Kapitel 11

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Ron

Rosebeth Matthiews war einer der ersten Menschen nach Alejandro und Pietro gewesen, der mich verstanden hatte. Und sie war eine Frau, eine Frau mit einem so starken Charakter, dass es mich halb zur Weißglut trieb und auch auf irgendeine Art und Weise faszinierte. Zum ersten Mal verstand ich überhaupt nicht, was in mir vorging. Ich wollte weder freundlich, noch anziehend sein und dann laberte ich Idiot auch noch so einen Scheiß im Delirium. Was hatte ich mir dabei nur gedacht?

Kaum war sie weg, fiel mir gleichzeitig ein Stein vom Herz und es stach mir in die Magengrube. Vermisste ich sie etwa? Warum vermisste ich sie denn bloß? Ich legte mich zurück und starrte die Zimmerdecke an, versuchte so wenig wie möglich zu denken und wieder zu mir zurückzufinden. Es klappte.

Mein Puls senkte sich ein wenig und ich atmete tief durch. Zum Glück war niemand da, der mich sah, wie ich mal wieder kurz vorm Durchdrehen war. In meiner alten Position in Spanien hätte ich mir jetzt irgendjemanden gesucht, an dem ich meine Wut auslassen konnte, aber die Arbeit bei Norris hatte mich verändert. Ich war vernünftiger und vorsichtiger geworden und der Drang dazu, meine Wut an irgendwem auszulassen, hatte ich überwunden.

Ich war noch nie auf Medikamente angewiesen gewesen und jetzt, wo ich es war, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Seroquel nannte sich das Zeug, das er mir gegen die Halluzinationen verabreicht hatte, die mir in den letzten Monaten solche Schwierigkeiten bereitet hatten. Immer wieder wurde ich von Plato und Fosca verfolgt, die mich unentwegt auslachten.

Das Problem war nur, dass ich von diesem Medikament relativ abhängig geworden war, aber keine Bescheinigung dafür hatte, dass ich darauf angewiesen war. Wenn ich nicht bald etwas davon nachgereicht bekäme, dann hatte ich ein ziemliches Problem. Denn dann kamen die Halluzinationen zurück. Ein paar Wochen im Krankenhaus würden für mich also eher eine Art Folter, als eine Hilfe sein.

„Mr. Thomas? Hier ist jemand für sie", sagte eine Krankenschwester und ließ eine Person herein, über deren Kommen ich mich nun wirklich freute. Ein Jahr war vergangen, seit ich diese Person zuletzt gesehen hatte.

„Pietro!", rief ich und wollte mich aufsetzen, mein Bein ließ es jedoch nicht zu. Wir redeten auf Spanisch, denn das war uns beiden am angenehmsten.

„Meine Güte, bist du gewachsen?", fragte ich und hievte mich etwas weiter hoch. Pietro sah mich nur perplex an und fragte dann:

„Entschuldigung, dass ich mit einer Gegenfrage antworte, oder kann es tatsächlich sein, dass du mich gerade anlächelst?"

Tatsächlich, ich lachte. Wie lange hatte ich das schon nicht mehr getan. Da fiel mir ein, dass ich zum ersten Mal seit langem lächeln musste, als Rose bei mir gewesen war. Ich verdrängte den Gedanken und nickte nur.

„Auch Leute wie ich ändern sich, Pietro. Schwer zu glauben, aber wirklich, es ist so. Ich habe es in letzter Zeit nicht so einfach gehabt. Dass ich dir komisch vorkomme, könnte aber auch daran liegen, dass ich noch ein bisschen auf Morphium bin, also wundere dich nicht."

„Du bist also nicht mehr derselbe, wie vor einem Jahr?", fragte Pietro. Man konnte deutlich hören, dass er enttäuscht war.

„Natürlich bin ich das, du Schwachkopf!", rief ich und klopfte ihm so fest gegen den Arm, dass er aufstöhnte. Schon gleich war seine Enttäuschung wie vom Erdboden verschluckt und er hatte wieder dieses Glimmern in den Augen.

„Gut! Äh... Ron, du wirst nicht glauben, was ich dir erzähle, aber..."

„Sam ist nach Kalifornien gezogen", hackte ich ihm den Satz einfach ab.

„Du... du weißt es schon?", jetzt war Pietro wirklich enttäuscht.

„Sag mir bitte nicht, dass du den weiten Weg hierher nur gekommen bist, um mir das zu sagen?!"

Courageous Sam - Quer durch Los AngelesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt