16. Kapitel

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                      Zwei Wochen waren vergangen, in denen sich nichts geändert hatte. Hayes und ich waren uns näher gekommen aber auch wieder nicht. Noch immer lag seine Vergangenheit für mich im Dunkeln. Er war noch nicht bereit und das war in Ordnung, doch er zeigte mir seine Narben nie und immer, wenn ich sie berührte, zuckte er zusammen. Es fühlte sich an, als würde sich eine Kluft zwischen uns bilden. Eine Schlucht, die immer größer wurde. Ich wollte ihn nicht drängen, auf der anderen Seite wollte ich aber wissen, was mit ihm los war. Ich wollte es dringend wissen.
                     Nur leider sagte er es mir nicht. Heute war Samstag. Zu meinem Glück. Die letzten Wochen waren anstrengend gewesen. Die Kinder quengelten, weil wir nicht mit ihnen in den Wald gingen. Wir konnten ihnen aber nicht sagen, warum wir das nicht taten. Jetzt, da die Omegas aufgetaucht waren, war der richtige Wolf eher das kleinere Problem. Bei Omegas wusste man nie, wie die Sachlage wirklich war. Sie konnten auch Menschen wehtun.
               Niemand wusste, warum sie ausgeschlossen worden waren oder warum sie kein Rudel mehr hatten. Niemand wusste das so genau. Deswegen wollte ich vorsichtig sein, auch wenn das den Kindern nicht passte. Jeden Tag fragten sie mich nach dem Wald. Oder Liv. Doch jeden Tag fiel unsere Antwort gleich aus. Wir wollten ihnen keine Angst machen, weswegen wir sagten, dass Jäger im Wald nach dem Wolf suchten und wir deswegen nicht hin konnten.
               Das war natürlich eine Lüge, aber wir konnten ihnen nicht sagen, dass dort Omegas herumliefen und zusätzlich noch der Wolf. Das konnten wir einfach nicht. Wir wollten ihnen nicht unnötig Angst machen. Auf der anderen Seite tat es mir natürlich leid, sie so anzulügen, doch mir blieb keine andere Wahl. Uns blieb keine andere Wahl. »Denkst du wieder an die Kinder?«, fragte Hayes mich. Überrascht blinzelte ich und wurde von ihm aus meinen finsteren Gedanken gezogen.
                 »Ja. Ich wünschte, wir müssten sie nicht anlügen. Doch so ist es besser für sie. Ungefährlicher. Wie du schon gesagt hast. Omegas sind unberechenbar. Man weiß nie, was in ihren Köpfen vorgeht. Besonders, da sie gegen uns auf Krawall gebürstet zu sein scheinen«, sagte ich zu ihm. Hayes nickte und strich mir sanft über den Kopf. In den letzten Wochen hatte er schon begriffen, dass diese Geste mich besänftigte und Ruhe in meinen Körper gleiten ließ. So wie jetzt auch. Mittlerweile kannte er mich sehr gut.
               Fast schon zu gut. Bei ihm kam ich mir nackt vor. Er schien tief in meine Seele schauen zu können und kannte mich besser als meine Mutter mich kannte. Dabei kannte er mich gerade mal knapp einen Monat. Hayes verstand mich und ich versuchte ihn zu verstehen. Was nicht so leicht war, da er mir den größten Teil seiner Vergangenheit noch immer verschwieg. Auf der einen Seite konnte ich verstehen, dass es schwer für ihn war darüber zu reden, auf der anderen Seite hatte ich das Gefühl, dass er mir noch nicht genug traute um es mir zu sagen. Als hätte er Angst, dass ich verschwinden würde.
               Das verstand er aber total falsch. Ich würde nicht verschwinden. Niemals. Seine Geschichte konnte noch so grausam sein. »Mach dir nicht zu viele Gedanken, Rieka. Eines Tages ist das alles wieder vorbei. Ihr könnt ja einen Ausflug woanders hin planen. Wer weiß. Aber es wird nicht immer so sein«, hauchte er und strich mir dabei weiterhin liebevoll über den Kopf. Genießerisch schloss ich die Augen. Mir war bewusst, dass es nicht immer so sein würde. Das wusste ich. Aber... auf der anderen Seite befürchtete ich, dass das alles noch lange ging.
Sehr lange. Ich wollte nicht pessimistisch sein aber auf der anderen Seite war es wichtig. Ich hatte das Gefühl, dass das alles noch schlimmer werden würde. Warum ich das Gefühl hatte, wusste ich nicht. Jedenfalls noch nicht. Doch eines war sicher. Ich würde nicht zulassen, dass die Kinder während sie bei uns waren in den Wald kamen. »Was sollen wir später anziehen?«, fragte ich Hayes, da wir zu Lorcan, Nera und dem Rest des Rudels zum Essen eingeladen waren.   Ich wusste wirklich nicht, was man da tragen sollte.
                 Hayes lachte schallend los, sobald ich meine Frage gestellt hatte. Vermutlich fand er das sehr lustig. Er kannte alle schon so lange. Er wusste, was er tragen musste. Ich nicht. »Rieka, wir gehen nicht auf einen Ball. Wir gehen nur zu Lorcan. Du könntest sogar eine Jogginghose tragen und es würde keinen stören«, brachte er zwischen seinem Lachen hervor. Etwas ungläubig sah ich ihn an. Jogginghose? Eine Jogginghose?
               Das konnte nicht sein Ernst sein. Aber Lorcan schien es ernst zu meinen. Er lachte noch immer und schien sich über meine Frage noch immer zu amüsieren. Es war ja nur eine Frage gewesen. Ich persönlich trug lieber feine Sachen, wenn ich irgendwo eingeladen war. Da trug ich gerne ein Kleid oder eine Bluse. Mir kam es gar nicht in den Sinn eine Jogginghose zu tragen. Das wäre respektlos. »Das ist nicht lustig«, schmollte ich und schlug gegen seine Schulter, was eher meinen Knöcheln wehtat, als ihm.
                 Hayes lachte einfach weiter. So schallend und frei, dass ich nicht anders konnte, als ihn einen Moment lang zu betrachten. Bei seinen Augen hatten sich kleine Fältchen gebildet und in seinen Augen leuchtete es. Es war ein schöner Anblick. Zu schön, um wahr zu sein. Sein Lachen war eine wunderschöne Melodie in meinen Ohren, die ich niemals missen wollte. Niemals. Es war wunderschön. Viel schöner, als jede Lache, die ich jemals gehört hatte. Er sah aus wie ein kleines Kind, wenn er lachte.
             Und doch war der Anblick wunderschön. Ich nahm mir jede Sekunde davon, die ich kriegen konnte. Ich wollte das hier nie vermissen. Niemals. Dafür war es zu schön. »Ich liebe dein Lachen«, rutschte es mir heraus, bevor ich die Worte zurückhalten konnte. Abrupt hörte Hayes auf zu lachen und sah mich an. In seinen Augen lag eine Emotion, die ich nicht deuten konnte.
Dennoch glaubte ich ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. »Du liebst mein Lachen?«, fragte er nach. Stumm nickte ich. Ja, ich liebte sein Lachen. Sogar sehr. Es war mir das liebste Geräusch auf Erden, neben dem Geräusch des Meeres und der Tiere. Sein Lachen war besser als jeder Hit des Jahres. Besser als jeder Song eines ganzen Jahrhunderts. Ich könnte sein lachen jede Sekunde des Tages hören, für mehrere Jahre.
                 Es würde mich nicht stören. Im Gegenteil. »Das hat noch nie jemand zu mir gesagt«, flüsterte Hayes, als er merkte, dass ich weiter nichts dazu sagen würde. Röte zierte meine Wange. »Liegt vermutlich daran, dass ich deine Gefährtin bin. Andere finden es vielleicht nicht so schön«, mutmaßte ich und schien damit nicht falsch zu liegen, denn Hayes grinste von einem Ohr zum anderen, während seine Augen eine Nuance dunkler wurden.
             »Sag das nochmal«, bat er mit rauer Stimme. Ich wusste, dass er nicht den ganzen Satz meinte. Es war das erste Mal, dass ich ausgesprochen hatte, was wir waren, ohne rot zu werden. Es war das erste Mal, dass ich es so frei heraus gesagt hatte. »Wir sind Gefährten«, wisperte ich und sah zu, wie das Grün ganz aus seinen Augen verschwand und gegen Bernstein ersetzt wurde. Seine Augen loderten auf. Und ein Beben ging durch seinen Körper.
              Ich wusste, wie viel ihm das bedeutete. Wie viel es einem Werwolf bedeutete, wenn seine Gefährtin diese Worte sagte. Es bedeutete ihm sehr viel. Besonders, da er die letzten drei Jahre allein verbracht hatte und kein Licht am Ende des Tunnels gesehen hatte. »Oh, Sonnenschein«, murmelte er und kurz darauf zog er mich in seine Arme. Erstaunt riss ich die Augen auf. Nicht, weil er mich an seine warme, harte Brust zog, sondern weil er mir einen Kosenamen gegeben hatte.
           Es war das erste Mal, dass er mich Sonnenschein nannte. Sein Körper bebte noch immer. Ich konnte es deutlich spüren. Seine Arme umgaben mich wie ein sicherer Rahmen, gaben mir den Halt, den ich brauchte und sorgten dafür, dass ich mich sicher fühlte. In seiner Nähe fühlte ich mich geboren, sicher und verstanden. Wenn er bei mir war, war eine innerliche Ruhe in mir, die ich schon Jahre lang nicht mehr gehabt hatte. Und dass er mich Sonnenschein nannte, sorgte für ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch.
              »Es ist das erste Mal, dass du das so frei heraus sagst. Ohne zu zögern. Möchtest du, dass mein Herz vor Freude aus der Brust springt?«, fragte er, wobei sein heißer Atem meinen Nacken streifte und dafür sorgte, dass ich eine Gänsehaut bekam. »Ich würde es auch auffangen und gut behüten. Ich würde es sicher in den Händen halten«, flüsterte ich ihm zu. Es sollte als Spaß gemeint sein. Doch Hayes schien es ernst zu meinen, als er leise flüsterte: »Du trägst mein Herz schon in deinen Händen, Sonnenschein. Du hattest es ab dem Moment, als du den kleinen Jungen getragen hast, obwohl deine Arme gezittert haben. Du hattest es schon, als du eigentlich Angst vor mir hattest, mir aber dennoch vertraut hast. Und du wirst es immer behalten.«
Seine Worte lösten nun bei mir ein Beben aus und mein Herz schwoll vor Rührung an. Ich wusste, dass es ein Geständnis war. Er musste diese drei Worte nicht aussprechen. Ich wusste, dass ich ihn hatte. Bei Haut und Haar. Er würde mich nicht verlassen. Und ich würde ihn nicht verlassen. Ich kannte ihn nicht lange, doch ich wusste, dass es keinen anderen geben würde, so etwas sagen würde. Es würde keinen anderen geben, der mein Herz so zum Rasen bringen konnte. So viel stand für mich fest.
                 »Ich passe gut darauf auf. Versprochen«, wisperte ich gegen seine Brust. Er bewegte sich, so dass sein Mund direkt über meinem Ohrläppchen schwebte. »Ich weiß, dass du das wirst. Deswegen darfst du mein Herz in deinen Händen tragen, Sonnenschein«, hauchte er in mein Ohr, wobei sein heißer Atem mein Ohrläppchen streifte und dafür sorgte, dass ein Zittern durch meinen Körper ging. Und dann hauchte er auch noch einen Kuss darauf.
                Ein heißes Kribbeln jagte über meinen Körper und ich spürte, wie in meinem Körper ein Feuer entfacht wurde. Ich stand in Flammen. Wegen eines simplen Kusses auf mein Ohr. Nur Hayes allein schaffte das. Nur wegen ihm verlor ich so die Fassung. Nur wegen ihm. Daran zweifelte ich nicht. Kein bisschen. Kein anderer Mann würde das schaffen. Niemals. Dafür war Hayes viel zu gut. »Ich sollte mich umziehen«, murmelte ich an seiner Brust, auch wenn ich mich nicht von ihm lösen wollte.
                Da Hayes aber kein Auto hatte und ich auch nicht, mussten wir laufen. Lorcan hatte angeboten uns abzuholen, doch Hayes meinte, dass ein Spaziergang gut tun würde. Hayes hatte in den letzten drei Jahren auch kein Auto gebraucht. Er hatte im Wald gelebt. Außerdem war er als Wolf viel schneller. Im Wald gab es keine Ampeln und keinen Stau. »Na gut, aber beeil dich«, flüsterte er, gab mich widerwillig frei und schenkte mir ein kleines Lächeln. Er tat sich leicht.
Er war schon umgezogen gewesen, bevor er hier her gekommen war. Er war anscheinend in seinem alten Haus gewesen. Er trug ein weinrotes Shirt, was an seinen Muskeln spannte.   Besonders an den Oberarmen. Dazu eine schwarze Jeans, die eng an seinen Beinen anlag und seine Oberschenkel betonte und seinen... Hintern. Die ganzen letzten zwei Stunden hatte ich so getan, als würde ich das nicht bemerken. Einfach, weil ich nicht über ihn herfallen wollte.
                    Die Lederjacke hatte er vorher auf einen Hacken gehängt, da sie doch ungemütlich zum Kuscheln gewesen war. Ja, wir hatten gekuschelt. Auf der Couch und dabei einen Film gesehen. College Football hatten wir weggelassen. Das würde ich mir morgen noch als Aufnahme ansehen. »Ich komm gleich wieder«, hauchte ich und stand auf. Seine grünen Augen glitten über mich hinweg. Ich spürte seinen Blick auf jedem Millimeter meines Körpers. »Du siehst zwar schon gut aus, aber wenn du meinst, dass du dich umziehen musst, dann bitte«, sagte er.
                  Seine Worte trieben die Röte mal wieder in meine Wangen und ich fragte mich, wann er damit aufhören würde. Immer wieder schaffte er es. »Ich... mein Pulli ist doch total alt und ausgewaschen. Außerdem ist er viel zu groß«, murmelte ich und wandte den Blick ab. »Du siehst trotzdem heiß aus, Sonnenschein. Du siehst immer toll aus«, machte er mir ein weiteres Kompliment. Mit hochrotem Kopf sah ich ihn an.
                  »Das sagst du doch nur, damit ich nicht in mein Zimmer gehe.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine es wirklich so. Du bist wunderschön. Egal wann. Ich kann mich sehr glücklich schätzen.« Die Intensität und die Ernsthaftigkeit in seinem Blick verrieten mir, dass er es ernst meinte. »Ich... ich... also ich komm gleich wieder«, stammelte ich und huschte so schnell wie möglich in mein Zimmer. Erleichtert schloss ich die Tür hinter mir. Ich wusste, dass er es so meinte.
                 Das war das Problem. Keuchend stand ich in meinem Zimmer und lehnte mich gegen die kühle Tür. Scharf atmete ich ein und aus. Er sagte so etwas in den letzten Tagen oft. Immer wieder. Und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Es fühlte sich an, als würden wir Achterbahn fahren. Viel zu schnell. Das alles ging so furchtbar schnell. Ich wusste nicht mal richtig, ob wir wirklich zusammen waren. Er hatte mich noch nicht geküsst.
               Immer, wenn ich dachte, dass er es tat, tat er es nicht. Er wandte ich im letzten Moment immer ab. Einfach so. Und gab mir keine Chance ihn zu küssen. Ich wusste nicht, warum er sich zurückhielt. Ich wollte es. Das wusste ich mittlerweile. Ich wollte ihn küssen. Sehr sogar. Seufzend schüttelte ich den Kopf und lief zu meinem Schrank. Mit roten Wangen und noch immer kribbelnder Haut suchte ich mir einen Hoodie von der Ohio State Universität heraus, da ich das Footballteam wirklich gut fand.
             Da der Hoodie rot war, suchte ich mir eine schwarze Jeans heraus und stellte erst, als ich es anhatte fest, dass ich jetzt Hayes glich. Auch er trug etwas rotes. Allerdings war ich zu faul, meine Kleidung zu wechseln und lief einfach aus meinem Zimmer. Hayes stand am Fenster vom Wohnzimmer und blickte gedankenverloren in den Wald hinaus. Ein Teil in mir fragte sich, was er dort draußen sah. Doch ich kam nicht dazu, ihn das zu fragen, da er sich in diesem Moment zu mir umdrehte.
             Die Intensität in seinen stechendgrünen Augen traf mich unvorbereitet und ich taumelte einen Schritt nach hinten, während mir keuchend die Luft entwich. Sein Blick war dunkel. Ich wusste, dass er seinen inneren Wolf immer wieder zurückhielt. Seit zwei Wochen zügelte er sich, mich nicht zu küssen. Ich wusste, dass der Hoodie meine Figur gut betonte und ich wusste, dass die Jeans sehr eng an meinen Beinen lag und meine Rundungen sowie meine Oberschenkel betonte.
             Schon immer hatte ich festere Oberschenkel gehabt. Sie waren wohl der Kontrast zu meiner kleinen Oberweite. Ich bereute es, die Jeans gewählt zu haben. Damit machte ich es ihm verdammt schwer. Das wusste ich. »Wenn wir noch pünktlich sein wollen, muss ich mich verwandeln, damit du auf mir sitzen kannst«, sagte Hayes mit rauer Stimme und sorgte so für Überraschung. Erstaunt sah ich ihn an, dann sah ich auf die Uhr. Er hatte recht.
             Ich hatte ihn schon als Wolf gesehen. Schon oft. Doch das war das erste Mal, dass er sich nach guten drei Wochen freiwillig verwandelte. Das letzte Mal hatte er kurz davor gestanden, als das Rudel Omegas uns angegriffen hatte. Er schien nicht begeistert davon. Er schien Angst zu haben, sich in seinem Wolf zu verlieren. Das spürte ich. »Wir können auch ein Taxi rufen«, meinte ich, doch er schüttelte sofort den Kopf.
              »Nein, lass uns gehen«, sagte er bestimmt und lief aus dem Wohnzimmer. Leise seufzte ich, folgte ihm aber. Irgendwie schafften wir es nach unten. Schweigend. Die Luft zwischen uns vibrierte vor Anspannung und ungestellten Fragen. Doch er lief stur in den Wald hinein. Der eisige Wind des Winters blies mir um die Ohren und sorgte dafür, dass es sich anfühlte als würden Nadeln auf meine Wangen einstechen.
               Hayes machte das alles nichts aus. Er trug nur seine Lederjacke, die ihm viel zu gut stand. Verboten gut. Wenn man jemanden wegen guten Aussehens einsperren könnte, dann konnte man Hayes sicher einsperren. Dann blieb er auf einmal stehen und drehte sich zu meinem Wohnblock. Ich wusste, dass sie uns beobachteten, doch es war mir egal. Hayes war ein guter Mann. Wut machte sich in seinen Augen breit und ließ sie eine Nuance dunkler werden.
»Ignorier sie. Mir ist es egal, was sie denken«, versuchte ich ihn zu besänftigten. Sein Blick glitt zu mir. Der angespannte Ausdruck verschwand von seinen maskulinen Zügen und wurde durch ein kleines Lächeln ersetzt. »Wenn du bei mir bleibst, werden dich die Gerüchte immer verfolgen. Sie werden dann auch dich mit Worten angreifen und hinter deinem Rücken über dich lästern, Rieka«, sagte er und auf einmal wirkte sein Lächeln traurig.
             Er mochte es vielleicht so sehen, doch es störte mich nicht. Mein ganzes Leben lang hatten man über mich gelästert. Über das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir. Es war mir egal. »Ist egal, so lange du bei mir bist«, antwortete ich ihm und sprach somit meine ehrlichen Gedanken aus. Seine Augen weiteten sich einen Moment, dann lächelte er. Kurz darauf zog er sich vor mir aus. Eilig drehte ich mich weg und hörte nur das Rascheln von Klamotten. Kurz darauf hörte ich das Knacken von Knochen.
              Erst, als ich sicher sein konnte, dass er nicht mehr nackt war, drehte ich mich zu ihm und lächelte, als ich ihn in seiner Wolfsgestalt erblickte. Lächelnd lief ich auf ihn und streichelte einmal durch sein weiches Fell. Hayes schloss genüsslich die Augen und bettete seinen Kopf an meine Hand.
             Danach stieg ich auf seinen Rücken und er lief los. Da er schnell lief, war es kälter als gedacht. Mein Mantel konnte die Kälte nicht ganz zurückhalten, doch das war egal. Sein Körper spendete genug Wärme für mich. Und wer konnte schon von sich behaupten jemals auf einem Wolf durch den Wald geritten zu sein?

Hayes - "Sie gehört zu mir" ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt