperte er und drückte einen Kuss auf meinen Kopf. Lächelnd sah ich zu ihm auf. »Das wirst du nicht mehr sagen, wenn du mal genug von meinem Essen hast«, hauchte ich. Hayes kicherte. »Egal. Wir kennen uns für alle Ewigkeiten von Muffins ernähren«, wisperte er. Herzhaft lachte ich ihm zu. Diese Vorstellung mochte ich schon. Ich liebte diese Vorstellung vom Alt werden mit ihm. Besonders die Vorstellung sich nur von Muffins zu ernähren.
         »Das klingt schön«, murmelte ich leise und schmiegte mich verträumt an ihn. Die anderen verschwanden langsam. Nicht wirklich, aber ich nahm sie nicht mehr wahr. Es gab nur noch ihn und mich. So fühlte es sich zumindest an. Für mich. Ob es so war, konnte ich nicht sagen. »Ihr seid nicht allein. Wollte ich nur sagen«, sagte jemand hinter uns. Hayes sah auf und kniff die Augen zusammen. Er sah wütend aus. »Na und? Ist das wichtig?« Schnell drückte ich einen Kuss auf seine Lippen. Sofort glitt sein Blick zu mir. »Ist schon gut.«
        Hayes wirkte allerdings nicht wirklich überzeugt. Ihn schien dieser Kommentar zu stören. Warum, konnte ich nicht genau sagen. Vielleicht umarmte ich ihn deswegen einfach fester und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Ich wusste, dass wir den anderen damit manchmal auf den Arsch gingen. Wir waren glücklich, während einige von ihnen noch nicht ihre Mate gefunden hatten. »Es ist okay«, hauchte ich in sein Ohr und sah zu, wie sich sein Körper automatisch entspannte. Sein Blick heftete sich auf mich und die Anspannung wich komplett aus seinem Körper.
       »Lass uns nach Hause«, wisperte er plötzlich. Woher dieses plötzliche Bedürfnis von ihm kam, konnte ich nicht ganz einordnen. Dennoch glaubte ich, dass dieser Kommentar ein Grund dafür war. Er wollte mit mir allein sein und sich diese Kommentare nicht mehr anhören. Zuhause konnte er machen, was er wollte, ohne dass sich jemand beschwerte. »Okay«, erwiderte ich deswegen, da ich auch wusste, was wir noch besprechen mussten. Etwas, was Hayes schon lange mit sich herumtrug. Viel zu lange.
       Er verabschiedete sich von allen und schien mit Lorcan auszumachen, wann er ihm mal wieder beim Training der Mädchen half. Es freute mich, dass er schon so weit vorausdachte. Es zeigte, dass er vorhatte, jetzt öfter her zu kommen und sich langsam den anderen gegenüber wieder öffnete. Nera umarmte mich sogar zum Abschied, so wie Lucie. Bevor Hayes und ich gingen, fiel mein Blick nochmal auf Raylan, er Lucie ansah. Diese stand neben ihrem Bruder und lächelte uns zu.
       Zwar schien sie seinen Blick zu bemerken, machte sich aber nicht die Mühe ihn anzusehen. Zwischen den beiden schien eine Anspannung zu herrschen. Ich kannte nicht die ganze Geschichte, aber irgendwo konnte ich das alles gut nachvollziehen. Kurz darauf saß ich wieder auf Hayes Rücken und wurde von ihm durch den Wald getragen. Sein Körper war schön warm und gab mir die Wärme, die ich brauchte. Der Wind war kälter geworden, so wie die Luft. Erste Wolken waren langsam aber sicher am Himmel zu erkennen und bald würde es mit der Sonne vorbei sein. Nachdenklich ließ ich mich von ihm im schnellen Tempo durch den Wald tragen.
       Die Bäume flogen nur so an mir vorbei. In seinem Tempo bekam ich meine Umgebung kaum mit. Für seine Größe rannte er ziemlich schnell. Trotzdem konnte mich sein Tempo nicht davon abhalten, über all die Geschehnisse näher nachzudenken. Dieser Chase... Warum hasste er Lucie so? Was war passiert? All diese Fragen hatte ich, doch es gab keine Antwort. Na ja, es gab schon viele Antworten, aber diese beruhten nur auf meinen eigenen Vermutungen. Deswegen waren es noch keine Antworten. Ich hoffte durch Hayes ein paar Antworten zu bekommen.
         Auf einmal kam mir der Weg nach Hause doch sehr lang vor. Immer wieder fragte ich mich, was er damals durchgemacht hatte. Immer wieder stellte ich mir vor, wie er allein durch den Winterwald streifte und nach Nahrung suchte. Diese Vorstellung tat weh. Jedes Mal durchfuhr ein Stich meine Brust und sorgte dafür, dass es sich für einen Moment so anfühlte, als würde ich keine Luft bekommen. Hayes schien dies zu bemerken, denn sein Blick glitt besorgt zu mir.
       Schnell schenkte ich ihm ein beruhigendes Lächeln. »Es ist alles okay.« Er musterte mich noch einen Moment, dann richtete er seinen Blick wieder nach vorne. Irgendwann kamen wir dann in der Wohnung an. Reichlich froh darüber schloss ich die Tür hinter uns und sperrte somit die neugierigen, verachtenden Blicke aus, die meine Nachbarn uns zugeworfen hatten. Es störte mich nicht für mich, sondern für Hayes. Er wurde einfach missverstanden. Von so vielen. Die Gerüchte machten die ganze Sache natürlich nicht besser. Eher schlimmer. Sie alle glaubten, dass er mich gegangen hielt oder andere Dinge mit mir tat. Das war Irrsinn.
       Das tat er nicht. Hayes schien dies allerdings nicht zu kümmern. Es wirkte so, als wäre er tief in Gedanken versunken. Tiefer, als ich zuerst erwartet hatte. Gedankenverloren streifte er sich seine Schuhe ab und zog seine Lederjacke aus. Darunter kam das Shirt von Lorcan zum Vorschein, dass viel hu groß war. Wie ferngesteuert lief er ins Wohnzimmer. Schnell folgte ich ihm. Dort ließ er sich auf dem Sofs nieder. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet. Tief in Gedanken versunken spielte er mit dem Saum des Oberteils. Erst nach einer Weile schien er seinen Gedanken zu entkommen und sah mich an. Ein kleines Lächeln lag auf seinen Lippen.
         »Danke, dass du nichts zu ihnen gesagt hast. Ich will nicht, dass du wegen mir mit deinen Nachbarn streitest.« Seine Worte irritieren mich. Hat er nicht bemerkt, wie ich sie alle angesehen habe, fragte ich mich, fand aber keine Antwort darauf. Vermutlich hatte er es nicht gesehen, was eine Schande war. Er hätte es sehen sollen. »Das habe ich nur nicht, weil etwas anderes gerade wichtig ist. Auserdem habe ich selbst keine Lust darauf, mit anderen zu streiten«, erwiderte ich.
Dabei erwähnte ich nur nicht, dass sie das nächste Mal etwas von mir hören würden. Sofort. Dann würden sie hoffentlich nie wieder so schauen. Das war respektlos. Besonders Hayes gegenüber. Es ging mir dabei ja nicht um mich. »Ich weiß«, hauchte er als Antwort. Für einen Moment glaubte ich sogar, dass er tief in meine Seele sehen konnte und meine wahren Absichten längst erkannte. Sicher wusste ich es aber nicht. »Willst du was trinken?«, hakte ich leise nach. Er schüttelte den Kopf.
           »Ich will es einfach nur hinter mich bringen.« Stumm, aber verständnisvoll nickte ich. Ich verstand es. Es hatte oft Dinge im Leben gegeben, die ich einfach nur hinter mich hatte bringen wollen. Besonders, wenn es um solche Dinge ging. Hayes holte tief Luft. »Einiges hast du ja sicher mitbekommen. Das mit Phil. Er war Neras Ex, der sie heiraten wollte, da sie ein Nachkomme des ersten Alphas war.
       Doch sie wollte das nicht. Phil wollte sie in Wahrheit aber nur für Experimente benutzen. Nera tat alles, damit er sie nicht fand. Er heuerte aber Jäger an. Diese Jäger schlossen sich mit Liams Rudel, Neras ersten Freund zusammen. Irgendwann fand er uns. Der erste, kleine Kampf fiel zu unserem Gunsten aus, doch das hatte zu seinem Plan gehört. Der zweite Kopf fiel zwar irgendwie auch zu unserem Gunsten aus, doch jeder weiß, dass das nur so dahergesagt ist. An dem Tag hätte ich mit Lucie abhauen sollen.
       So war Lorcans und mein Plan. Doch er ging schief. Lucie und ich wurden gefangen genommen. Mir gab man Wolfswurz, damit ich mich nicht rühren konnte. Lucie ließen sie so, da sie sie nicht für eine Bedrohung hielten. Nach und nach kamen Mitglieder meines Rudels, um mich zu retten. Doch es war eine Falle. Entweder wurden sie gefangen genommen oder getötet. Ich musste zusehen, wie einer nach dem anderen starb. Und dann sorgte Lucie dafür, dass wir freikamen. Sie kämpfte, tötete, obwohl ich das hätte machen sollen. Sie war doch erst dreizehn. Noch ein kleines Mädchen. Jedenfalls in meinen Augen. Doch sie befreite mich nicht. Erst, als sie schon die meisten getötet hatte. Ich war tief verletzt. Der Verlust meines Rudels lag mir schwer im Magen...«
         Seine Stimme wurde leiser und er nahm sich einen Moment, um Luft zu holen. Dann fuhr er fort. »Zudem hatte ich sie nicht richtig schützen können. Auch das tat mir leid und dann brannten ein paar Sicherungen in mir durch. Lucie sah mich an, überall war Blut. An ihrem Maul, an ihren Krallen. Einfach überall. Ich wusste nicht genau, was ich davon halten sollte. Es kam mir komisch und falsch vor. Ich gab mir für alles die Schuld. Also rannte ich einfach davon. Ich schämte mich und konnte keinem in die Augen sehen. Ich wusste nicht, was richtig und was falsch war. Ich rannte einfach davon. Irgendwo hin. Wohin wusste ich nicht genau.
             Ich rannte einfach, so weit mich meine Beine trugen konnten. Erst, als ich wusste, dass Lorcan mich nicht suchen würde, hielt ich an. Ich war über 100 Kilomter gelaufen. Dort, wo du mich gesehen hast, war ich nicht immer. Ich verstckte mich einige Zeit in den Bergen. Irgendwann hielt ich es dort aber nicht mehr aus. Stück für Stück kam ich näher und dann habe ich eines Tages dich gesehen. Meine Welt war soforr besser und heller. Ich wagte sogar ganz nah zu kommen. Ich hatte sogar Lucie gesehen, wie sie zur Schule gegangen war. Doch der Mut, mit dir oder mit ihr zu sprechen fehlte. Also wartete ich über fünf Monate, bis ich mich dir das erste Mal zeigte.«
       Er legte eine Pause ein, als er meinen überraschten Gesichtsausdruck sah. Dann sprach er dennoch weiter. »Jedenfalls kam ich dann immer näher und dann passierte schon der Vorfall im Wald. Ich bin einfach nur froh, dich getroffen zu haben. Lange war meine Welt dunkel, doch du hast ihr ein Licht gegeben.« Ein Lächeln legte sich bei seinen Worten auf meine Lippen. Ein Lächeln, dass ich kaum aus meinem Gesicht wischen konnte. Er war froh, mich gefunden zu haben. Ich war sein Licht in der Dunkelheit.
       Manche Frauen konnten sich mit Sicherheit andere Komplimente vorstellen, doch für mich war das eines der schönsten Komplimente, die ich je bekommen hatte. Ich liebte es einfach. Deswegen flogen auch über eine Millionen Schmetterlinge in meinem Bauch. Diese Worte konnte ich immer wieder hören. Sie waren einfach wunderschön. Zu schön, um wahr zu sein. Einfach wunderschön. »Das... das... «, stammelte ich, da ich nicht richtigen Worte fand, um meine Gefühle zu beschreiben.
       Auf seine rosigen Lippen legte sich ein wissendes Lächeln, als konnte er wirklich genau sagen, was mir durch den Kopf ging. Und vielleicht konnte er das auch. Vielleicht konnte er wirklich sagen, was ich dachte. Was ich fühlte. Er schien mich von allen am besten zu kennen. Und das obwohl er mich noch nicht lange kannte. Es war fast wie ein Wunder. Ein gutes Wunder. In all den Jahren hatte es sich angefühlt als würde ich nur eine halbe Familie haben. Meine Mutter hatte sich nie wie eine Mutter angefühlt. Aber Hayes gab mir das Gefühl eine Familie gefunden zu haben. Eine richtige Familie. Eine Familie, die ich immer haben würde.»Ich bin auch froh, dass du mein Gefährte bist und nicht dieser Chase oder so. Du passt am besten zu mir«, wisperte ich dann leise und war erstaunt darüber, dass meine Stimme überhaupt nicht zitterte. Sie war beständig und war laut genug.
       Als diese Worte gerade meinen Mund verlassen hatten, sah Hayes mich an. In seinem Blick lag so viel. So viele Emotionen auf einmal. In seinen Augen flammte etwas auf. Ich wusste, dass es Begierde war. Er hielt sich schon so lange zurück, während sein innerer Wolf ihn dazu drängte, den ersten Schritt der Bindung zu vollziehen. Und wie ich ihm versichert hatte, hatte ich selbst nach seiner Erzählung nicht vor, ihn zu verlassen. Er mochte das erwartet haben, aber ich würde ihn nicht verlassen. Selbst jetzt nicht. »Ja, vielleicht hättest du nicht weglaufen sollen, aber du hattest Angst. Angst ist menschlich. Das ist normal. Manchmal da darf man einfach mal seinen Instinkten folgen. Wie kann ich dich hassen, wenn ich vielleicht genau das Gleiche getan hätte?
         Warum sollte ich dich verurteilen und deswegen keine Bindung mit dir eingehen wollen? Was für ein Schwachsinn«, redete ich weiter, bevor er etwas sagen konnte. Mit jedem Wort, dass über meine Lippen kam, wurde die Begierde in seinen Augen deutlicher und ich sah, wie seine Augen kurz die Farbe wechselten. Ich wusste, dass er sich zurückhielt. Aber ich würde weiter machen, da ich noch nicht mit den Gründen fertig war. »Du bist super fürsorglich, du sorgst dich um mich, du sorgst dich um Lucie, du versuchst mir jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und selbst jetzt hältst du dich noch immer zurück.
       Du möchtest den Leuten in deiner Umgebung auf keinen Fall wehtun. Das schätze ich sehr an dir. Und ich könnte dich gar nicht hassen. Weißt du, wie schwer das für mich wäre? Das wäre ja Arbeit. Man könnte mir jedes Geld der Welt zahlen und ich würde dich nicht hassen können. Wirklich nicht. Das ist echt anstrengend nur daran zu denken. Ehrlich. Also denk nie wieder daran, dass ich die Bindung nicht mit dir eingehen will.
         Natürlich kennen wir uns erst seit drei Wochen, obwohl du mich mittlerweile schon ein halbes Jahr kennst. Aber ich weiß, tief in meinem Inneren, dass es das Richtige ist, also sag nie wieder, dass ich es mir anders überlegen könnte. Denn das werde ich nicht«, beendete ich meine Rede. Kaum hatte ich geendet, stand er blitzartig auf. Nur eine Millisekunde später wurden meine Lippen von den seinen in Besitzt genommen. Und die Welt um mich herum verschwand, während alles in meinen Körper kribbelte.

Hayes - "Sie gehört zu mir" ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt